Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das blutige Blockhaus - Charles Sealsfield страница 21
Er ballte die Faust gegen Martin, dann zog er den Hut und wandte sich an uns.
»Messieurs, Vergebung! Der alte Grobian da hat keine Manieren, er duzt Kavaliere wie ein Gendarmerie-Korporal. Ah, wäre ich noch Kommandant, ich wollte dich duzen!«
Und er tanzte und sprang so wunderbar, und schwang seinen furchtbar schlechten Strohhut so possierlich, wir glaubten der gute Mann habe einen Sonnenstich bekommen.
»Adelaide, Adelaide!« schrie er auf einmal in die Orangenlaube zurück. »Adelaide, mein teures Kind! Der akadische Lümmel da, der mich duzt, der keine zwei Neger hat und sein Welschkorn mit seinen eigenen schmutzigen Händen bauen muß, hat uns Franzosen gebracht! Hahaha, ist das nicht drollig?«
Und während er die linke Faust gegen den akadischen Lümmel ballte, winkte er mit der rechten Hand und warf der Laube Kußhändchen zu. Wir hörten, wir schauten, wir trauten kaum unseren Ohren und Augen.
Der Alte sprang mit einem Mal vorwärts und rief uns an: »Franzosen, Landsleute, soeben gelandet. Woher, woher?«
»Aus der Bretagne — aus der Tourraine — aus der Provence!« antworteten wir.
Der sonderbare Alte sprang hoch vor Freude. »Adelaide!« schrie er zurück nach der Orangenlaube. »Franzosen aus der Provence, der Tourraine, der Bretagne, die uns Neuigkeiten bringen!«
Er sprang vor Ungeduld vorwärts, rückwärts, fuchtelte mit Händen und Füßen. In der Laube flimmerte jetzt etwas Weißes. Endlich zeigte sich die ersehnte Adelaide. Im schneeweißen Morgenkleid aus feinstem Leinen, das die schwellenden Glieder zart hervorhob, schwebte eine schlank gebaute Gestalt heran. Ein breiter Strohhut bedeckte den schönen Kopf, von dem sich eine Fülle glänzend schwarzer Locken über den Nacken herabringelte. In der einen Hand hielt sie einen Sonnenschirm, in der andern einen Fächer von bunten Federn. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen mit einem Moskitowedel folgte ihr auf dem Fuß.
Sie warf einen flüchtigen Blick auf das Fahrzeug, das nur noch etwa hundert Schritte vom Landungsplatz war, und schwebte dann anmutig auf den Pflanzer zu, der ihren Arm zärtlich erfaßte und sie dem Uferrand zuzog, wo er hielt, einen triumphierenden Blick auf uns und einen zweiten auf das Mädchen warf. Das ganze Benehmen des Mannes hatte mehr theatralisch Kokettes als väterliche Zärtlichkeit.
Unsere Augen hingen an dem seltsamen Paar und besonders an der herrlichen Adelaide, deren Bewegungen ein eigentümliches Gliederspiel verschönerte. Das ganze Wesen des Mädchens hatte für uns etwas ungemein Anziehendes, so wie ihre Schönheit eigentümlicher Art war. Nie hatten wir solche Augen gesehen. Sie waren länglich, mehr mandelförmig geschnitten als rund, nicht ganz schwarz, mehr gazellenschwarz, halb träumerisch geschlossen, schwimmend, zuweilen aufleuchtend, und dann zuckte es wie brennende Strahlen heraus. Es lag eine unsägliche Liebesglut in diesen herrlichen Augen.
Wir hatten unsere Hüte abgenommen.
»Mach, daß du fertig wirst, Lümmel!« schrie der Herr de Morbihan dem Akadier zu und stampfte ungeduldig mit dem Fuß.
Roche Martin beachtete die Aufforderung nicht und machte keine Anstalt, die Bretter vom Fahrzeug ans Ufer zu legen.
»Du siehst, Adelaide!« wandte sich der Alte mit bittender Miene an seine Tochter. »Wenn ich nicht gehe, dauert es noch eine Stunde, ehe sie landen!«
Er sprang in das Fahrzeug und fiel mir buchstäblich in die Arme.
»Heraus, heraus!« schrie er und umarmte mich. »Heraus aus diesem barbarischen Bauernfahrzeug! Willkommen, Landsleute! Heraus, sage ich, heraus!«
»Adelaide!« rief er ans Ufer hinüber. »Siehst du, Franzosen, wahre Franzosen! Man sieht es ihnen an den Augen an! Anderer Stoff als unsere drüben am Chetimachas!«
Abermals umarmte er mich, sprang dann plötzlich einen Schritt zurück.
»Sie sind aber doch von Stand, Monsieur? Doch Kavalier? Ich bin der Sieur de Morbihan!«
»Bitte tausendmal um Vergebung!« lächelte ich. »Ich heiße Louis Victor de Vignerolles.«
»Louis Victor de Vignerolles? Ich kannte einen Grafen Hugo de Vignerolles.«
»Ich bin sein Sohn.«
»Ma foi!« Er schlug sich an die Stirn. »Wo hatte ich nur die Augen? Vergeben Sie, Herr Graf de Vignerolles, man wird blind in diesen Attacapas, unter diesem Bauern- und Handwerkervolk, man verbauert. Tausendmal Vergebung, aber so ganz sind wir doch noch nicht verbauert!«
Er trat einen Schritt zurück, setzte seinen geflickten, durchlöcherten Hut auf, nahm ihn wieder ab, schnitt ein Kompliment und umarmte mich nochmals in der Art der Hofkavaliere während der sechziger und siebziger Jahre. Dann faßte er mich bei der Hand und wandte sich mit einer Verbeugung gegen die am Ufer stehende Adelaide.
»Mademoiselle Adelaide de Morbihan, ich habe die Ehre, Ihnen den Herrn Grafen Louis Victor de Vignerolles vorzustellen. Herr Graf, ich habe die Ehre, Ihnen Demoiselle Adelaide de Morbihan, meine Tochter, vorzustellen.«
Demoiselle Adelaide knickste am Ufer, ich verbeugte mich im Fahrzeug.
Monsieur de Morbihan schritt zum nächsten. Es war Hauterouge.
»Monsieur, ich bin der Sieur de Morbihan.«
»Herr de Morbihan, ich nenne mich Vincent de Hauterouge.«
Morbihan umarmte Hauterouge, nahm ihn dann bei der Hand und sprach zu Adelaide gewendet: »Mademoiselle de Morbihan, ich habe die Ehre, Ihnen hier den Herrn Baron Vincent de Hauterouge vorzustellen. Herr Baron, ich habe die Ehre, Ihnen Demoiselle Adelaide de Morbihan vorzustellen.«
Die Tochter knickste abermals, der Baron verbeugte sich. Morbihan trat an Lassalle heran. Genau dieselbe Etikette. Als die Reihe an Ducalle kam, stutzte der Alte. Er warf einen forschenden, beinah ängstlichen Blick auf die Tochter. Sie war hocherrötet, senkte die halbgeschlossenen Augen zu Boden. Der Vater stand und starrte Ducalle mißtrauisch an.
»Monsieur de Ducalle«, nahm ich endlich das Wort.
»Capitaine im Regiment Monsieurs, mein teurer Freund.«
Sichtbar im Kampf mit sich selbst näherte sich der Alte dem jungen Mann. Die Tochter heftete einen starren Blick auf den Vater, und dieser schloß nun den verwirrt errötenden Ducalle heftig in seine Arme.
Mittlerweile waren die Bretter ans Land gelegt. Wir begaben uns ans Ufer und begrüßten dort nochmals Vater und Tochter, worauf sie uns dem Hause zuführten.
Dieses war weit bequemer eingerichtet, als wir bei unserm Eintritt vermuten konnten. Die nackten Kinder, Knaben und Mädchen, und die beinah ebenso nackten schwarzen Weiber, die im Saal herumhockten, hätten uns fast wieder hinausgetrieben. Kaum traten wir in Begleitung des etwas sonderbaren Monsieur de Morbihan in die Veranda ein, als sie alle mit einem gellenden Geheul auseinanderstoben und sprangen und uns nicht wenig erstaunt allein ließen.
Nicht nur das Haus geriet in Bewegung, der Aufruhr, den unser Erscheinen verursachte, teilte sich der ganzen Niederlassung mit. Noch waren keine zwei Stunden verflossen, und wir saßen gerade an der Mittagstafel,