Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny

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Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht - André-M. Szesny

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im Straf- und Bußgeldverfahren zu erhöhen. Da der Betroffene im Bußgeldverfahren über diese Möglichkeit indes nicht belehrt zu werden braucht,[95] dürfte sich die Regelung auf die Pflichtverteidigerbestellung in der Bußgeldpraxis der BaFin allerdings nicht wesentlich auswirken.

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      In § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 138 StPO ist geregelt, wer im Bußgeldverfahren als Verteidiger gewählt werden kann.

      67

      Hierzu sind in der Praxis in erster Linie Rechtsanwälte (§ 138 Abs. 1 1. Var. StPO) berufen. Ebenfalls kommen Rechtslehrer an deutschen Hochschulen i.S.d. Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt (§ 138 Abs. 1 Var. 2 StPO) als Verteidiger im Bußgeldverfahren in Betracht.

      68

      

      Auch ein Syndikusanwalt darf als Verteidiger im Bußgeldverfahren nicht zurückgewiesen werden. Der Syndikusanwalt hat nach der sog. Doppelberufstheorie zwei Arbeitsbereiche: den eines freien Rechtsanwalts und – im Hauptberuf – den eines nichtanwaltlichen und weisungsgebundenen Arbeitnehmers.[96] Nur soweit der Syndikusanwalt außerhalb seines hauptberuflichen Dienstverhältnisses tätig wird, kann er als Verteidiger gem. § 138 Abs. 1 Var. 1 StPO bestellt werden. Dies kann etwa der Fall sein, wenn in dem Arbeitsvertrag geregelt ist, dass strafrechtliche Angelegenheiten nicht zu seinen Arbeitsaufgaben gehören.[97] Der Syndikusanwalt unterliegt zwar den standesrechtlichen Beschränkungen des § 46c Abs. 2 S. 2 BRAO. Danach ist es ihm verboten, in Straf- oder Bußgeldverfahren, die sich gegen den Arbeitgeber oder dessen Mitarbeiter richten, als Verteidiger aufzutreten. Der Verstoß gegen das Berufsrecht ist indes strafprozessual folgenlos. Weder berechtigt der Verstoß gegen § 46c Abs. 2 S. 2 BRAO die BaFin zu einer Zurückweisung gem. § 146a StPO, noch hat dieser Auswirkung auf die Wirksamkeit von Verteidigerhandlungen.[98]

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      Keine Syndikusanwälte sind Justiziare oder Mitarbeiter von Rechtsabteilungen. Sie besitzen keine Rechtsanwaltszulassung. Sie können zwar im Auftrag der Nebenbeteiligten für diese mit der BaFin Gespräche über das Bußgeldverfahren führen, haben aber nicht die prozessuale Stellung eines Verteidigers inne (und damit z.B. kein eigenständiges Akteneinsichtsrecht).

      70

      Gemäß § 140 Abs. 2 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Im Kapitalmarktordnungswidrigkeitenrecht dürften die Bestellungsgründe der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge und die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage in Betracht kommen.[99]

      71

      Die Höhe der zu erwartenden Geldbuße kann die Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge begründen. Gegen die Erforderlichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung in dieser Fallgestaltung soll jedoch sprechen, wenn der Betroffene in guten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt und zudem lebenserfahren, umsichtig, geschäftsgewandt und in der Lage ist, seine Interessen mit Nachdruck zu vertreten.[100]

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      Die Rechtslage ist schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, oder wenn die Subsumtion aus sonstigen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird.[101] Dies wird etwa angenommen, wenn ein Beweisverwertungsverbot in Betracht kommt.[102]

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      Liegt ein Fall notwendiger Verteidigung vor, hat die BaFin dem Betroffenen einen Pflichtverteidiger für das Bußgeldverfahren von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestellen, § 60 OWiG.[103] Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 OWiG allein ist dafür nicht ausreichend; die Bestellung muss gem. § 60 OWiG zusätzlich geboten sein.[104]

      Das insoweit eingeräumte Ermessen ist auf Null reduziert, wenn der Betroffene die Bestellung eines Pflichtverteidigers wünscht. Denn die Bestellung eines Pflichtverteidigers hat nach der Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung[105] unverzüglich im Ermittlungsverfahren zu erfolgen, sobald der Betroffene dies ausdrücklich beantragt, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 141 Abs. 1 S. 1 StPO.

      74

      Stellt der Betroffenen den Antrag nicht, hat die BaFin ihr eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß auszuüben. Dabei sind beispielsweise die Verteidigungsfähigkeit des Betroffenen, die Bedeutung der Sache[106] sowie der Umstand zu würdigen, dass der Betroffene – sofern er im Bußgeldverfahren überobligatorisch darauf hingewiesen worden ist – selbst keinen Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung gestellt hat.

      75

      Bei der Auswahl des Verteidigers ist im Grundsatz der Wunsch des Betroffenen zu berücksichtigen, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 142 Abs. 5 S. 2 StPO.

      76

      Die Bestellung wirkt nur für das Bußgeldverfahren vor der BaFin, nicht auch für das gerichtliche Bußgeldverfahren.[107] Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden, erlischt die Pflichtverteidigerbestellung. Sie wirkt nicht in das verwaltungsrechtliche Vollstreckungsverfahren fort.[108]

      77

      Gemäß § 60 OWiG i.V.m. § 121 WpHG entscheidet die BaFin über die Zurückweisung eines Verteidigers (Wahl- und Pflichtverteidiger).

      78

      

      Der Verteidiger darf zur Vermeidung von Interessenkollisionen weder gleichzeitig mehrere Betroffene derselben (prozessualen) Tat noch mehrere Betroffene unterschiedlicher (prozessualer) Taten in demselben Bußgeldverfahren verteidigen (Verbot der Doppel- und Mehrfachverteidigung, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 146 StPO).

      Beispiel

      Hat ein Rechtsanwalt die Verteidigung von zwei Betroffenen einer Ordnungswidrigkeit in demselben Bußgeldverfahren übernommen, ist zu differenzieren. Bei gleichzeitiger Beauftragung des Verteidigers durch mehrere Betroffene ist der Verteidiger insgesamt zurückzuweisen. Bei nicht gleichzeitiger, sukzessiver Beauftragung ist der Verteidiger lediglich hinsichtlich der später übernommenen Verteidigung zurückzuweisen, die zuerst übernommene Verteidigung bleibt zulässig.

      79

      Weiter dürfen sich aus Gründen der Verfahrensvereinfachung für denselben Betroffenen nicht mehr als drei Verteidiger bestellen, § 137 Abs. 1 S.

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