Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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Deshalb hat auch eine rechtlich mögliche Eigenhaftung des Beraters (also etwa einer Investmentbank), der das Informationsmemorandum erstellt hat,275 nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB keine große praktische Bedeutung erlangt.276 Sie kommt theoretisch in Betracht, wenn der Berater persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat. Es kommt darauf an, ob aufgrund der Expertise des Beraters eigene Prüfungen (hier des Bieters) entbehrlich werden.277 Dies ist aber gerade beim Informationsmemorandum nicht der Fall. Denn das Informationsmemorandum macht aus Sicht eines verständigen Bieters eigene Prüfungen gerade nicht entbehrlich. Allerdings ist das Informationsmemorandum eine Grundlage dafür, zu entscheiden, ob der Bieter in eine vertiefte Prüfung einsteigt. Ausnahmsweise mögen daher Ansprüche eines Bieters, der im Vertrauen auf Informationen frustrierte Aufwendungen für die Fortführung des Bieterprozesses veranlasst, denkbar sein.278
267 Vgl. Rosengarten, in: Meyer-Sparenberg/Jäckle, Beck’sches M&A-Handbuch, § 3 Rn. 10; Jaques, in: Ettinger/Jaques, Beck’sches Handbuch Unternehmenskauf im Mittelstand, C. Phase 2, Rn. 51. 268 Dazu unten Rn. 277, 279. 269 Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1338 und 1339. 270 Haberstock, in: Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1336; Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 450. 271 Dazu im Rahmen des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139 und allgemeiner Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10. 272 Louven/Böckmann, ZIP 2004, 445, 446. A. A. etwa Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139. 273 OLG Hamm, Urt. v. 29.4.2010 – 22 U 127/09, NJW-RR 2010, 1643. 274 Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139 mit einem entsprechenden Formulierungsvorschlag. 275 Dazu ebenfalls Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1139. 276 So zu Recht Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10. 277 Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10 m.w.N. in Fn. 23. 278 Schöne/Uhlendorf, in: Mehrbrey, Handbuch Streitigkeiten beim Unternehmenskauf, § 7 Rn. 10.
3.6 Verfahrensbrief (Process Letter)
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Im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Informationsmemorandum erhalten die Bieter einen ersten Verfahrensbrief (Process Letter I). Darin wird der zeitliche Ablauf des Auktionsverfahrens bis zum indikativen Angebot einschließlich einzuhaltender Regeln und Fristen beschrieben und es wird den Bietern aufgegeben, welche Angaben das indikative Angebot enthalten muss (typischerweise sind dies der indikative Kaufpreis, seine Ableitung aus dem indikativen Enterprise Value,279 die strategischen Pläne des Bieters für die Zielgesellschaft, vom Bieter etwa erwartete weitere Vollzugsvoraussetzungen und Angaben zur Finanzierung der Transaktion280).
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Ab einer gewissen Transaktionsgröße ist es üblich, in einem zweiten Verfahrensbrief (Process Letter II) der kleinen Anzahl von Bietern, denen Zugang zum Datenraum gewährt wird, den Ablauf des Verfahrens und die einzuhaltenden Regeln (einschließlich gesonderter Datenraumbenutzungsregeln) und Fristen bis zur fristgemäßen Abgabe des sog. bindenden Angebots (Binding Offer) zu beschreiben. Erwartet der Verkäufer den Abschluss einer W&I-Versicherung,281 wird er den Bietern die von ihm eingeholten Angebote der W&I-Versicherer mit dem Process Letter II übersenden und von den Bietern verlangen, dass diese in ihrer Binding Offer bestätigen, eine Käuferpolice abzuschließen.282
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Juristisch bindend sind diese „bindenden“ Angebote regelmäßig nicht, wenngleich dies im Einzelfall auch ausnahmsweise anders sein kann (beim Verkauf von GmbH-Anteilen muss das ausnahmsweise auch juristisch bindende Angebot dann auch notariell beurkundet sein283). Das sog. bindende Angebot muss in der Regel den angebotenen Kaufpreis und seine Ableitung aus dem Enterprise Value enthalten. Darüber hinaus erwartet der Verkäufer regelmäßig Angaben dazu, ob und welche kartellbehördlichen Genehmigungen nach Einschätzung des Bieters zum Vollzug vorliegen müssen und ob es weitere regulatorische Genehmigungserfordernisse (etwa bei Banken und Versicherungen im Rahmen der Inhaberkontrolle durch die BaFin oder, bei unionsfremden Käufern, solche nach dem Außenwirtschaftsrecht) gibt. Schließlich hat der Bieter üblicherweise den vom Verkäufer vorgeschlagenen Entwurf des Unternehmenskaufvertrags (und manchmal auch die vom Verkäufer vorgelegten Entwürfe wesentlicher Begleitverträge, etwa Vertriebskooperationsverträge oder Service-Verträge) in überarbeiteter Fassung als Mark-Up dem bindenden Angebot beizufügen. Dem kann in geeigneten Fällen ein Telefonat zwischen Verkäufer und Bieter (und den jeweiligen anwaltlichen Beratern) vorangehen, in dem der Verkäufer den Kaufvertragsentwurf und die Bedeutung bestimmter Regelungen für die Verkäuferseite erläutert.
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Typisch für die Verfahrensbriefe sind ausdrückliche Vorbehalte des Verkäufers dahingehend, die von ihm beschriebenen Regeln des Auktionsverfahrens jederzeit einseitig ändern zu können. Solche Änderungsvorbehalte beziehen sich insbesondere darauf, (i) ohne Angabe von Gründen Fristen verkürzen oder verlängern zu dürfen, (ii) neue Bieter in das Verfahren aufnehmen und umgekehrt Bieter daraus ausschließen zu dürfen, (iii) nach Belieben des Verkäufers darüber zu entscheiden, mit welchem/welchen Bietern er verhandelt, (iv) die Verhandlungen auszusetzen oder abzubrechen und (v) frei darüber entscheiden zu dürfen, welche Informationen er (welchen Bietern) zur Verfügung stellt.284 Veröffentlichte Rechtsprechung dazu, ob solche Änderungsvorbehalte wirksam sind, ist nicht ersichtlich. Nach wohl vorherrschender Meinung liegt dann eine unangemessene Benachteiligung der Bieter nach § 307 BGB vor, wenn diese Regelungen in den Verfahrensbriefen als AGB qualifizieren und die Änderungsvorbehalte auch ohne sachlichen Grund (in Gestalt unvorhersehbarer Änderungen der Zielgesellschaft oder des Marktumfeldes) eine einseitige Änderung des Verfahrensablaufs erlauben. Zudem müssten sämtliche Bieter von der Änderung des Verfahrens informiert werden, damit alle Bieter darauf reagieren können und nicht versehentlich z.B. wegen Ablaufs einer verkürzten Frist aus dem Verfahren ausscheiden.285 AGB-Qualität dürften diese Regelungen in den Verfahrensbriefen angesichts der strengen allgemeinen Maßstäbe der Rechtsprechung zu AGB286 regelmäßig haben, da alle und regelmäßig eine Vielzahl von Bietern den Verfahrensbrief erhalten.287 Allerdings sind die Bieter nicht schutzwürdig und es liegt keine unangemessene Benachteiligung vor. Denn der Verkäufer verhindert durch den Änderungsvorbehalt von vornherein das Entstehen schutzwürdigen Vertrauens.288 Folgt man der wohl vorherrschenden Meinung, käme bei freien Änderungsvorbehalten eine geltungserhaltende Reduktion (da AGB) nicht in Betracht. Will man vorsorglich den Änderungsvorbehalt so formulieren, dass er auch den Anforderungen der herrschenden Meinung genügt, ist die Verfahrensänderung an einen sachlichen Grund zu knüpfen. Vorbehalte, die Bieter hinsichtlich ihrer Information unterschiedlich behandeln zu dürfen, begegnen keinen Bedenken. Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die das Informationsverhalten des Verkäufers entsprechend beschränken könnte.289 Selbst wenn dies anders wäre, käme eine Haftung des Verkäufers wegen unterschiedlicher Information nach den §§