Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
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Читать онлайн книгу Ein Kampf um Rom - Felix Dahn страница 10
Cethegus horchte auf: sein ganzes Wesen war in plötzlicher Erregung, aber sein Antlitz blieb eisig kalt.
»Rom wird sich niemals an die Herrschaft der Goten gewöhnen, es wird uns ewig widerstreben — wie könnte es anders!« setzte sie seufzend hinzu. Es war, als ob die Tochter Theoderichs eine römische Seele hätte.
»Wir fürchten deshalb«, ergänzte Cassiodor, »daß auf die Kunde von der Erledigung des Throns zu Rom eine Bewegung gegen die Regentin ausbrechen könnte, sei es für Anschluß an Byzanz, sei es für Erhebung eines eigenen Kaisers des Abendlandes.«
Cethegus schlug, wie nachsinnend, die Augen nieder. —
»Darum«, fiel die Königin rasch ein, »muß, schon ehe jene Kunde zu Rom eintrifft, alles geschehen sein. Ein entschlossener, mir treu ergebener Mann muß die Besatzung für mich — ich meine für meinen Sohn — vereidigen, die wichtigsten Tore und Plätze besetzen, Senat und Adel einschüchtern, das Volk für mich gewinnen und meine Herrschaft unerschütterlich aufrichten, ehe sie noch bedroht ist. Und für dies Geschäft hat Cassiodor — dich vorgeschlagen. Sprich, willst du es übernehmen?«
Bei diesen Worten war der goldne Griffel aus ihrer Hand zur Erde gefallen. Cethegus bückte sich, ihn aufzuheben. Er hatte nur diesen einen Augenblick für die hundert Gedanken, die bei diesem Antrag sich in seinem Kopfe kreuzten.
War die Verschwörung in den Katakomben, war vielleicht er selbst verraten? Lag hier eine Schlinge des schlauen und herrschsüchtigen Weibes? Oder waren die Toren wirklich blind, gerade ihm dies Amt aufzudrängen? Und wenn dem so war, was sollte er tun? Sollte er den Moment benutzen, sogleich loszuschlagen, Rom zu gewinnen? Und für wen? Für Byzanz oder für einen Kaiser im Abendlande? Und wer sollte das werden? Oder waren die Dinge noch nicht reif? Sollte er für diesmal — aus Treulosigkeit — Treue üben? Für all diese und manche andere Zweifel und Fragen hatte er, sie zu stellen und zu lösen, nur den einen Moment, da er sich bückte: sein rascher Geist brauchte nicht mehr: er hatte im Bücken das arglos vertrauende Gesicht Cassiodors gesehen, und entschlossen sprach er, den Griffel überreichend: »Königin, ich übernehme das Geschäft.« — »Das ist gut«, sagte die Fürstin. Cassiodor drückte seine Hand. »Wenn Cassiodor«, fuhr Cethegus fort, »mich zu diesem Amte vorgeschlagen, so hat er wieder einmal seine tiefe Menschenkenntnis bewährt. Er hat durch meine Schale auf meinen Kern gesehen.« — »Wie meinst du das?« fragte Amalaswintha. — »Königin, der Schein konnte ihn trügen. Ich gestehe, daß ich die Barbaren — verzeihe! — die Goten nicht gern in Italien herrschen sehe.« — »Dieser Freimut ehrt dich, und ich verzeih’ es dem Römer.« — »Dazu kommt, daß ich seit Jahrzehnten dem Staat, dem öffentlichen Leben keine Teilnahme mehr zuwandte. Nach vielen Leidenschaften leb’ ich — ohne alle Leidenschaft — nur einer spielenden Muße und leichten Gelehrsamkeit, unbekümmert um die Sorgen der Könige, auf meinen Willen.« »Beatus ille qui procul negotiis«, zitierte seufzend die gelehrte Frau. »Aber eben weil ich die Wissenschaft verehre, weil ich, ein Schüler Platons, will, daß die Weisen herrschen sollen, deshalb wünsche ich, daß eine Königin mein Vaterland regiere, die nur der Geburt nach Gotin, der Seele nach Griechin, der Tugend nach Römerin ist.
Ihr zuliebe will ich meine Muße den verhaßten Geschäften opfern. Aber nur unter der Bedingung, daß dies mein letztes Staatsamt sei. Ich übernehme deinen Auftrag und stehe dir für Rom mit meinem Kopf.«
»Gut, hier findest du die Vollmachten, die Dokumente, deren du bedarfst.«
Cethegus durchflog die Urkunden. »Dies ist das Manifest des jungen Königs an die Römer, mit deiner Unterschrift. Seine Unterschrift fehlt noch.« Amalaswintha tauchte die gnidische Rohrfeder in das Gefäß mit Purpurtinte, deren sich die Amaler, wie die römischen Imperatoren, bedienten: »Komm, schreibe deinen Namen, mein Sohn.« Athalarich hatte während der ganzen Verhandlung stehend und mit beiden Armen vorgebeugt auf den Tisch gestützt, Cethegus scharf beobachtet. Jetzt richtete er sich auf: er war gewohnt, in seinen Formen die Rechte eines Thronfolgers und eines Kranken zu gebrauchen: »Nein«, sagte er heftig, »Ich schreibe nicht. Nicht bloß, weil ich diesem kalten Römer nicht traue, nein, ich traue dir gar nicht, du stolzer Mann! — Es ist empörend, daß ihr, während mein hoher Großvater noch atmet, schon an seiner Krone herumtappt, ihr Zwerge nach der Krone des Riesen. Schämt euch eurer Fühllosigkeit. Hinter jenen Vorhängen stirbt der größte Held des Jahrhunderts und ihr denkt nur an die Teilung seiner Königsgewänder.«
Er wandte ihnen den Rücken und schritt langsam nach dem Fenster zu, wo er den Arm um seine schöne Schwester schlang und ihr schimmervolles, glänzendes Haar streichelte.
Lange stand er so, sie achtete seiner nicht. Plötzlich fuhr sie auf aus ihrem Sinnen: »Athalarich«, flüsterte sie, hastig seinen Arm fassend und hinausdeutend auf die Marmorstufen, »wer ist der Mann dort im blauen Stahlhelm, der eben um die Säule biegt? Sprich, wer ist es?« »Laß sehn«, sagte der Jüngling sich vorbeugend, »der dort? Ei, das ist Graf Witichis, der Besieger der Gepiden, ein wackrer Held.« Und er erzählte ihr von den Taten und Erfolgen des Grafen im letzten Kriege.
Indessen hatte Cethegus die Fürstin und den Minister fragend angesehen. »Laß ihn!« seufzte Amalaswintha. »Wenn er nicht will, zwingt ihn keine Macht der Erde.« Weiteres Fragen des Cethegus ward abgeschnitten, indem sich der dreifache Vorhang auftat, der das Schlafgemach des Königs von allem Geräusch des Vorzimmers schied. Es war Elpidios, der griechische Arzt, der, die schweren Falten aufhebend, berichtete, der Kranke, eben aus langem Schlummer erwacht, habe ihn fortgeschickt, um mit dem alten Hildebrand allein zu sein: dieser wich nie von seiner Seite.
SECHSTES KAPITEL
Das Schlafgemach Theoderichs, schon von den Kaisern zu gleichem Zweck benutzt, zeigte die düstre Pracht des späten römischen Stils. Die überladenen Reliefs an den Wänden, die Goldornamentik der Decke schilderten noch Siege und Triumphzüge der römischen Konsuln und Imperatoren: heidnische Götter und Göttinnen schwebten stolz darüber hin, überall in der Architektur und Dekoration waltete drückender Prunk.
Dazu bildete einen merkwürdigen Gegensatz das Lager des Gotenkönigs in seiner schlichten Einfachheit. Kaum einen Fuß vom Marmorboden erhob sich das ovale Gestell von rohem Eichenholz, das wenige Decken füllten. Nur der köstliche Purpurteppich, der die Füße verhüllte, und das Löwenfell mit goldnen Tatzen, ein Geschenk des Vandalenkönigs aus Afrika, das vor dem Bette lag, bekundeten die Königshoheit des Kranken. Alles Gerät, das sonst das Gemach erfüllte, war prunklos, schlicht, fast barbarisch schwer.
An einer Säule im Hintergrund hing der eherne Schild und das breite Schwert des Königs, seit vielen Jahren nicht mehr gebraucht. Am Kopfende des Lagers stand, gebeugten Hauptes, der alte Waffenmeister, die Züge des Kranken sorglich prüfend: dieser, auf den linken Arm gestützt, kehrte ihm das gewaltige, das majestätische Antlitz zu. Sein Haar war spärlich und an den Schläfen abgerieben durch den langjährigen Druck des schweren Helmes, aber noch glänzend hellbraun, ohne irgend graue oder weiße Spuren. Die mächtige Stirn, die blitzenden Augen, die stark gebogene Nase, die tiefen Furchen der Wangen sprachen von großen Aufgaben und von großer Kraft, sie zu lösen, und machten den Eindruck des Gesichts königlich und hehr: aber die wohlwollende Weichkeit des Mundes bekundete, trotz des grimmigen und leise ergrauenden Bartes, jene Milde und friedliche Weisheit, mit welcher der König ein Menschenalter lang für Italien eine goldne Zeit zurückgeführt