Gesellschaftsrecht I. Recht der Personengesellschaften. Ulrich Wackerbarth
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Bei Beschlussfassungen der Gesellschafter gilt der allgemeine Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf. Deshalb unterliegt derjenige Gesellschafter, über den oder dessen Angelegenheiten ein Beschluss gefasst werden soll, einem Stimmverbot. Das gilt z. B. für die Entlastung eines Gesellschafters und die Befreiung eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit.[23]
Beispiel:
In einer aus 5 Gesellschaftern bestehenden BGB-Gesellschaft möchten 4 Gesellschafter gegen den 5. eine Schadensersatzklage erheben und darüber einen Beschluss herbeiführen. Bei dieser Beschlussfassung unterliegt der 5. Gesellschafter einem Stimmverbot.
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Vereinbarungen eines Gesellschafters mit anderen Gesellschaftern oder Dritten über die Ausübung des Stimmrechts sind grundsätzlich zulässig. Stimmbindungsvereinbarungen dieser Art können eine einmalige Abstimmung betreffen, aber auch auf Dauer angelegt sein. Durch Vereinbarungen dieser Art werden in der Regel BGB-Innengesellschaften gebildet. Ansprüche aus Stimmrechtsbindungsvereinbarungen sind einklagbar und nach § 894 ZPO auch vollstreckbar.[24]
Da Beschlüsse der Gesellschafter Rechtsgeschäfte eigener Art sind,[25] finden die Vorschriften über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften, u. a. die §§ 134, 138 BGB, Anwendung. Gesellschafterbeschlüsse können also wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) nichtig sein; sie sind dann mangelhaft. Fraglich ist, ob und wie Gesellschafter sich, falls sie das wollen, gegen mangelhafte Beschlüsse zur Wehr setzen können. Nach Ansicht des BGH[26] ist im Personengesellschaftsrecht ein Streit über die Wirksamkeit von Gesellschafterbeschlüssen unter den Gesellschaftern selbst auszutragen. K. Schmidt[27] will hingegen wegen des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit die Anfechtungsklage, wie sie gegen Beschlüsse in der AG und GmbH erhoben werden kann, auch auf Personengesellschaften ausdehnen.
4. Der Aufwendungserstattungsanspruch
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Der Geschäftsführer kann gem. § 713 i. V. m. § 670 BGB von der Gesellschaft Aufwendungsersatz verlangen. Unter Aufwendungen sind alle Vermögensopfer zu verstehen, die ein Gesellschafter freiwillig im Interesse der Gesellschaft erbringt.
Beispiel:
Ein Gesellschafter zahlt den Kaufpreis an einen Verkäufer, mit dem die BGB-Gesellschaft einen Kaufvertrag abgeschlossen hat. Er hat einen Anspruch auf Zahlung der Kaufpreissumme gegen die Gesellschaft gem. §§ 713, 670 BGB.
Der Anspruch richtet sich gegen die Gesellschaft. Eine anteilige Haftung der Mitgesellschafter ist wegen § 707 BGB (= keine Nachschusspflicht; s. dazu Rn. 83 f.) grundsätzlich bis zur Auseinandersetzung ausgeschlossen. Der Gesellschaftsvertrag kann allerdings Abweichendes vorsehen. Ein Ausgleichsanspruch gegen die Mitgesellschafter kann sich allerdings aus § 426 BGB ergeben.
5. Die Treuepflichten
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Seit langem ist anerkannt, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft, also BGB-Gesellschaft, OHG, KG und Partnerschaftsgesellschaft, im Verhältnis zur Gesellschaft und untereinander durch Treuepflichten verbunden sind, die auf die Wahrung der Interessen der Gesellschaft und auf die Rücksichtnahme der Interessen der übrigen Gesellschafter gerichtet sind.[28] Die gesellschafterliche Treuepflicht geht über die in jedem Rechtsverhältnis bestehenden allgemeinen Loyalitätspflichten nach § 242 BGB deutlich hinaus. Sie kann sich zu konkreten Förder- und Interessenwahrungspflichten verdichten. Pflichten dieser Art werden Treuepflichten genannt[29]. Ihre Grundlage finden sie im Gesellschaftsvertrag i. V. m. § 242 BGB.
Mit der Gründung oder dem Beitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernehmen die Gesellschafter die gemeinsame Verpflichtung, ihr Handeln an dem von der Gesellschaft verfolgten Zweck auszurichten und seine Verwirklichung zu fördern.[30] Diese gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist eine Nebenpflicht der Gesellschafter, die gegenüber der Gesellschaft die Pflicht einschließt, deren Interessen zu wahren und gesellschaftsschädliche Handlungen zu unterlassen.[31] Die Gesellschafter sind also gehalten, zur Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks beizutragen und dabei die Belange der Gesellschaft und auch die ihrer Mitgesellschafter zu berücksichtigen[32].
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Den durch den Gesellschaftsvertrag festgelegten und vereinbarten gemeinsamen Interessen kommt stets Vorrang zu. Für die Wahrnehmung eigener Interessen der Gesellschafter ist nur Raum, wenn dadurch die Belange der Gesellschaft nicht tangiert werden[33]. Soweit die Ausübung eigennütziger, den Gesellschaftern im eigenen Interesse verliehener Gesellschafterrechte in Frage steht, hat die Treuepflicht Schrankenfunktion. Sie verpflichtet den Gesellschafter zur Wahl des schonendsten Mittels bei der Verfolgung seiner Interessen. Daraus können sich Unterlassungspflichten, wie z. B. Wettbewerbsverbote, aber von Fall zu Fall auch Pflichten zu aktivem Tun, wie z. B. ausnahmsweise zur Vertragsanpassung, ergeben. Treuepflichtig sind vor allem, aber nicht nur, die die Geschäfte führenden Gesellschafter[34].
Beispiel:
A, B, C und D haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen, die auf dem Grundstück der X-GmbH die „Rathausgalerie“, ein Einkaufszentrum, errichten und auch für die Vermietung der zu schaffenden Ladenlokale sorgen soll. C und D gründen ohne Wissen der übrigen Gesellschafter eine weitere BGB-Gesellschaft, die „M-GbR“, zu dem Zweck, Marketing für die Rathausgalerie zu betreiben. Für die gelungene Anwerbung von Mietern verlangt die „M-GbR“ von diesen eine „Verwaltungsgebühr“ von 5% pro vermieteten Quadratmeter Ladenfläche. Mit diesem Verhalten haben C und D gegenüber der Altgesellschaft und gegenüber deren Gesellschaftern gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Die Treuepflicht gebot es C und D, die Mitgesellschafter A und B über solche Vorgänge vollständig zu informieren, die deren mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren. Darüber hinaus waren sie kraft der Treuepflicht gehalten, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und ihre eigenen Belange zurückzustellen. Dazu gehört im konkreten Fall, dass C und D Geschäftschancen auf dem Betätigungsfeld der Altgesellschaft nicht für sich und zum eigenen Vorteil, sondern zu Gunsten der Gesellschaft nutzen mussten.[35] Wegen Verletzung der Treuepflichten haben die Altgesellschaft und A und B einen Anspruch auf Unterlassung der Marketingaktivitäten und im Zweifel auch einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB auf die ihnen entgangenen „Verwaltungsgebühren“ gegen C und D.
Bei den Treuepflichten geht es sowohl im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft als auch im Verhältnis der Gesellschafter zu den Mitgesellschaftern stets um den durch den Gesellschaftszweck definierten mitgliedschaftlichen Bereich, also um das Innenverhältnis[36].
6. Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Gesellschafter
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Anerkannt ist der verbandsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der besagt, dass jedes Mitglied unter gleichen Voraussetzungen ebenso zu behandeln ist wie die übrigen Mitglieder. Anders ausgedrückt bedeutet dies ein Verbot unsachlicher Differenzierung zwischen den Gesellschaftern[37] bzw. ein Verbot sachlich nicht gerechtfertigter, willkürlicher