Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
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Diese war, sowie sie Cassiodors Bericht zu Ende gehört, in den Hof des Palastes geeilt, wo sie zu dieser Stunde den König mit den andern jungen Goten seines Hofes beim Waffenspiel zu treffen hoffte. Nur sehen wollte sie ihn, doch nicht ihn sprechen und ihm zu Füßen ihr großes Unrecht abbitten. Sie hatte ihn verabscheut, von sich gestoßen, ihn als mit dem Blut ihres Vaters befleckt gehaßt — ihn, der sich für diesen Vater geopfert, der ihre Brüder gerettet hatte!
Aber sie fand ihn nicht im Hof. Die wichtigen Ereignisse des Tages hielten ihn in seinem Arbeitszimmer fest. Auch seine Waffengesellen fochten und spielten heute nicht: in dichten Gruppen beisammenstehend, priesen sie laut den Mut ihres jungen Königs.
Mit Wonne sog Kamilla dieses Lob ein: stolz errötend, selig träumend, wandelte sie in den Garten und suchte dort an allen seinen Lieblingsstätten die Spuren des Geliebten. Ja, sie liebte ihn: kühn und freudig gestand sie sich’s ein: er hatte es tausendfach um sie verdient. Was Gote, was Barbar! Er war ein edler, herrlicher Jüngling, ein König, der König ihrer Seele. Wiederholt wies sie die begleitende Daphnidion aus ihrer Nähe, daß diese nicht höre, wie sie wieder und wieder den geliebten Namen selig vor sich hinsprach. Endlich am Venustempel angelangt, versank sie in süße Träume über die Zukunft, die unklar, aber golden dämmernd, vor ihr lag. Vor allem beschloß sie, dem Präfekten und ihrer Mutter schon morgen zu erklären, nicht mehr auf ihre Mithilfe gegen den König zählen zu sollen. Dann wollte sie diesem selbst ihre Schuld abbitten mit innigen Worten und dann — dann? Sie wußte nicht, was dann werden sollte: aber sie errötete in holden Träumen.
Rote, duftige Mandelblüten fielen aus den nickenden Büschen: in dem dichten Oleander neben ihr sang die Nachtigall, eine klare Quelle glitt rieselnd an ihr vorüber nach dem blauen Meer, und die Wellen dieses Meeres rollten leise, wie ihrer Liebe huldigend, zu ihren Füßen.
ELFTES KAPITEL
Aus solchem Sinnen und Sehnen weckte sie ein nahender Schritt auf den Sandwegen. Der Gang war so rasch und so bestimmt der Tritt, daß sie nicht Athalarich vermutete. Aber es war der König: verändert in Haltung und Erscheinen, männlich, kräftiger, fester. Hoch trug er das sonst zur Brust gebeugte Haupt, und das Schwert Theoderichs klirrte an seiner Hüfte.
»Gegrüßt, gegrüßt, Kamilla«, rief er ihr laut und lebhaft entgegen. »Dein Blick ist der schönste Lohn für diesen heißen Tag.«
So hatte er noch nie zu ihr gesprochen.
»Mein König«, flüsterte sie erglühend. Einen leuchtenden Blick noch warfen die braunen Augen auf ihn: dann senkten sich die langen Wimpern. Mein König! So hatte sie ihn nie genannt, solchen Blick ihm nie geschenkt. »Dein König?« sagte er, sich neben ihr niederlassend, »Ich fürchte, so wirst du mich nicht mehr nennen, wenn du erfährst, was alles heute geschehen.«
»Ich weiß alles.« — »Du weißt? Nun dann, Kamilla, sei gerecht: schilt nicht, ich bin kein Tyrann.« Der Edle, dachte sie, er entschuldigt sich um seine schönsten Taten.
»Sieh, ich hasse die Römer nicht, der Himmel weiß es — sie sind ja dein Volk! — Ich ehre sie und ihre alte Größe, ich achte ihre Rechte. Aber mein Reich, den Bau Theoderichs, muß ich beschützen, streng und unerbittlich, und weh der Hand, die sich dawider hebt. Vielleicht«, fuhr er langsamer und feierlich fort, »vielleicht ist dies Reich schon verurteilt in den Sternen — gleichviel, ich, sein König, muß mit ihm stehen und fallen.«
»Du sprichst wahr, Athalarich, und wie ein König.«
»Dank dir, Kamilla, wie du heut’ gerecht bist oder gut! Solcher Güte darf ich wohl anvertrauen, welcher Segen, welche Heilung mir geworden. Sieh, ich war ein kranker, irrer Träumer: ohne Halt, ohne Freude, dem Tode gern entgegenwankend. Da trat an meine Seele die Gefahr des Reichs, die tätige Sorge um mein Volk: und mit der Sorge wuchs in meiner Brust die Liebe, die mächtige Liebe zu meinen Goten, und diese stolze und bange und wachsame Liebe für mein Volk, sie hat mein Herz gestärkt und getröstet für... für andres bitter schmerzliches Entsagen. Was liegt an meinem Glück, wenn nur dies Volk gedeiht: sieh, der Gedanke hat mich gesund gemacht und stark, und wahrlich! des Größten könnt’ ich jetzt mich unterwinden.«
Er sprang auf, beide Arme wiegend und schwingend.
»O Kamilla, die Ruhe verzehrt mich! Oh, ging es zu Roß und in waffenstarrende Feinde! Sieh, die Sonne sinkt. Es ladet die spiegelnde Flut. Komm, komm mit in den Kahn.« Kamilla zögerte. Sie blickte umher. »Die Dienerin? Ach laß sie! Dort ruht sie unter der Palme an der Quelle, sie schläft. Komm, komm rasch, eh’ die Sonne versinkt. Sieh die goldene Straße auf der Flut. Sie winkt!« — »Zu den Inseln der Seligen?« fragte das liebliche Mädchen mit einem holdseligen Blick und leicht errötend.
»Ja, komm zu den Inseln!« antwortete er glücklich, hob sie rasch in den Kahn, löste dessen Silberkette von den Widderköpfen des Quais, sprang hinein, ergriff das zierliche Ruder und stieß ab. Dann legte er das Ruder in die Öse zur Linken, und im hintern Gransen des Schiffes stehend steuerte und ruderte er zugleich, eine schöne und malerische Bewegung und ein echt germanischer Fergenbrauch.
Kamilla saß vorn, nahe dem Schnabel des Kahns, auf einem Diphros, dem griechischen zusammenlegbaren Feldstuhl, und sah ihm in das edle Antlitz, das von der rotschimmernden Abendsonne beleuchtet war: sein dunkles Haar flog im Winde, und herrlich waren die raschen und kräftigen Bewegungen des feingebauten Ruderers zu schauen. Beide schwiegen. Pfeilschnell schoß die leichte Barke durch die glatte Flut.
Flockige, rosige Abendwölklein zogen langsam über den Himmel, der leise Wind führte von den Mandelgebüschen des Ufers Wolken von Wohlgeruch mit sich, und rings war Schimmer, Ruhe, Harmonie. Endlich brach der König das Schweigen und sprach, dem Boot einen kräftigen Druck gebend, daß es gehorsam vorwärts schoß: »Weißt du, was ich denke? Wie schön muß es sein, ein Reich, ein Volk, viel tausend geliebte Leben mit der starken Hand durch Wind und Wellen sicher vorwärts zu steuern zu Glück und Glanz. — Was aber sannest du, Kamilla? Du sahst so mild, es sind gute Gedanken gewesen.« Sie errötete und blickte seitab in die Flut.
»O sprich doch, sei offen in dieser schönen Stunde.«
»Ich dachte«, flüsterte sie vor sich hin, das feine Köpfchen noch immer abgewendet, »wie schön muß es sein, von treuer, geliebter Hand, der man so ganz vertraut, gesteuert zu werden durch die schwanke Flut des Lebens.« — »O Kamilla, glaub’ mir, auch dem Barbaren kann man sich anvertraun.« — — »Du bist kein Barbar! Wer zart empfindet und edel denkt und sich hochherzig überwindet und schweren Undank mit Huld vergilt, ist kein Barbar, er ist ein edles Menschenbild, wie je ein Scipio gewesen.« Entzückt hielt der König im Rudern inne, das Schiff stand: »Kamilla! Träum ich? sprichst du das? und zu mir?«
»Mehr noch, Athalarich, mehr! Ich bitte dich, vergib, daß ich dich so grausam von mir gestoßen. Ach, es war nur Scham und Furcht.« — »Kamilla, Perle meiner Seele!« — Diese, welche das Gesicht dem Ufer zuwandte, rief plötzlich: »Was ist das? Man folgt uns. Der Hof, die Frauen, meine Mutter.« So war es. Rusticiana hatte, von des Präfekten furchtbarem Wink getrieben, ihre Tochter im Garten gesucht. Sie fand sie nicht. Sie eilte nach dem Venustempel. Umsonst. Umherschauend sah sie plötzlich die beiden, ihr Kind mit ihm allein, auf dem Schiff, fern im Meer. Im höchsten Zorn flog sie an den Marmortisch, an dem die Sklaven eben den Abendbecher des Königs mischten, schickte sie die Stufen hinab, eine Gondel zu lösen, gewann so einen unbelauschten Augenblick an dem Tisch und stieg gleich darauf mit Daphnidion, die ihr zorniger Ausruf geweckt, die Stufen hinab nach dem Schiff. Da bogen zur Rechten aus dem dichten Taxusgang der Präfekt und seine Freunde,