Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das blutige Blockhaus - Charles Sealsfield страница 11

Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield

Скачать книгу

ich, Pierre Brodin, sage es — gehen Sie in die Attacapas! In den Attacapas herrschen intermittierende Fieber — intermittierende Fieber, verstehen Sie mich? — Balot!« schrie er auf einmal zur Tür hinaus. »Balot!«

      »Was wollen Sie?« brüllte eine Stimme aus der Schenkstube herüber.

      »Balot! Nicht wahr, bei euch in den Attacapas herrschen intermittierende Fieber?«

      »Herrschen, jawohl, herrschen!« brüllte Balot. »Brauchen Rekruten, wissen Sie, Rekruten für die intermittierenden Fieber! Den Boudin haben die Krebse, den Allien die Alligatoren, den Borel gleichfalls.«

      Balot kam mit einem halbgefüllten Rumglas zur Tür herein, die Aussage durch seine Persönlichkeit zu bekräftigen. Sie war eine der abschreckendsten, die wir je gesehen hatten.

      »Pierre Brodin!« schrie er, leerte sein Rumglas und warf es dem Wirt zu; der erhaschte es, wie ein Pudel den Bissen, und lief zur Tür hinaus.

      Und wir saßen und schauten bald den hemd-, schuh- und hutlosen Balot, der uns mit trunkenen Blicken musterte, bald wieder einander an. Es war etwas Trostloses, Verzweifeltes in unserer Lage: fremd, unbekannt in einer öden, verlassenen, vom gelben Fieber heimgesuchten Stadt, und unter solchen Menschen.

      Brodin erschien wieder unter uns und reichte Balot das gefüllte Glas. Dann wandte er sich wieder an Ducalle.

      »Sie gehen also in die Attacapas, das ist mein Rat. Sie werden da kurieren, Leute begraben, Geschäfte machen, Geld machen! Übrigens, haben Sie nun Geld, oder nicht?«

      Die Frage machte Ducalle stutzig, er schaute Brodin wieder mit großen Augen an. Dieser maß ihn mit einem blinzelnden Seitenblick.

      »Gut, Sie haben keins! Schadet aber nichts, tut nichts. Sollen Geld haben! Sie haben da eine goldene Uhrkette, hängt sicher auch eine Uhr dran. Strecke Ihnen zwanzig Gourdes Gourde — französ. amerik. Bezeichnung für Dollar vor, lassen Sie die Kette mit der Uhr als Unterpfand zurück. Kaufen Sie Medizinen ein, will sie für Sie einkaufen. Mit zwanzig Gourdes Medizinen kurieren Sie ganz Attacapas, wenn Sie die Sache verstehen. Kalomel Quecksilber-1-Calorid ist die Hauptsache, verstehen Sie! Legen Sie einen tüchtigen Vorrat von Kalomel an! Strecke Ihnen zwanzig Dollar vor, will für Ihre Fahrt dahin noch besonders sorgen. Nehme bloß fünf Prozent im Monat, bin billig. Sind ein Landsmann, ein Franzose, ein Bretagner. Muß billig mit Landsleuten sein. Einem anderen täte ich‘s nicht unter zehn Prozent. Gebe Ihnen einen Brief an Damien mit. Ist alles, was ich tun kann, das übrige ist keinen Picaillon Eine kleine Münze wert. Schauen Sie, daß Sie so schnell wie möglich fortkommen!«

      »Schauen Sie, daß Sie so schnell wie möglich fortkommen!« wiederholte der trunkene Balot.

      Nachdem Pierre Brodin solchermaßen Ducalle abgefertigt hatte, wandte er sich an Vignerolles. Er steckte die Hände in die Westentaschen und trat mit kecker, sorgloser Miene an den Grafen heran.

      »Sie sind ein Gentilhomme von Geburt?« fragte er in höhnisch-lachendem Ton.

      »So glaube ich«, antwortete der Graf.

      Brodin warf ihm einen halb mitleidigen, halb verächtlichen Seitenblick zu.

      »Eh bien! Sind ihrer in erklecklicher Zahl gekommen. Auch ich, auch ich war, was Sie sind. Sie wollen in die Attacapas?«

      »Ich glaube ja!«

      »In die Attacapas also? Haben Sie Geld?«

      »Habe es nicht gezählt.«

      »Nicht gezählt? So ... recht! Auch ich zählte es nicht, als ich es nicht hatte. Man zählt nicht, wenn nichts im Beutel ist!« Brodin lachte. »Sie wollen also in die Attacapas? Sie wollen? Sage Ihnen, Pierre Brodin sagt es: Sie tun besser, Sie gehen nach Natchitoches! Gehen Sie nach Natchitoches und richten Sie sich dort einen kleinen Laden mit Pulver, Blei, Seidenbändern zum Handel mit Indianern und Negern ein!«

      »Eh bien!« sagte der Graf.

      »Richten sich einen Laden ein! Leihe Ihnen zehn Dollar ... leihe dir zehn Dollar, Kamerad! Du gibst mir ein Pfand — fünf Prozent — kaufe dir die Waren ein. Verstehst du mich? He?«

      Mit diesen Worten faßte er den Grafen beim mittleren Rockknopf.

      »Chien! — Hund!« schrie im gleichen Augenblick Amadée und sprang auf Brodin zu. »Du wagst es, den Herrn Grafen zu duzen?«

      Brodin maß ihn mit einem höhnischen Blick.

      »Pah, was geht das dich an, Freund? Kümmere dich um deine Schuhe! Wenn der Mann da will, was geht das dich an? Will er nicht, so geht‘s dich auch nichts an! Und ist ihm mein Kabarett zu schlecht, so — hier ist die Tür!«

      Brodin sprang der Tür zu und öffnete sie. Dann rückte er wieder näher an den Grafen heran, der mit vornehmer Nachlässigkeit auf seinem Stuhl saß.

      »Ah, auch wir ... auch wir wüßten was zu erzählen von adligen Vorfahren, vom Hofleben! Auch wir, die wir Oberst im Regiment von Artois, die wir Graf, Baron, Chevalier, Besitzer von Herrschaften, Silberbergwerken ...«

      »Im Regiment von Artois? Darf ich um Ihren Namen bitten?« fragte Vignerolles.

      »Louis Victor Comte de Vignerolles — Baron de Pierpont — Chevalier de — de — äh — Mazanaras!« Brodin trompetete mehr, als daß er sprach.

      »Also habe ich die Ehre, mit dem Herrn Grafen Louis Victor de Vignerolles zu sprechen?« fragte der Graf belustigt.

      »Mit dem Grafen Louis Victor de Vignerolles, Herrn der Herrschaften von Pontbleu, der Silberbergwerke von Blois!« schnarrte Brodin.

      »Der Silberbergwerke von Blois? In welchem Teil der Welt liegen diese Silberbergwerke von Blois?«

      »Was?« schrie Brodin wütend. »Sie wollen mich zum besten halten! Die Silberbergwerke von Blois nicht kennen? Sie wollen ein Franzose sein? Ein sauberer Franzose sind Sie!«

      Wir alle schauten den Kneipenwirt an und brachen in ein lautes Gelächter aus. Amadée sprang mit seinem Rohrstock auf ihn zu.

      »Pierre Brodin, kennst du mich nicht?«

      Der Wirt starrte Amadée verblüfft an, verlor sichtlich die Fassung und stammelte: »Nein, mein Herr, ich kenne Sie nicht!«

      »Jacques Pajol!« schrie Amadée stärker. »Jacques Pajol! Sohn der Marketenderin und Wäscherin Jeannot vom Regiment Provence! Kennst du den Sergeanten Amadée nicht?«

      Er schwang den Stock. Der jetzige Wirt und ehemalige Trommelschläger hüpfte entsetzt umher.

      »Jacques Pajol, hör mich an!« befahl Amadée. »Unser Gepäck befindet sich an Bord unseres Schiffs. Wenn besagtes Gepäck, und zwar das des Grafen de Vignerolles, dessen Doppelgänger du bist, und das der Barone Lassalle und Hauterouge und des Monsieur Ducalle, in einer Stunde noch an Bord des Schiffes sind und die Erlaubnis zur Ausschiffung nicht erteilt ist, so wird dieser mein Stock auf deinem Rücken einen Cotillon aufführen!«

      »Parbleu!« rief Brodin. »Was soll das bedeuten, Herr Sergeant?«

      Amadée wiederholte trocken seinen Befehl.

      Pierre Brodin alias Jacques Pajol war weit entfernt, durch die Entdeckung seines

Скачать книгу