Unternehmenskaufvertrag. Christoph Louven
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Ob die Ersteller des „Vendor’s Due Diligence“-Berichts oder des Fact Books dem Empfänger ausdrücklich erlauben, auf den Bericht zu vertrauen (indem sie ihm gegenüber einen Reliance-Letter abgeben) oder nicht (oder umgekehrt einen Non-Reliance-Letter abgeben) ist oft Gegenstand intensiver Verhandlungen und sollte unbedingt bereits zu Beginn des M&A-Verkaufsprozesses abgeklärt werden.433
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Die Bieter werden ohnehin nicht allein auf einen „Vendor’s Due Diligence“-Bericht vertrauen, sondern auf dessen Grundlage selbst vor Abgabe des sog. verbindlichen Angebots, spätestens aber vor Abschluss des Kaufvertrags eine fokussierte eigene Due Diligence durchführen.
3.7.7 Erfüllung von Aufklärungspflichten durch Ermöglichen einer Käufer-Due Diligence?
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Gesetz und Rechtsprechung verlangen vom Verkäufer, trotz der naturgemäß entgegengesetzten Interessen, den Kaufinteressenten vor Vertragsschluss über bestimmte Umstände ungefragt aufzuklären, wenn er nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte.434 Das ist der Fall, wenn die (offenzulegenden) Umstände den Vertragszweck des Kaufinteressenten vereiteln können und daher für seinen Kaufentschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte.435 Die Rechtsprechung tendierte in der jüngeren Vergangenheit dazu, den Kreis der Aufklärungspflichten eher zu vergrößern und beim Unternehmenskauf von einer „gesteigerten Aufklärungspflicht“ mit strengem Sorgfaltsmaßstab auszugehen.436 Begründet wird dies mit der Schwierigkeit der Bewertung der Zielgesellschaft durch den außenstehenden Kaufinteressenten, dessen besonderer Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen sowie den typischerweise weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung für den Erwerber.437
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In der Praxis stellt sich oft die Frage, ob der Verkäufer diese Aufklärung auch dadurch vornehmen kann, dass er dem Käufer die Möglichkeit einer Due Diligence einräumt. Darauf soll an anderer Stelle zusammenhängend eingegangen werden.438 Nach der hier vertretenen Auffassung erfüllt der Verkäufer nicht allein durch die Verschaffung zur Gelegenheit einer Due Diligence, sondern erst durch konkrete Aufklärung im Rahmen der Due Diligence, die den allgemeinen Anforderungen der Rechtsprechung genügt, etwaig bestehende Aufklärungspflichten. Der Verkäufer muss daher, will er seine Aufklärungspflichten erfüllen, dem Käufer im Rahmen der Due Diligence die Informationen auf eine Weise zur Verfügung stellen, die es einem durchschnittlich aufmerksamen Käufer ermöglicht, die für seine Kaufentscheidung erforderlichen Informationen aufzunehmen.439 Es ist dann Sache des Käufers, nach weiteren Informationen zu fragen.440
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Allerdings kann den Käufer bei einer Aufklärungspflichtverletzung dann Mitverschulden im Sinne von § 254 BGB treffen, wenn sich aus den im Datenraum offen gelegten Unterlagen konkrete Anhaltspunkte ergeben, die auf eine Wert- oder Brauchbarkeitsminderung der Zielgesellschaft schließen lassen und der Käufer diesen nicht nachgeht.441 Eine Entscheidung des LG Hamburg legt dem Käufer insoweit weitreichende Verpflichtungen auf.442
3.7.8 Gegenstand
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Gegenstand der Due Diligence443 sind regelmäßig:
– kaufmännische Grundlagen,
– Finanzen, Rechnungslegung,
– HR,
– Betriebsrenten,
– Umwelt,
– Recht,
– Steuern,
– Compliance,
– Technik.
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In der kulturellen Due Diligence (Cultural Due Diligence)444 wird die Kompatibilität der Zielgesellschaft mit dem Käufer geprüft. Eine hohe Kompatibilität erleichtert die Integration nach Vollzug, eine niedrige gefährdet das gesamte Vorhaben. Sie dürfte in ihrer Bedeutung von Juristen nicht selten unterschätzt werden.
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Große Bedeutung hat auch die technische Due Diligence. Sie dient zur Feststellung von Chancen und Risiken technologischer Potenziale insbesondere bei der Zusammenführung unterschiedlicher Potenziale.445 Teilbereich einer technischen Due Diligence ist die IT Due Diligence, in der die Kompatibilität der IT-Systeme mit denen des Käufers geprüft werden.446 Hier gibt es regelmäßig Schnittstellen zur rechtlichen, auf die IT der Zielgesellschaft bezogenen Legal Due Diligence. Angesichts einer wachsenden Zahl von technologiegetriebenen Transaktionen gewinnen technische Due Diligence und IT Due Diligence weiter wachsende Bedeutung.
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Wachsen wird die Notwendigkeit, das Zielunternehmen in der Due Diligence auch auf ESG-Aspekte (also Aspekte hinsichtlich Environmental, Social and Governance) hin zu prüfen.447 Dabei stehen heute noch Umweltthemen im Vordergrund. Immer wichtiger werden daneben die Aspekte Nachhaltigkeit, Umgang mit den Geschlechtern, Chancengleichheit, Arbeitnehmerrechte und Personalmanagement sowie Gesundheits- und Sicherheitsfragen bei Lieferanten.448 Standardisierte Verfahren dazu fehlen noch.449 Ähnlich wie bei der Compliance Due Diligence ist daher ein einzelfallbezogener, risikoadäquater Ansatz sinnvoll.450
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Daneben kommt je nach Risikoprofil auch eine Prüfung des Versicherungsschutzes in Betracht. Sie erfolgt typischerweise durch Versicherungsmakler. Gegenstand sind die Prüfung adäquaten Versicherungsschutzes und mögliche Haftungsrisiken aus Deckungslücken.451 Insbesondere dann, wenn die Zielgesellschaft einem Konzern zugehört, besteht häufig konzernweiter Versicherungsschutz, der mit dem Vollzug des Unternehmenskaufvertrags (möglicherweise mit kurzen Übergangsfristen) entfällt. Dann erstreckt sich die Due Diligence auf die Möglichkeiten einer reibungslosen Integration in den Versicherungsschutz des Käufers. Deckungslücken drohen zu entstehen, wenn von einem Versicherungsschutz auf Basis des Claims Made-Prinzips (diejenige Versicherung zahlt, die bei Anspruchsstellung Versicherungsschutz gewährt) umgestellt wird auf Occurrence Based-Versicherungsschutz (diejenige Versicherung leistet, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses Versicherer war).
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Gegenstände der rechtlichen Due Diligence können insbesondere sein:
– gesellschaftsrechtliche Verhältnisse,
– gruppeninterne Verträge und Schnittstellen zum Verkäufer und seinen verbundenen Unternehmen (Separation Issues),