Satan und Ischariot II. Karl May

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Satan und Ischariot II - Karl May

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liefere ich an die Yumas aus; sie werden ihm den Prozeß auch ohne Zeugen machen. Was Weller betrifft, so weiß man nicht, was noch passiert. Ich habe ihm mit meiner Kugel die Hand und den Vorderarm zerschmettert, was in diesem Klima für einen Weißen stets gefährlich ist. Außerdem bringe ich Polizei und einen Oberbeamten aus Ures mit, welche auf uns warten. Wenn Sie vor diesen Leuten Ihr Zeugnis abgelegt haben, werden Sie nicht mehr gebraucht. Welche Hindernisse gibt es noch?«

      »Die wilde Gegend, durch welche wir wahrscheinlich müßten. Halten unsere Frauen und Kinder eine solche Wanderung aus?«

      »Gewiß, wenn sie sich nur erst von den hiesigen Leiden erholt haben. Es ist nicht so schlimm, wie Sie denken. Der Marsch wird nicht schneller gehen, als sie vertragen können. Pferde verschaffe ich Ihnen von den Indianern. Außerdem habe ich mehrere Wagen mit Proviant und andern nützlichen Dingen bei mir. Sie werden keinen Hunger leiden.«

      »Das läßt sich freilich hören; nun aber bin ich neugierig, was Sie zu dem Hauptpunkte sagen werden. Dieser lautet nämlich: Geld und wieder Geld!«

      »Das ist das wenigste; das macht ganz und gar keine Schwierigkeiten.«

      Noch nie im Leben hatte ich in Beziehung auf diesen Punkt mit solchem Gleichmute und solcher Befriedigung reden können, und es tat mir ordentlich wohl, auch einmal die Miene eines reichen Erdensohnes annehmen zu können. Aller Augen richteten sich erstaunt auf mich, und der Sprecher rief verwundert aus:

      »Ganz und gar keine Schwierigkeiten? Ihnen vielleicht nicht, uns aber desto mehr. So aus dem Vollen heraus, wie Sie, können wir nicht reden. Wir haben nichts, und müßten doch gleich heute schon Geld brauchen.«

      »Heute? Wieso?«

      »Nun, Sie reden von Wagen voller Lebensmittel. Die müßten wir doch kaufen, und niemand würde sie uns schenken.«

      »O, ich schenke sie Ihnen!«

      »Wirklich? Das ist freilich etwas anderes. Wie aber steht es mit den Pferden, welche wir reiten sollen? Die bekommen wir doch nicht so leicht geschenkt wie den Proviant!«

      »Allerdings nicht. Aber wir borgen sie. Gegen eine kleine Entschädigung, einige Geschenke, bekommen wir sie von unsern roten Freunden gern geliehen.«

      »Wer zahlt die Entschädigung, wer kauft die Geschenke?«

      »Ich.«

      »Wetter noch einmal! Sie sind plötzlich reich geworden! Und als Sie zu uns auf das Schiff kamen, sahen Sie ärmer aus als wir.«

      »Ich verstellte mich bloß. Ueberhaupt kann man reich sein, ohne Geld zu besitzen; es gibt verschiedene Arten von Reichtum. Doch weiter! Noch ein anderes Hindernis?«

      »Es kommt nun das größte. Wieder Geld für das Land, von dem Sie sprachen. Das müssen wir doch kaufen?«

      »Allerdings. Sie werden von mir Geld dafür bekommen.«

      »Sind Sie etwa ein heimlicher Rothschild?«

      »Ausnahmsweise heute einmal.«

      »Dann sind wir freilich aller Sorgen los. Wir gehen mit Ihnen; Sie geben uns das Geld zur Ansiedelung; wir arbeiten tüchtig, zahlen die Zinsen pünktlich und werden dann mit der Zeit wohl auch das Kapital zurückgeben können.«

      »Zinsen? Kapital zurückgeben! Sie befinden sich auf dem Holzwege. Ich mag keine Zinsen haben, und von der Zurückgabe des Kapitals will ich erst recht nichts wissen!«

      Der Mann sah mich erstaunt an, blickte im Kreise herum, richtete das Auge dann wieder auf mich und fragte:

      »Ja, habe ich denn richtig gehört?«

      »Wahrscheinlich.«

      »Das ist doch undenkbar! – Das wäre ja nichts anderes, als ein Geschenk!«

      »Das soll es auch sein; ich schenke Ihnen das Geld und verlange es nicht zurück.«

      »Aber sind Sie denn wirklich so sehr reich, daß Sie soviel entbehren können?«

      »Ich bin im Gegenteile so arm, daß ich gar nichts entbehre, wenn ich so ein halbes Hunderttausend Thaler oder anderthalb Hunderttausend Mark verschenke, befinde mich aber glücklicherweise in der Lage, gegen fünfzigtausend Thaler unter Sie verteilen zu können.«

      »Fünfzigtausend Thaler! Himmel, welch ein vieles Geld! Wo haben Sie das denn so plötzlich her?«

      »Das sollen Sie später erfahren, vorher aber einige Fragen

      Sie sind alle arm gewesen, haben aber doch wenigstens ein kleines Eigentum gehabt. Nicht wahr?«

      »Ja. Einige hatten ein kleines Häuschen, wenn es auch nicht viel wert war; die andern besaßen wenigstens soviel, wie zu einer Arbeiterwirtschaft gehört, Betten, einige Möbel, Kleider und so weiter.«

      »Das haben sie natürlich, weil man Sie fortlockte, verkauft. Wieviel haben Sie dafür bekommen?«

      »Fast gar nichts. Wenn die Leute wissen, daß man fort muß und doch nichts mitnehmen kann, bieten sie nichts. Und was wir drüben für unsere Habseligkeiten bekamen, ist unterwegs vollständig draufgegangen.«

      »Sie sind also nicht nur um Ihre Heimat, sondern auch um Ihre Habe gebracht worden. Hier hat man Sie unter falschen Vorspiegelungen ins Land gelockt und in ein Bergwerk gebracht, in welchem Sie ohne Lohn arbeiten, hungern, dürsten und krank werden sollten und nach kurzer Zeit elend gestorben oder vielmehr wie die Tiere verendet wären. Fühlen Sie sich für Ihre Leiden und Entbehrungen entschädigt, wenn Melton und Weller ins Strafgefängnis kommen? Bekommen Sie dadurch Ihre Heimat, Ihr Eigentum zurück?«

      »Freilich nicht!«

      »Ja, kein Gericht wird Sie entschädigen, Ihnen Schmerzens- oder Angstgeld zahlen. Was würde wohl geschehen, wenn ich mich Ihrer nicht annähme?«

      »Wir müßten hier sterben und verderben. Für die Hazienda sind wir engagiert; dort gibt es aber keine Arbeit; an andern Orten finden wir auch keine; betteln würden wir nicht, und —«

      »Würden Sie nicht?« fiel ich ihm in die Rede. »Sie müßten wohl, wenn Sie keine Arbeit hätten, denn Hunger tut weh; Sie würden aber nichts bekommen. Hier gibt es andere Verhältnisse und andere Menschen als drüben in der Heimat, wo man für die Armen sorgt und es überall tausend Menschen gibt, welche dem Bittenden eine Gabe reichen oder die hilfsbereite Hand entgegenstrecken. Ja, Sie würden hier sterben und verderben, und da ich selbst nichts übrig habe, ist mir die Hilfe für Sie nur dadurch möglich geworden, daß ich Dieb und Räuber geworden bin. Sie brauchen aber nicht vor mir zurückzuschrecken, denn ich habe nur Melton und Weller für Sie bestohlen, welche Sie in das Unglück gelockt haben. Nach dem Gesetze, welches ich in meinem Innern fühle, sind die beiden Menschen Ihnen volle Entschädigung und wohl auch noch mehr schuldig; sie hatten Geld bei sich; ich habe sie gefangen und müßte sie und ihr Geld nach den hier herrschenden Gesetzen dem Richter übergeben. Was würde die Folge sein? Das Geld würde verschwinden und die Schufte wahrscheinlich auch, um an andrem Orte wieder aufzutauchen und neuen Unfug zu treiben; Sie aber würden keinen Heller bekommen und hätten nichts, womit Sie Ihre Blöße bedecken und Ihren Hunger stillen könnten. Da ist mir denn das Gesetz in meinem Innern weit gerechter vorgekommen, als das andere, und ich habe nach den Paragraphen desselben die Sache für Sie in die Hand genommen, oder mit andern Worten, ich habe das Geld Meltons und Wellers in die Hand genommen, um Ihnen mit Hilfe desselben zu der Gerechtigkeit zu verhelfen, zu welcher ein anderer Richter Ihnen nicht verhelfen würde.

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