Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield
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Читать онлайн книгу Das blutige Blockhaus - Charles Sealsfield страница 19
Der junge Mann stand und schaute umher wie ein Kind, das unvorsichtigerweise ein Loch in den Erddamm eines reißenden Stroms gegraben und nun das Wasser plötzlich rauschen, stärker und stärker brausen hört und auf einmal den Damm selbst krachend weichen und von der Wogenflut fortgerissen sieht. Er wandte sich links und wieder rechts.
»Aber, mein Gott!« fragte er endlich. »Was hab‘ ich denn so Böses gesagt?«
»Monsieur Vergennes«, nahm der Chevalier d‘Ecars kopfschüttelnd das Wort, »wenn Sie das sittliche Gefühl unserer Damen noch öfters auf diese harte Probe zu stellen sich gelüsten sollten, dann stehe ich Ihnen nicht dafür, daß Ihnen nicht bald überall die Tür gewiesen wird.«
»Wirklich horrible!« rief Meurdon, der bisher noch kein Wort gesprochen hatte.
»Abominable!« ließ Demoiselle Genièvre noch in der Tür hören.
Sie und die anderen Damen nahmen Reißaus.
»Wissen Sie denn auch, wer und was diese Farbigen sind?« schrie Lassalle.
»Sie sind Menschen!« erwiderte Vergennes hitzig. »Wenigstens zu einem Fünftel!« fiel Meurdon ein.
»Wissen Sie, daß Sie unseren Damen einen wirklichen Schimpf antaten, sie auf gleiche Stufe mit den Farbigen zu stellen?« fragte Lassalle.
»Schimpf?« Vergennes war naiv verwundert. »Nennen Sie das einen Schimpf antun, wenn man die Rechte einer gedrückten Menschenklasse verteidigt?«
»Gedrückt? Gedrückt?« versetzte Hauterouge. »Hier ist nicht vom Druck die Rede, hier ist von Menschen die Rede, die sich durch ein fortgesetztes Laster, durch ungesetzliche Vermischung in die weiße Rasse eingestohlen haben! Und diese wollen Sie auf gleiche Stufe mit sittsamen Töchtern und Frauen stellen!«
»Sobald Sie diese Sprößlinge ungezügelter Leidenschaften den übrigen Bürgerinnen gleichstellen, stoßen Sie das Grundprinzip der Ehe um!« schrie Lassalle.
»Ungeregelte Leidenschaften führen zum Verderben, sind ansteckend durch ihre Berührung«, erklärte Hauterouge.
Der Aufruhr wurde immer heftiger.
»Messieurs, Messieurs!« rief da der Graf de Vignerolles mit seiner hellen, klaren Stimme. »Messieurs, hören Sie, was Amadée sagt!«
Und seltsam, das babylonische Stimmengewirr legte sich. Alle wandten sich, um zu hören, was Amadée zu sagen hatte. Vergennes, von allen Seiten angegriffen, ersah den günstigen Augenblick und bugsierte sich zu Amadée hin, wie der Kauffahrteischoner, von einer Kaperhorde gejagt, zur Fregatte, um hinter ihren Kanonen Sicherheit zu suchen.
Der alte Amadée nahm eine Prise.
»Vergebung, Herrschaften, wenn ich in meiner Einfalt just meine, daß der junge Herr da Dinge sagt, wie sie oft nach unserer Ankunft in den Attacapas auch gesagt wurden.«
»Aber Amadée, so unverschämt haben wir sie nicht gesagt«, bemerkte Hauterouge.
»Und nicht vor Damen!« fügte Lassalle hinzu.
»Wollte Gott, diese Dinge wären auf eine so unverschämte Weise gesagt worden! Vergeben Sie, Monsieur Vergennes, aber ich wiederhole nur, was Bessere als ich vor mir gesagt haben! Vielleicht hätten sie jemanden abgeschreckt!«
Der Graf, Hauterouge, Lassalle, alle Franzosen und Kreolen sahen den Alten bedeutsam warnend an.
»Ma foi, Amadée!«
»Auch Monsieur Vergennes will die Rechte der Farbigen vertreten, ihnen einen Dienst erweisen.«
Wieder eine Pause.
»Für den sie ihm aber nicht danken dürften«, fuhr Amadée fort. »Ah, Monsieur Vergennes, glauben Sie mir, die Farbigen sind nicht zur Ehe geboren, weil sie ... nicht in der Ehe geboren sind.«
Noch immer sahen alle den Alten an.
»Ah, Herr Graf!« wandte sich dieser an Vignerolles. »Fällt Ihnen an. dem jungen Herrn nicht etwas auf? Sehen Sie ihn doch genauer an!«
Der Graf starrte Vergennes einen Augenblick unverwandt an.
»Monsieur Ducalle!« flüsterte ihm der Alte zu.
»Wahrhaftig, wie er leibt und lebt!« entfuhr es dem Grafen.
Er warf nochmals einen Blick auf Vergennes und strich sich nachdenklich, beinahe unmutig, mit der Hand über die Stirn.
»Ma foi!« riefen auch Lassalle und Hauterouge.
Ihre Stirnen überzog gleichfalls eine trübe Wolke, ihre Blicke ruhten mitleidig teilnehmend auf Vergennes.
»Armer Ducalle!« sagten sie.
»Ganz wie er war!« bekräftigte Amadée.
Der arme Vergennes stand verlegen, seine Dreistigkeit war dahin. Es ist allerdings peinlich, sich als Gegenstand des Mitleids belächelt zu sehen. Aber die Lehre schadete ihm gar nichts.
Eine lange Pause trat ein.
»Ich muß Ihnen aufrichtig gestehen«, nahm endlich der Graf das Wort, »daß mir die letzten Debatten mit Ausnahme dessen, was Mister Moreland ebenso wahr wie gründlich dargelegt hat, sehr widerlich in den Ohren klangen. Daß die Sklaverei ein Übel, ja ein Makel unserer freien Verfassungen ist, wissen wir alle, fühlen es tief. Aber diese Angelegenheit geht uns allein an, ein Fremder sollte sich wohlweislich hüten, sich da hineinzumischen, weil er bei seiner Unkenntnis diese kitzlige Lebensfrage nur verwirren kann, anstatt sie zu klären. Ich glaube, Europa, das noch heutzutage Millionen von Israeliten vom Genuß bürgerlicher Rechte mehr oder weniger ausschließt und die Emanzipation seiner weißen Leibeigenen kaum zur Hälfte durchgeführt hat, dieses Europa hat kein Recht, den Amerikanern über ihre Langsamkeit in dieser Hinsicht Vorwürfe zu machen. Der Fall mit unseren Schwarzen ist wirklich hart und unheilschwanger, viel härter als der mit den weißen Leibeigenen Europas. Diese sind von derselben kaukasischen Rasse wie ihre Herren und können ohne Gefahr für die Sittlichkeit der übrigen Bürger zum Vollgenuß aller Rechte zugelassen werden. Es ist aber eine große Frage, ob das mit unseren Schwarzen oder Farbigen tunlich oder rätlich sein dürfte. Es ist ein ganz anderes Blut, das bei jeder Gelegenheit in Siedehitze aufwallt. Das fühlt die Nation tief, und daher ihr Unwille, diese exotische Rasse in ihre Mitte zuzulassen. Was aber eheliche Verbindungen betrifft, so sage ich frei heraus: wäre der Widerwille dagegen weniger allgemein, so könnte ich unmöglich das Volk der Vereinigten Staaten so hoch achten, wie ich es hoch zu achten vollen Grund zu haben glaube.«
»Gesprochen wie ein wahrer Amerikaner!« riefen alle und drückten dem Grafen die Hand.
Aber währenddem stahl sich ein tiefer Seufzer aus seiner Brust. Es war klar, er hatte nur gesprochen, um die Aufmerksamkeit von Ducalle abzulenken.
»Aber Vergebung, was war denn mit Ducalle?« fragte auch schon de Meurdon. »Ist das derselbe Ducalle, der mit Ihnen ...?«
»Amadée, du hast da einen dummen Streich gemacht«, wandte sich der Graf an den Alten. »Trübe Erinnerungen sind am besten in Vergessenheit begraben.«
»Ah,