Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer
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Beispiel
Der beklagte Elektrogroßhändler erwirbt durch seinen Schwiegersohn, der den Einkauf überwachen soll, gestohlene elektrotechnische Geräte des Klägers und veräußert sie weiter. Der Beklagte selbst ist ahnungslos, sein Schwiegersohn aber weiß Bescheid.
Der Beklagte schuldet dem Kläger nach § 990 I 1 Schadensersatz. Zwar ist er selbst beim Besitzerwerb gutgläubig gewesen, ihm wird aber analog § 166 I der böse Glaube seines Schwiegersohns zugerechnet, der den Besitz als Besitzdiener nach § 855 für den Beklagten erworben hat, weil er ihn im Rechtsverkehr wie einen bevollmächtigten Vertreter hat schalten und walten lassen (BGH 32, 53). Nicht entsprechend anwendbar sind die §§ 278, 831 (anders noch BGH 16, 259), denn hier soll nicht fremdes Verschulden sondern fremdes Wissen zugerechnet werden, und dafür ist § 166 zuständig (BGH 32, 53).
Ist der Besitzer ein Unternehmer, wird ihm das gesamte im Unternehmen vorhandene und gespeicherte Wissen zugerechnet, dessen Benutzung durch den geschäftlichen Vorgang veranlasst wird[58].
4.3 Die Anmaßung von Eigenbesitz durch den Fremdbesitzer
Problematisch ist der Fall, dass der berechtigte Fremdbesitzer sich unberechtigt Eigenbesitz anmaßt in der grobfahrlässigen Annahme, er sei dazu berechtigt. § 854 I definiert den Besitzerwerb auch für § 990 I 1 als „Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache“. Davon kann hier keine Rede sein, denn die Verwandlung von Fremd- in Eigenbesitz spielt sich nur im Kopf des Besitzers ab und ändert an der tatsächlichen Sachherrschaft rein gar nichts. Der BGH hat gleichwohl den § 990 I 1 angewendet, weil der Schadensersatzanspruch aus § 823 bereits verjährt war[59]. Nach dem neuen Verjährungsrecht der §§ 195, 199 spielt dieses Argument keine ernsthafte Rolle mehr.
5. Die Verletzung der Herausgabepflicht
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Nach §§ 989, 990 hat der verklagte oder bösgläubige Besitzer nur solche Schäden zu ersetzen, die er durch Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe verursacht. Andere Schäden, die dadurch entstehen, dass der Besitzer die Sache nicht oder verspätet herausgibt, sind aber nach §§ 280, 281, 286 zu ersetzen, denn diese schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen sind auch auf die Verletzung dinglicher Leistungspflichten anwendbar[60], aber auch hier haftet der Besitzer nur, wenn er auf Herausgabe verklagt oder bösgläubig ist[61].
6. Der Besitzerwerb durch verbotene Eigenmacht oder strafbare Handlung
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Wer sich den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder eine Straftat verschafft hat, fällt aus dem Rahmen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses heraus und haftet dem Eigentümer über § 992 direkt nach §§ 823, 249, 848. Obwohl die verbotene Eigenmacht nach § 858 kein Verschulden voraussetzt, wird sie nur durch Verschulden zur unerlaubten Handlung nach § 992, zumal auch die Straftat ein Verschulden erfordert[62]. Strafbar ist der Besitzerwerb durch Diebstahl und Raub, Betrug, Erpressung und Hehlerei[63].
7. Der unverklagte gutgläubige Besitzer
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Solange er nicht auf Herausgabe verklagt ist, haftet der gutgläubige Besitzer nach § 993 I Hs. 2 nicht.
Eine Ausnahme macht § 991 II: Der Besitzer ist dem Eigentümer von Anfang an insoweit zum Schadensersatz verpflichtet, als er dem mittelbaren Besitzer verantwortlich ist, denn es gibt keinen vernünftigen Grund, den unberechtigten Besitzer gegenüber dem Eigentümer milder zu behandeln als gegenüber dem mittelbaren Besitzer, von dem er seinen Besitz ableitet[64].
8. Der Exzess des Fremdbesitzers
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Als Fremdbesitzerexzess bezeichnet man ein Verhalten des Besitzers, das die Grenzen seines wirklichen oder vermeintlichen Besitzrechts überschreitet (RN 157), was nur dem Fremdbesitzer gelingen kann.
Der berechtigte Fremdbesitzer haftet dem Eigentümer aus Vertrag und unerlaubter Handlung; die §§ 989 ff. sind mangels einer Vindikationslage nicht anwendbar[65].
Der unberechtigte Fremdbesitzer unterliegt zwar den §§ 989 ff., aber auch er haftet für die Überschreitung seines vermeintlichen Besitzrechts ohne Rücksicht auf seinen guten Glauben direkt aus §§ 823 ff.[66].
1.1 Eine abschließende Regelung
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Der unberechtigte Besitzer kann vom Eigentümer für seine Verwendungen, die er auf die fremde Sache gemacht hat, nur nach §§ 994, 996, 999 einen Ersatz verlangen. Diese Spezialvorschriften schließen, wie § 996 noch eigens betont, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. regelmäßig aus.
1.2 Das gesetzliche System
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Das Gesetz unterscheidet in §§ 994-996 sowohl zwischen notwendigen und werterhöhenden (nützlichen) Verwendungen als auch zwischen dem auf Herausgabe verklagten oder bösgläubigen und dem unverklagten gutgläubigen Besitzer. Diese doppelte Unterscheidung macht die gesetzliche Regelung unübersichtlich.
Kurz gesagt: Der unverklagte gutgläubige Besitzer hat nach §§ 994 I 1, 996 stets Anspruch auf Ersatz seiner notwendigen und wertsteigernden (nützlichen) Verwendungen, während der auf Herausgabe verklagte und der bösgläubige Besitzer nach § 994 II mit §§ 677 ff. nur Ersatz für ihre notwendigen Verwendungen verlangen können und nur unter den strengen Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag.
Andere als notwendige oder wertsteigernde Verwendungen werden nie ersetzt.
§ 999 regelt den besonderen Fall, dass während der Verwendungszeit der Eigentümer oder der Besitzer wechselt, und ergänzt die §§ 994, 996.
1.3 Der unberechtigte Fremdbesitzer
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Obwohl die §§ 994 ff. auf den unberechtigten Eigenbesitzer zugeschnitten sind, gelten sie auch für den unberechtigten Fremdbesitzer, freilich mit einer Einschränkung: Damit der unberechtigte Fremdbesitzer nicht besser fahre als der berechtigte, werden ihm seine Verwendungen nur dann nach §§ 994 ff. ersetzt, wenn er sie auch im Rahmen seines vermeintlichen Besitzrechts, etwa aus Miete oder Pacht, ersetzt bekäme[67].