Die Rückkehr der Zeitmaschine. Egon Friedell

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Die Rückkehr der Zeitmaschine - Egon  Friedell

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Lebens spielen beide Irrtümer ja auch tatsächlich keine Rolle. Die Sonne geht für uns noch geradesogut auf und unter wie für Ptolemäus, keinem Menschen fällt es ein, zu sagen: die Erde geht unter. Und ebenso können wir auch getrost an der Fiktion festhalten, die Zeit seit etwas Fixes, der ruhende Schoß, in dem die Körper schlafen. Es ist ein Vorurteil, aber ein ungefährliches. Wir werden die junge Dame am Boskett dennoch finden, und wenn sie unpünktlich ist, kann sie sich nicht auf die vierte Dimension ausreden. In Wirklichkeit aber sind das Fixe wir, die sich nicht in der Zeit bewegen können.

      Wir. Aber nicht der Zeitreisende. Denn obgleich er kein Gespenst ist, so vermag er doch die vierte Dimension auf und ab zu gleiten, wie wir die dritte. Seine Erfindung beruht auf einer höchst einfachen Erwägung, einer so einfachen, daß er es für überflüssig gehalten hat, sie zu erläutern. Übrigens sind fast alle genialen Erfindungen einfach, Kolumbuseier. Zum Beispiel der Feuerbohrer, der Flaschenzug, die Töpferscheibe. Und doch hat es zweifellos sehr lange gedauert, bis man ihr Prinzip entdeckte. Oder gibt es etwas Einfacheres als die Dynamomaschine? Der elektrische Strom magnetisiert Stahl, der Magnetismus des Stahls vermag umgekehrt elektrische Ströme zu erzeugen. Werner Siemens ließ durch den Strom den Magneten verstärken und durch den Magneten wieder den Strom und erhielt durch dieses sich immer mehr steigernde Wechselspiel eine starke und dauernde Kraftquelle, die das Antlitz der Erde verändert hat. Man sollte meinen: darauf hätte jeder Gewerbeschüler kommen müssen.

      Der Gedankengang des Zeitreisenden war folgender: Für gewöhnlich bewegen wir uns in drei Dimensionen – oder glauben es zu tun. In Wahrheit nämlich bewegen wir uns immer nur in einer Dimension: entweder nach vorn oder hinten oder nach rechts oder links oder nach oben oder unten. Mit einem Wort: bei jeglicher Bewegung, die wir machen, isolieren wir eine Dimension. Am deutlichsten wird dies bei der Höhenrichtung. Wenn ich einen Berg besteige, so bewege ich mich zwar seitlich und nach oben, also in zwei Dimensionen, aber nur weil meine Höhenbewegung unvollkommen ist. Eine Lerche, ein Wasserstrahl, ein Luftballon, schon der kleine, der als Kinderspielzeug dient, steigt immer kerzengerade in die Höhe. Der primitive Mensch, der sich nur zu Fuße oder bestenfalls auf einem Tragtier nach oben bewegte, hielt diese Bewegung für selbstverständlich und dachte nicht viel über sie nach. Aber mit zunehmender Zivilisation begann man Apparate zu ersinnen, die diese Bewegungsrichtung mit vollem Bewußtsein isolierten: Aufzüge, Motoren, Äroplane, bis zum Stratosphärenflugzeug. Ganz so wie es der Luftschiffer und der Taucher in der Höhentiefendimension und schon jeder Besitzer eines Schiebkarrens in der Richtung macht, die ihm seine Nase angibt, macht es der Zeitreisende mit der Zeitdimension: er isoliert sie. Auch wir tun dies, wie soeben ausgeführt wurde, ununterbrochen, aber nur in verschwindend minimalen Beträgen, indem wir etwa alle zehn Jahre einen Zentimeter zurücklegen; und außerdem tun wir es nicht willkürlich. Wir tun es wie der unwissende Wilde, der einen Berg hinabkollert. Der Zeitreisende verhält sich zu uns wie Herr Piccard zu jenem Wilden.

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