Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas - Balduin Mollhausen страница 33
Die Indianer waren durch die Ankunft der Fremden um vieles bescheidener geworden und hielten sich etwas entfernt von uns; wir sorgten aber auch dafür, daß wir mit der Post, die nur einige Stunden rastete, zugleich aufbrachen.
Der Weg war fest und eben, und in raschem Trab eilten die Pferde mit ihrer Last dahin. Nach kurzer Zeit hatten wir die Wilden aus den Augen verloren, bald darauf aber auch die Post, die um vieles schneller reiste als wir, und als es dunkelte und wir an der Straße unser einsames Lager aufschlugen, umgaben uns auf viele Meilen im Umkreis nur noch Scharen von hungrigen Wölfen und kleine verspätete Büffelherden.«
Achtes Kapitel
Ankunft der Post — Depeschen für Lieutenant Ives — Weihnachten — Zahlreiche Wölfe — Vergiften derselben — Aufbruch des Dampfbootes »Jessup« nach dem oberen Colorado — Ankunft des Lieutenant Ives — Neues Organisieren der Expedition — Peacocks Ritt nach San Franzisko — Beschreibung der Strecke des Flusses zwischen Fort Yuma und dem Golf von Kalifornien — Das Dampfboot »Explorer« — Mr. Carrol — Mr. Robinson — Die letzte Nacht in Fort Yuma — Aufbruch der Expedition — Die beiden Dolmetscher — Charakter des Stroms — Zweites Lager auf dem Ufer — Kapitän Robinsons Erzählung
Infolge einer Aufforderung von Lieutenant Ives, der an der Mündung des Flusses bei seinen Beobachtungen noch einiger Hilfeleistungen bedurfte, begaben sich Bielawski und Booker nebst zwei Dienern am Tag unserer Ankunft in Fort Yuma in einem Ruderboot stromabwärts zu dem bezeichneten Punkt. Es war also von dieser Abteilung nur noch Dr. Newberry zurückgeblieben, der sich infolge einer sorgsamen Pflege sehr bald wieder erholte. Wir brachten zuweilen einen Abend im Fort zu, die Offiziere der Besatzung besuchten uns im Lager, und wir erfreuten uns auf diese Weise eines geselligen Verkehrs, so gut ihn die Gegend eben zu bieten hatte.
Die Ankunft der Post auf den abgesonderten Militärstationen wird immer als ein großes Ereignis betrachtet und nicht geringe Aufregung dadurch hervorgerufen. Zivilpersonen, Offiziere und Gemeine drängen sich nach der Stelle hin, wo Briefe und Zeitungen ausgeteilt werden, und selbst diejenigen, die nichts an ihre eigene Adresse erwarten oder auch zufällig leer ausgehen, finden dort Gelegenheit, ihre Neugierde zu befriedigen, indem der eine oder der andere, den das Glück mit einer größeren Anzahl von Zeitungen bedacht hat, immer gern bereit ist, von seinen Schätzen mitzuteilen. Nachdem die Feindseligkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und den Mormonen zum offenen Ausbruch gekommen waren, wurden die Posten mit um soviel größerer Sehnsucht erwartet, denn noch über die Neuigkeiten aus der Heimat, sogar von der eigenen Familie, schienen die Berichte vom Kriegsschauplatz fast allgemein vom »Jungen Amerika« gestellt zu werden.
Wer nie durch Tausende von Meilen vom heimatlichen Boden getrennt war und sich dabei in einer Lage befand, daß er trotz der Regelmäßigkeit der Postverbindung über den ganzen Erdball die Ankunft eines Briefes als ein besonderes Glück ansehen mußte, der kann sich kaum eine Vorstellung von dem Gefühl machen, dem man anheimfällt, wenn man durch liebe, bekannte Schriftzüge, durch aufrichtige, herzliche Worte an die unzerreißbaren Bande erinnert wird, mit denen die Vorsehung den Menschen an die kleine Scholle Landes fesselte, die er in frühester Jugend als seine einzige große Welt zu betrachten gewohnt war. In dem Maße nun, wie ein vorwärtsstrebender Geist allmählich die Überzeugung gewinnt, daß für den mit eisernem Willen ausgerüsteten Menschen kein Teil der Erde unerreichbar bleibt, in dem Maße wächst auch die Liebe zu einer glücklichen, stillen Heimat, und diese Liebe wird zur sorgsamen Führerin in fremden Ländern auf unwegsamen Pfaden. An einer einsamen Stelle, wo man gegen jede Störung gesichert ist, liest man die Briefe, die durch ihren Verfasser und durch ihren Inhalt von unbezahlbarem Wert geworden sind; man vergißt, daß schon wieder Monate seit ihrer Absendung verflossen sind, und in solchen Augenblicken werden vergangene Zeiten zur frohen, oft aber auch zur wehmütigen Gegenwart. Die Briefe, die ich in Fort Yuma erhielt, waren reich an freudigen Nachrichten, doch auch nicht frei von solchen, die tiefen Schmerz verursachten; mein treuer, väterlicher Freund und Wohltäter, der Geheimrat Lichtenstein in Berlin, war gestorben; er, der mit soviel Teilnahme mir im Geist auf meinen Reisen folgte; er, der sich zu meiner glücklichen Heimkehr ebenfalls gefreut haben würde, lebte nicht mehr. Schon seit Monaten war er tot, doch an seinem Grab hätte ich ihn nicht tiefer betrauern können als unter den dichten Weiden auf dem Ufer des Colorado.
Kurz vor Weihnachten und um die Weihnachtszeit herum bot das Lesezimmer auf Fort Yuma, wie immer gleich nach der Ankunft einer Post, einen ungewöhnlichen Anblick durch die in diesem fortwährend versammelte Gesellschaft, die sich in die zwei Monate alten Tagesneuigkeiten vertieft hatte. Man hörte nichts als das Knittern der riesenhaften amerikanischen Zeitungsblätter, zuweilen einen Ausruf der Verwunderung, dem alsdann gewöhnlich die Vorlesung eines wichtigen Artikels folgte. Zum Beispiel:
»Der Vereinigte-Staaten-General Johnson steht mit fünfzehnhundert Mann in der Nähe des Salzsees; Gouverneur Young von den Mormonen hat den General aufgefordert, sich zurückzuziehen, widrigenfalls er ihn mit seiner ganzen Macht angreifen würde.« — »Ein Train von sechsundachtzig Wagen, die mit Provisionen für den General Johnson beladen waren, ist von den Mormonen abgeschnitten und verbrannt worden.« — »Die Mormonen beabsichtigen eine starke Heeresabteilung den Colorado hinunterzuschicken, um eine Verbindung mit dem Staat Sonora offen zu erhalten.« — »Es wird angenommen, daß die Mormonen, im Falle sie vom Utah-See vertrieben werden, sich nach Sonora zurückziehen werden.«
Dieser Art waren die Nachrichten, die uns alle so sehr interessierten, und vorzugsweise deshalb, weil wir nicht wissen konnten, inwieweit dieselben Glauben verdienten. Ich kann es nicht leugnen, daß wir an dem wirklichen Aufbruch unserer Expedition, oder wenigstens an der glücklichen Beendigung derselben, zu zweifeln begannen, und dies noch um so mehr, als mit derselben Post wichtige Depeschen von der Regierung in Washington für Lieutenant Ives angekommen waren, die ihm, wo er sich auch immer befinden möge, unter allen Umständen nachgesandt werden sollten.
Lieutenant Ives befand sich aber noch an der Mündung des Flusses, weshalb wir auf die Lösung unserer Zweifel nicht vor seiner Ankunft in Fort Yuma rechnen konnten. Eins der beiden bei Fort Yuma liegenden Dampfboote wurde sofort dem Kommandeur des Postens, Lieutenant Winder, von den Eigentümern zur Beförderung der Depeschen zur Verfügung gestellt, und wie sich von selbst versteht, wurde das Anerbieten nicht zurückgewiesen. Lebensmittel wurden schnell an Bord gebracht, und schon am folgenden Tag nach dem Eintreffen der Post verließ der Dampfer »Colorado« Fort Yuma, um an die Mündung des Flusses zu eilen.
Wir alle waren sehr gespannt auf die Ankunft des Lieutenant Ives, doch konnten wir, selbst im glücklichen Fall, derselben nicht vor Ablauf von vierzehn Tagen entgegensehen. Unser häusliches Stilleben, wie wir jene Zeit scherzweise nannten, wurde daher für lange durch nichts Außerordentliches unterbrochen.
Der 24. Dezember war endlich da; Dr. Newberry hatte zur Feier des Weihnachtsabends zu einer Bowle eingeladen; da aber meine kaum überstandene Krankheit die größte Vorsicht von meiner Seite erforderte, um nicht abermals durch einen Rückfall ans Bett gefesselt zu werden, so mied ich die Gefahr und blieb zurück, während meine Gefährten sich alle zum Fort begaben. Koch und Aufwärter ließ ich ebenfalls ruhig ihrem Vergnügen nachgehen, und ich befand mich auf diese Weise mit Grizzly allein in dem einsamen Lager.
Es war ein Abend, so still und so schön, daß ich ihn nie wieder habe vergessen können. Über den schwarzen Massen der Weidengebüsche, deren dunkle Schatten einen schmalen Streifen des Spiegels des Colorado bedeckten, hing, hell wie eine schüchterne Sonne, die runde Scheibe des Mondes, mit mildem Licht das tiefblaue Firmament überziehend