Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen

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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin  Mollhausen

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zwar am Strom hinauf, richtete, glaubte ich auf der Ebene eine Bewegung wahrzunehmen; ich täuschte mich nicht, denn nach einiger Zeit bemerkte ich deutlich mehrere Punkte, die sich mir augenscheinlich näherten. Lange blieb ich im unklaren, ob es Wölfe, Büffel oder Indianer seien, bis ich endlich berittene Männer erkannte; daß es Indianer waren, bezweifelte ich alsdann keinen Augenblick und sah ebensowohl ein, daß wir in hilfloser Lage uns gänzlich in ihrer Gewalt befanden und nur ruhig zusehen konnten, wenn sie sich mit unseren Pferden entfernten, und von Glück noch sagen mußten, wenn sie überhaupt unser Leben schonten oder, was beinahe ebenso schlimm war, uns nicht vollständig ausplünderten und dann dem Elend überließen.

      Über all dies dachte ich nach, als ich, ohne meine Stellung zu verändern, die zehn oder zwölf Cheyenne-Krieger beobachtete, die auf mich zusprengten. In der Entfernung von etwa dreißig Schritt hielten sie plötzlich an und schauten aufmerksam zu mir herüber, wobei sie laut miteinander sprachen und nach dem Wagen im Fluß hinüberdeuteten. Ich kann es nicht leugnen, daß mir das Blut etwas schneller in den Adern kreiste, doch nahm ich meinerseits Zuflucht zu einer Art Kriegslist und stellte mich, um nicht aus der Ferne totgeschossen zu werden, schlafend, während ich mit der rechten Hand das Beil und mit der linken mein langes Schlachtmesser fest umklammerte.

      Die scharfen indianischen Augen entdeckten indessen bald, daß mein Schlaf ein verstellter war, denn als ich kaum merklich mit dem einen Auge nach ihnen hinblinzelte, fing der eine wilde Krieger laut zu lachen an, wies mit der Hand nach mir hin und sprang nachlässig vom Pferd. Ich richtete mich schnell auf und schritt auf die wilden Gestalten zu, wobei ich ihnen als Zeichen des Friedens meine Hand entgegenreichte. Jeder einzelne von ihnen erwiderte meinen Händedruck, und sie schienen meine Absicht auch vollkommen zu verstehen, als ich sie durch Zeichen dazu aufforderte, uns beim Herausschaffen des Wagens aus dem Wasser behilflich zu sein. Sie sagten mir ihren Beistand zu, drückten aber dabei den Wunsch aus, noch vor dem Beginn der Arbeit durch eine »Tasse warmen Kaffee mit sehr viel Zucker« gestärkt zu werden. Ich war gezwungen, die Forderung zu bewilligen; ich bestieg daher ein Pferd und ritt zu dem Herzog in den Fluß, um zu beraten, welches Benehmen unter solchen Umständen am besten einzuschlagen sei.

      Den Herzog fand ich ganz wohlbehalten in seinem Wagen sitzen, den er förmlich in eine kleine Festung umgewandelt hatte; um ihn herum lagen Büchsen, Doppelflinten und Pistolen, und er selbst schien ganz und gar nicht geneigt, sein Eigentum ohne Kampf aufgeben zu wollen oder auch nur jemand außer mir bis in seine Nähe gelangen zu lassen. Ich erzählte ihm mein Übereinkommen mit den Wilden, und er fand dieses den Umständen angemessen; darauf reichte er mir Kaffee, Zucker und Kessel, und als ich dem Ufer wieder zuritt, rief er mir noch nach: »Trauen Sie keinem Indianer, sondern seien Sie auf Ihrer Hut.«

      Als ich wieder bei den Wilden anlangte, brannte schon ein Feuer aus Büffeldung bei ihnen, und einige Minuten nachher waren alle Vorbereitungen zu einem wärmenden Kaffee getroffen. Es gibt überhaupt keine dienstfertigeren und gefälligeren Menschen wie die Indianer, wenn es ihrem eigenen Interesse gilt. So hatten sie auch bald den Mangel eines schützenden Zeltes empfunden, und als sie das alte Zeltleder da liegen sahen und erfuhren, daß auch Stützen dazu im Wagen vorhanden seien, ritt einer von ihnen in den Fluß und forderte diese vom Herzog in meinem Namen, der dann auch so freundlich war, die Bitte zu gewähren. Mit geübter Hand schlugen die unverschämten Wilden das Zelt über dem Feuer auf; bald darauf saß ich mit einem halben Dutzend der braunen Krieger in dem engen Raum zusammengedrängt und fühlte mich sehr wohl vor der wärmenden Glut und dem duftenden Kaffee; die Friedenspfeife kreiste, fand ihren Weg aus dem Zelt, wo diejenigen zusammengekauert saßen, die innerhalb des Obdachs keinen Raum mehr fanden, dann kehrte sie zurück und machte wieder die Runde, bis der Kaffee endlich fertig war. Alle fanden Geschmack an dem schwarzen Getränk; eine neue Auflage wurde gewünscht und verabreicht, worauf ich mit der Verhandlung über die in Aussicht stehende Arbeit begann.

      Auf ganz verbindliche Weise gaben mir die Indianer indessen zu verstehen, daß es noch viel zu früh sei, an dergleichen zu denken, und daß ich nur vorher jedem von ihnen eine Handvoll Kaffee und zwei Handvoll Zucker geben möge; eine Forderung, die zu erfüllen unser ganzer Vorrat nicht ausreichend gewesen wäre. Ich versprach indessen mein Möglichstes zu tun, wenn der Wagen erst auf dem Ufer stehe, doch fand das wenig Anklang bei meinen Gästen; mit unerschütterlicher Ruhe blieben alle in der gemächlichen Lage, und als sie meinen wachsenden Unmut bemerkten, hielten sie mir, um mich zu trösten, einigemal außer der Reihe die Pfeife hin. So schmeichelhaft diese Ehrenbezeigung auch war, so beruhigte mich diese doch nicht im geringsten, und immerfort klangen mir des Herzogs Worte in den Ohren: »Trauen Sie keinem Indianer.«

      Wären wir nicht so viele hundert Meilen von den ersten Ansiedlungen entfernt gewesen, so hätte ich die komische Seite unserer Lage vielleicht mehr ins Auge gefaßt, denn da saß ich gleichsam als Gast im eigenen Zelt bei der wilden Rotte, trank Kaffee und wärmte meine Glieder, während der Herzog mitten im Fluß hielt und seine Geduld über die lange Verzögerung erschöpfte. Allerdings machte ich zweimal den Versuch, einen Indianer mit einem Gefäß voll des wärmenden Trankes zu ihm hinüberzusenden; der Auftrag wurde auch mit der größten Bereitwilligkeit übernommen, jedoch nur insoweit ausgeführt, daß der Bote aufstand, mit den Zeichen des größten Wohlbehagens den Kaffee austrank und mir mit freundlicher Miene die leere Schale zurückgab. Ich muß gestehen, daß soviel Unverschämtheit und grobe Rücksichtslosigkeit meinen Unmut in eine Art Verzweiflung verwandelte, denn nirgends sah ich einen Ausweg aus dieser peinigenden Lage. Ich stieß die mir dargebotene Pfeife zurück, zu welcher Beleidigung man nur lachte, begab mich aus dem Zelt und stellte abermals mit den ernstesten Gebärden meine Forderung an die Wilden. Infolge davon entstand eine kleine Bewegung unter ihnen, die indessen nur den Zweck hatte, daß einer der außerhalb kauernden Burschen ins Zelt kroch, dort meinen Platz einnahm und es mir überließ, mich im Freien, so gut wie es mir beliebte, einzurichten.

      Jetzt war ich aufs höchste erbittert, ich schmähte die ganze Gesellschaft in deutscher, französischer und englischer Sprache, doch auch dadurch entlockte ich nur einzelnen ein beifälliges Kopfnicken, der beste Beweis, daß ich nicht verstanden wurde. Einmal glaubte ich schon zu meiner größten Genugtuung, daß es mir gelungen sei, mich in gutem Deutsch verständlich zu machen, denn einer der Wilden bemühte sich mit dem lächerlichsten Ausdruck, den ihm beigelegten Titel »Flegel« zu wiederholen, doch bemerkte ich zu meinem Leidwesen, daß ihm nur der fremdartige Laut des Wortes besonders gefallen habe und er denselben seinem Gedächtnis einzuprägen suchte. Ich verwünschte den Fluß, die Prärie und alle Indianer und blickte in meiner Ratlosigkeit zum Wagen hinüber.

      Plötzlich fesselte ein Reiter, der sich auf den Höhen des jenseitigen Ufers zeigte, meine Aufmerksamkeit; bald tauchten noch mehrere hinter den Hügeln auf und endlich zu meiner unaussprechlichen Freude auch ein mit sechs Maultieren bespannter Wagen, den ich sogleich für die von Fort Laramie zurückkehrende Post der Vereinigten Staaten erkannte. Wie durch einen elektrischen Schlag verschwand jetzt meine Niedergeschlagenheit, und nie sah ich einen mutigeren Menschen als mich selbst, da ich die Hilfe der Weißen so nahe wußte. Ich sprang zu dem Zelt hin, riß den Vorhang auf und gab den Wilden durch unzweideutige Zeichen zu verstehen, daß sie jetzt mein Haus räumen sollten. Als sie nicht sogleich Folge leisteten, hielt ich ihnen mit lauter und gewiß recht kriegerischer Stimme eine Rede in deutscher Sprache, deren Inhalt ungefähr folgender war: »Wenn ihr rohes Gesindel nicht augenblicklich an die freie Luft kommt, so haue ich die Stützen des Zelts um und begrabe euch unter seinen brennenden Trümmern!«

      Wenn die Wilden auch meine Worte nicht verstanden, so errieten sie doch den Sinn meines geschwungenen Beils, mehr aber wohl noch, daß irgend etwas Ungewöhnliches im Anzug sein müsse, was mich plötzlich so mutig gemacht habe, denn einer nach dem anderen wühlten sich die ungebetenen Gäste aus dem rauchigen Raum hervor. Das war meine erste Heldentat unter den Indianern; stolz blickte ich auf die wilde Bande, die sich gehorsam vor meinem Willen beugte, und wie so mancher Held des Tages dachte ich: »Wenn doch nur ein tüchtiger Künstler hier wäre, der mich in dieser Stellung malen könnte«; im geheimen aber wünschte ich mich von ganzem Herzen zurück zu den Fleischtöpfen östlich vom Missouri.

      Als

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