Eva Siebeck. Bertha von Suttner
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Natürlich war es ihr Bräutigam, der Eva zur Tafel führte, und der daselbst zu ihrer Linken Platz nahm. Als ein besonders angenehmer und aufmerksamer Nachbar erwies er sich gerade nicht. Denn statt sich ausschließlich oder doch vorzüglich mit seiner Verlobten zu unterhalten, sprach er fast die ganze Zeit mit zwei gegenüber sitzenden Offizieren, welche verschiedene Jagderlebnisse zum Besten gaben, und denen er seinerseits Einzelheiten von den Großstettener Jagden erzählte. Dies interessirte Eva nur insofern, als der Name Großstetten ja der Name ihres künftigen Heims war.
Als der Champagner eingeschänkt wurde, ward selbstverständlich das Wohl des Brautpaares ausgebracht. Alle standen von ihren Sitzen auf und kamen zu Eva‘s Platze, um mit derselben anzustoßen. Auch Robert hob sein Glas und stieß es an das ihre; aber das warme Wort, das sie wenigstens jetzt zu hören erwartete, kam wieder nicht. Nun freilich, unter diesen vielen, sie von allen Seiten umdrängenden Leuten, da war ein Herzenserguß nicht leicht möglich. Das würde in den nächsten Tagen anders werden. Freudig bewegten Herzens dachte Eva an die in Bälde bevorstehende Stunde, wo ihr Bräutigam endlich Muth und Muße finden werde, mit ihr von dem holden Liebesroman zu sprechen, der sich seit sechs Wochen zwischen ihnen abgespielt und jetzt zu einem so glücklichen Abschluß gelangt war. Sie selber war ungeduldig, ihm zu erzählen, mit was für Gefühlen sie seine Huldigungen aufgenommen, welchen Eindruck sein Vorüberreiten und namentlich seine poetischen Blumenspenden auf sie gemacht, und mit welchem Kummer das Ausbleiben dieser Liebeszeichen sie erfüllt hatte. Würde sie ihm auch gestehen, daß sie schon halb entschlossen war, sich zu Tode zu kränken? Nein – das wollte sie erst nach der Heirath beichten. Er würde ihr dann wohl Vorwürfe machen, je an ihm gezweifelt zu haben; hatte er ihr es denn nicht schwarz auf weiß geben: »Ich harre aus?«
Beim Nachtisch mußte Eva jedoch erfahren, daß die nächste Zeit keine Gelegenheit zu vertraulichem Gefühls- und Gedankenaustausch mit dem Bräutigam bieten werde, denn am folgenden Tage mußte er fort von Krems, um in einem anderen Kronland die Übungen mitzumachen. Bei der Gelegenheit wurde es dem jungen Mädchen weh ums Herz hart.
Nachdem die Tafel aufgehoben, begab man sich in den Salon; Eva natürlich wieder von Siebeck geführt. Auf diesem kurzen Wege preßte er ihren Arm fest an sich und flüsterte ihr zu:
»Wie hübsch – aber wie hübsch Du bist, Eva!«
Diese Worte entsprachen zwar nicht dem, was sie zu hören gewünscht, dennoch war der ganze Eindruck ein eigentümlich betäubender: Die zum Kopf steigende Gluth des Champagnerweins, dieser zärtliche, besitznehmende Armdruck, das erste »Du«, die vor ihr liegende, so neuartige glanzvolle Zukunft: das Alles versetzte sie in eine bisher ungekannte Stimmung; ein zugleich physisch und seelisch verstärktes Lebensgefühl, ein Gehobenwerden auf warmen, schaukelnden Freudenwogen.
Im Laufe des Abends aber verlor sich diese Ekstase und machte einem gewissen Unbefriedigtsein Platz. Der Siebeck – der Vorbeireitende, der Blumensender, – für den sie die Zeit über geschwärmt – der konnte sich in dem leibhaftigen Verlobten so gar nicht recht wiederfinden lassen. Zwar hatte er sich, – während die Anderen um die Spieltische Platz nahmen – neben sie gesetzt und ein Gespräch begonnen, aber mit einer so gedehnten, beinahe gelangweilten Stimme von gleichgiltigen Dingen gesprochen, daß ihr dabei im Innern ganz kalt wurde. Uebrigens waren stets andere Leute in der Nähe, so daß es auch beim besten Willen nicht gut möglich gewesen wäre, von Liebe zu reden; – und war Niemand anders da, so kam Dorina zu ihnen und mischte sich in ihr Gespräch. Eva konnte sich nicht erwehren, dieses Gebahren ihrer Freundin etwas ungeschickt zu finden.
Gegen zehn Uhr stand Siebeck auf, um zu gehen. Eva versuchte nicht, ihn zurückzuhalten; sie fühlte sich so müde und abgespannt, daß sie sich nach Ruhe sehnte.
Der Oberst forderte den jungen Mann laut auf, er möge seine Braut zum Abschiede umarmen. Der Abmarsch finde ja morgen früh um sechs statt, also würde er sie vor der mehrwöchentlichen Trennung nicht mehr sehen.
Die kommandirte Umarmung fiel ziemlich kalt und steif aus.
Nachdem er allen Anwesenden gute Nacht gesagt, ging Siebeck in das anstoßende, offenstehende Speisezimmer, um sich von der Hausfrau – die dort an der Thee-Urne beschäftigt war – zu verabschieden. Er verneigte sich ehrerbietig, und sie schüttelte ihm mit höflicher Kopfneigung die Hand. Was sie dabei sprachen, konnte Niemand hören; es sah jedenfalls ganz förmlich aus, etwa als hätte er ihr gesagt: »Ich empfehle mich Ihnen, gnädige Frau und drücke meinen Dank aus für das Glück, das ich in Gestalt Evas in Ihrem Hause gefunden« – und als hätte sie erwidert: »Adieu, Graf Siebeck – gehaben Sie sich wohl und lassen Sie Ihre Braut nicht zu lange auf Nachricht warten.« Indessen war das Zwiegespräch ganz anders geartet.
»Leb wohl, Dorina. Deine Lebensrettung ist also vollständig gelungen, das Mittel war freilich etwas energisch – aber es gab wohl kein anderes.«
»Nein, es gab kein anderes – er hätte mich getödtet. Doch ich glaube, Du bist recht zufrieden mit dieser Wendung. Du verliebst Dich in diese junge Person —«
»Ich hab‘ mich mein Lebenlang in keinen Backfisch verliebt – nicht mein Genre – auf Wiedersehen!«
V
Am folgenden Tage schrieb Eva ihrer Tante Rosa, um derselben ihre Verlobung anzuzeigen. Es war ihr immerhin eine angenehme Genugthuung, dieser hochmüthigen Verwandten, welche sie stets ein wenig von oben herab behandelt hatte, mittheilen zu können, daß sie nun in Bälde eine gesellschaftliche Stellung einnehmen werde, welche sie über jedes »Protegirtwerden« erhöbe. Auf die Antwort der Tante war sie sehr gespannt; noch gespannter auf die Briefe ihres Bräutigams. Mit der Feder in der Hand würde er wohl das Feuer und die Innigkeit wiederfinden, welche er in seine Gedichte zu legen verstanden, und die er in seinem persönlichen Auftreten so sehr vermissen ließ.
Aber diese ersehnten Briefe kamen nicht. Am zweiten Tage nach seiner Abfahrt lief ein Telegramm ein des Inhalts:
»Kleiner Unfall. Rechte Hand verletzt. Nichts von Bedeutung, nur schreiben unmöglich. Wetter miserabel. Herzliche Grüße. Robert.«
Auch von Tante Rosa langte kein Antwortschreiben an, wohl aber kam dieselbe in eigener Person nach Krems gefahren.
»Liebes Herz – ich hole Dich ab, Du kommst zu mir! Das war ja stets der Wunsch Deiner verstorbenen Eltern – und auch der meine. Du wirst von meinem Hause aus fortheirathen – aus dem Hause Deiner Tante, das ist doch viel schicklicher und passender als hier, bei fremden Leuten. Ich werde mir auch ein Vergnügen daraus machen, Dir ein hübsches Trousseau mitzugeben – es soll nicht heißen, daß meine Nichte Eva Holten wie eine verlassene Kirchenmaus in der Welt gestanden hat. Ich kenne die Großmutter Deines Bräutigams sehr gut. Ich habe sie an dem Tage besucht, wo ich Deinen Brief bekommen, und sie war gleichzeitig durch ihren Enkel benachrichtigt worden, – sie ist mit der Partie ganz einverstanden. Es ist schon lange der Wunsch vom alten Siebeck – d. h. alt ist er nicht – ich meine von Siebeck senior, – daß der Junge quittire, und die Großmutter wünschte, daß er heirathe. Da nun seine Wahl auf ein makelloses Fräulein aus gutem Hause gefallen ist (Du weißt, die jungen Herren heirathen jetzt alle Augenblicke Mädeln vom Theater), so freute sich der alte Siebeck sehr. Was den Papa betrifft, so ist der jetzt auf einer Reise irgendwo in Asien – aber das thut nichts; er hat für