Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny

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Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht - André-M. Szesny

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sowohl den Betroffenen als auch die betroffene Gesellschaft in demselben Verfahren prozessual vertreten können soll.[129] Ungeachtet dessen kann in den Fällen des alleinvertretungsberechtigten, aber von der Vertretung ausgeschlossenen Organs die Möglichkeit gegeben sein, dem Passivvertreter der Gesellschaft die Gelegenheit der Stellungnahme (§ 55 OWiG) einzuräumen.[130] So liegt es im Fall eines betroffenen Alleinvorstands der Aktiengesellschaft, an dessen Stelle der Aufsichtsrat (Rechtsgedanke aus § 78 Abs. 2 S. 2 AktG) angehört werden kann, um das Recht auf rechtliches Gehör der betroffenen Gesellschaft zu wahren. Entsprechend § 78 Abs. 2 S. 3 AktG kann das Anhörungsschreiben sodann an die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift der Gesellschaft gesendet werden.

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      Unterlässt die BaFin die Anhörung der betroffenen Gesellschaft im Ermittlungsverfahren, wird die Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Erlass und wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids durch die Gelegenheit der Einspruchseinlegung nachgeholt werden können.

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      Die BaFin hat die nachfolgenden Belehrungspflichten im Bußgeldverfahren zu beachten.

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      Die BaFin hat die Gesellschaft über das einfachgesetzlich geregelte Schweigerecht zu belehren, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Die in Bezug genommenen Vorschriften des Einziehungsverfahrens nach StPO sind gem. § 46 Abs. 1 OWiG sinngemäß anzuwenden. Die Belehrung ist mit der ersten Anhörung des vertretungsberechtigten Organs der Gesellschaft vorzunehmen.[131]

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      Die Nebenbeteiligte ist darauf hinzuweisen, vor der Anhörung einen von ihr zu wählenden anwaltlichen Rechtsbeistand befragen zu können. Die Belehrungspflicht aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2, 163a Abs. 3 S. 2, 136 Abs. 1 S. 2 StPO wird nicht von der Regelung des § 55 Abs. 2 S. 1 OWiG ausgeschlossen. Denn der Nebenbeteiligten kommt im Ermittlungsverfahren eine beschuldigtenähnliche Stellung zu.[132] Deshalb gelten die Ausführungen zur Hinweispflicht über das Verteidigerkonsultationsrecht gegenüber dem Betroffenen hier entsprechend.[133]

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      Neben dem Wahlvertreter kommt die Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters in Betracht. Für die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder einer anderen Person, die als Verteidiger bestellt werden darf, ist die BaFin gem. § 88 Abs. 1 OWiG zuständig. Auf Antrag oder von Amts wegen bestellt die BaFin gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO der Nebenbeteiligten bereits im Ermittlungsverfahren[134] einen Rechtsanwalt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, soweit sie die Verbandssanktionierung betrifft, die Mitwirkung eines Rechtsanwalts geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass die Nebenbeteiligte ihre Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.

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      Für die Zurückweisung eines Vertreters gilt gem. § 88 Abs. 1 Hs. 2 OWiG die Regelung des § 60 S. 2 OWiG entsprechend,[135] d.h. zuständig ist die BaFin. Ist der anwaltliche Vertreter der betroffenen Gesellschaft im einheitlichen Verfahren zugleich der Verteidiger des betroffenen Leitungsorgans, kann dieser nach h.M. nicht wegen Interessenkollision gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m § 146 StPO zurückgewiesen werden.[136]

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      Die BaFin kann Auskunftspersonen als Zeugen vernehmen, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 48 ff. StPO. Zeugen unterliegen der Pflicht zum Erscheinen vor der BaFin sowie zur wahrheitsgemäßen Aussage.[137]

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      Erscheinen die Zeugen trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung (zumeist per PZU) nicht, kann die BaFin gegen sie ein Ordnungsgeld festsetzen, §§ 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 161a Abs. 2, 51 Abs. 1, 77 Abs. 1 StPO. Die zwangsweise Vorführung darf hingegen nur der Richter anordnen, § 46 Abs. 5 OWiG. In einem solchen Fall muss die BaFin bei dem zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (vgl. § 162 Abs. 1 StPO) einen Antrag auf richterliche Anordnung der Vorführung beantragen, wenn diese Maßnahme zuvor dem Betroffenen oder dem Zeugen angedroht worden war. Nach Erlass wird die richterlich angeordnete Vorführung des Zeugen durch die Polizei vollstreckt.

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      Zwangsmittel können auch angedroht werden, wenn der Zeuge unberechtigt die Aussage verweigert. Berechtigt ist die Aussageverweigerung, wenn der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 55 StPO) oder ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 52 ff. StPO) hat. Während der Zeuge über das Auskunftsverweigerungsrecht nicht selten zu belehren ist (§§ 46 OWiG, § 55 Abs. 2 StPO), muss der Zeuge über sein Zeugnisverweigerungsrecht erst dann belehrt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er Angehöriger des Betroffenen ist.[138]

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      Im Bußgeldverfahren ist es wegen des nach § 47 Abs. 1 OWiG der BaFin eingeräumten Verfolgungsermessens grundsätzlich möglich, gegenüber dem zur Auskunftsverweigerung berechtigten Zeugen eine Nichtverfolgungszusage zu erklären, um die Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO für diesen Zeugen auszuschließen.[139] Hierin würde sich die BaFin verpflichten, nicht gegen den § 55-Zeugen zu ermitteln, um dessen Aussagebereitschaft trotz Verfolgungsrisikos zu erhöhen.

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      Vertiefung (Zur Nichtverfolgungszusage im Bußgeldverfahren)

      Die Zulässigkeit von Nichtverfolgungszusagen im Bußgeldverfahren ist nicht unumstritten.[140] Das Bundeskartellamt nutzt sie im Kartellbußgeldverfahren zur verbesserten Sachverhaltsaufklärung.[141] Die Nichtverfolgungszusage ist neuerdings in § 59 Abs. 4 GWB geregelt. Die Voraussetzungen sowie die Bindungswirkung sind in der Rechtsprechung nicht geklärt.[142] Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit der Nichtverfolgungszusage ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens eine Selbstbindung der Behörde bewirkt.[143] Solange die zulässigen Grenzen des Ermessens nicht überschritten sind, darf die Behörde von der gegebenen Zusicherung nicht wieder abweichen.[144] Bei Ausübung des Verfolgungsermessens soll neben der Bedeutung des Verstoßes und der Rolle des Betroffenen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Verfahrensaufwands und das Interesse an der Aufklärung und Ahndung schweren Unrechts Berücksichtigung finden können. Dementsprechend kann es nach der Vorstellung des Gesetzgebers angemessen sein, mit einer Nichtverfolgungszusage das Ziel zu verfolgen, an eine wahrheitsgemäße Aussage zu gelangen, die geeignet ist, in Bezug auf einen Anderen den Nachweis einer schweren

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