Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

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Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield

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immer wieder zum Vorschein kommen? Ach, hätte Monsieur Ducalle gewußt, wie es endigen würde ...! Dem jungen Herrn da würde es gewiß nicht schaden, denn er soll doch in Louisiana bleiben ...?«

      Er blickte Vignerolles fragend an.

      »Wir könnten ja in den Speisesaal gehen«, fügte er hinzu, als der Graf schwieg.

      »Aber Demoiselle Ducalle!« wandte Hauterouge ein.

      »Wie, ist Demoiselle Ducalle hier?« fragte Howard.

      »Ja, mit meiner Tochter«, gab der mit einem Mal einsilbig gewordene Graf zurückhaltend Auskunft.

      »Und ihr Vater?«

      Keine Antwort.

      »Unser junger Freund will also in Louisiana bleiben?« fragte der Graf nach einer Weile.

      Vergennes nickte gedankenlos. Wieder eine lange Pause, alle sahen sich einander befremdet an.

      »Ja, wenn es den Herren gefällig ist, wollen wir in den Speisesaal gehen!«

      Mit diesen Worten erhob sich Vignerolles. Alle zogen in schweigsamer Spannung in den aufgeräumten Speisesaal. Auch zu ihren Ohren war das Gerücht von diesem Ducalle gedrungen, aber entstellt, dunkel, unheimlich. Alle waren daher begierig, die seltsame, halb verklungene Sage aus glaubwürdiger Quelle zu hören.

      Die Farbigen

      Die Erzählung des Grafen de Vignerolles

      1

      Nach einer Fahrt von etwa vierundzwanzig Stunden kommt der Reisende heraus aus dem düstern, unheilverkündenden Labyrinth, das ihn beim Eintritt in das Bayou Plaquemine empfangen hat. Der Tag lächelt ihn wieder an, wird plötzlich zur Lichtflut. Ein wunderschöner Rundblick öffnet sich seinem Sehkreis. Ein entzückend schöner See, der sich mehrere Stunden im Umfang hinbreitet, fesselt sein staunendes Auge.

      Die Ufer sind mit mächtigen Zypressen eingefaßt, deren Riesenstämme, von spanischem Moos umwallt, und deren dunkelgrüne Kronen, ineinander verschlungen, dem Beschauer beim ersten Anblick wie Tausende von Domen aneinandergereiht erscheinen. Er steht staunend, verwirrt. Der Sehtäuschung endlich gewahr, wendet er den Blick von diesen majestätischen Naturdomen, senkt ihn und weilt auf der schönsten Blumenflur, die je göttliche Allmacht dem menschlichen Auge entfaltet hat.

      Er schaut Millionen der Nelumbo, der Königin aller Wasserblumen, in ihrem höchsten Glanz. Sie erhebt ihre kegelförmigen, vasenartig gestalteten Blätter stolz über die Gewässer, beherrscht sie bis in die Mitte des Sees. Millionen der herrlichsten Tulpenblüten blenden sein Auge, unzählige buntgefiederte Schwimmvögel schwirren über und zwischen ihnen hin. In der Mitte allein glänzt ein Spiegel kristallhellen Wassers.

      Der Reisende verläßt nur ungern diesen Zaubersee, um sich abermals in einem Gewirr von Flüssen und Bayous zu verfangen, gelangt aus diesen in den größeren Inselsee, weiter in den großen Fluß, den Atchafalaya, gleichfalls einen natürlichen Abzugskanal des überströmenden Mississippi, und zuletzt in den Teche. Endlich ist er in den Attacapas angelangt, dem Landstrich, der sich vom Golf von Mexiko herauf aus zitterndem Rohr und Binsengeflecht zu schwankenden Sumpfwiesen erhebt und allmählich fester Boden wird, wie er weiter gegen Norden heraufschwellt. Vom Teche, Vermilion und vielen anderen Flüssen und Seen bewässert, hat er den Namen des Elysiums von Louisiana erhalten.

      Wie ein stahlgraues Seidenband windet sich der Teche um endlose Wiesen und Auen, auf denen Tausende und aber Tausende fröhliche Rinder und Pferde in halbwildem Zustand umherspringen. Zahllose Baumgruppen von Immergrüneichen, Papaws, Liquidambars Amberbaum, liefert ein wohlriechendes Harz und ein als Süßgummi beliebtes Kaumittel beschatten das Bild. Pflanzungen, in Haine von tropischen Fruchtbäumen gebettet, tauchen links und rechts auf. Kleinere Seen hellen das Bild auf. Eine weiche, wollüstig feuchte Glut hauchte ihren einschläfernden Odem über das Ganze.

      Neunundzwanzig Jahre sind es nun, daß wir zum erstenmal an diesen entzückenden Fluren vorüberglitten, bei jeder Pflanzung begrüßt, bei jeder dringend zum Verweilen eingeladen. Ich sehe und höre noch Ducalle, wie er die Arme sehnsuchtsvoll nach den Ufern ausstreckte und rief:

      »Wir werden ein paradiesisches Leben führen!«

      »Es ist ein Elysium!« fielen wir mit Freudentränen ein.

      Im Tendelet, dem bedeckten und erhöhten Hinterteil unserer Voiture, stand der alte Roche Martin am Ruder, der rauhe, aber treffliche Akadier, der uns vier Tage vorher — wie Lassalle Ihnen erzählt — von dem Baumstamm gerettet hatte, und brummte, den Blick väterlich auf Ducalle gerichtet:

      »Ei Elysium, weiß nicht, was das sagen will! Aber hier heißen sie es Paradies, und ein Paradies muß es wohl sein, denn es hat Schlangen. Hüte dich, Junge, vor den Schlangen, die da sind die Farbigen! Sie riechen übel!«

      Nach der Sitte der Akadier duzte er uns, was wir uns um so lieber gefallen ließen, als der gute Mann viel erfahren hatte und hoch in den Jahren war. Während der viertägigen Fahrt hatten wir ihn natürlich über die Zustände des Gemeinwesens und der bürgerlichen Verhältnisse in den Attacapas ausgefragt. Die Rede war so auf die Farbigen gekommen, deren er nie erwähnte, ohne sich zuvor durch ein »mit Verlaub zu sagen« zu verwahren, so wie unsere Spießbürger das zu tun pflegen, wenn sie vom Borstentier sprechen. Das gab zu häufigen Debatten Anlaß, bei denen Ducalle oft launig, oft heftig Partei der Farbigen nahm. Jedesmal schüttelte dann der Alte den greisen Kopf und brummte:

      »Junge, Junge, gib acht! Diese Farbigen werden dein Unglück sein!«

      Die Landschaft wurde immer schöner, je weiter wir den Teche hinauf fuhren. Hie und da sahen wir nackte schwarze Gestalten sich lässig durchs Gebüsch hinstehlen, aber kein Laut war zu hören, als das Brummen des Alten: »Er hört nicht, und sie riechen doch so übel! Diese Farbigen werden sein Unglück sein!«

      Wir waren in eine Flußkrümmung eingefahren, als eine Pflanzung auftauchte, die schönste, die wir bisher gesehen. Sie schien zu schlummern in dem weichen, duftenden Blütenbeet der Orangen. Lilacs, Spanischer Flieder Zitronen, Feigenbäume. Weiter zurück standen Gruppen von Immergrüneichen und Liquidambars und wölbten einen Dachhimmel über das Wohnhaus, das in der Spiegelung der schräg einfallenden Sonnenstrahlen wiegend und wogend erschien. Die Baumgruppen waren nach einem bestimmten Plan aus dem Urwald herausgehauen, die niedrigen Baumgattungen beschnitten.

      Roche Martin bestätigte uns, daß die Pflanzung einem Franzosen gehörte.

      »Auch ein solcher Hochadeliger, der sich nicht einmal duzen lassen will, dieser Herr von Morbihan da!« brummte er verdrießlich.

      Herr von Morbihan — ich sah unter meinen Briefen nach. Eine der Anschriften lautete an einen Monsieur de Morbihan. Doch war es nicht dieser, bei dem wir abzusteigen gesonnen waren.

      Und in diesem Augenblick trat der leibhaftige Monsieur de Morbihan aus dem duftenden Orangenhain heraus. In abgetragener Kattunjacke und Hosen, durch die die bloßen Knie schimmerten, einen breitrandigen Strohhut auf dem Kopf und mit einer Fußbekleidung, für die wir damals keinen Namen wußten, die wir aber später als Mokassins sehr liebgewannen. Er kam neugierig hastig gegen den Flußrand zugetrippelt.

      »Eh bien, was bringst du Neues?« schrie er schon von weitem Roche Martin an.

      »Franzosen!« antwortete dieser. »Aber nicht dir, sondern einem, der sich duzen läßt!«

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