Bissula. Felix Dahn
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Bissula - Felix Dahn страница 2
Die härteste Aufgabe fiel dabei dem linken Flügel zu, welcher, nördlich von der Mittelmacht und der alten Straße, auf einem erst durch Wald und Moor zu brechenden Pfade, entlang der Hauptschar marschieren und letztere decken sollte wider einen Flankenangriff der Feinde; denn, wenn diese aus den undurchdringlichen Waldverstecken plötzlich auf die im Marsch begriffene Kolonne vorstießen, konnte der ganze überraschte Heereszug durchbrochen und in Sumpf und See geworfen werden. Der Widerstand, den Wald und Moor dem Vormarsch leisteten, schien aber der einzige zu bleiben, auf welchen die Römer stoßen sollten. Denn nicht auf einen einzigen Menschen trafen diese, seit sie das Südufer des Sees und die Stationen der dortigen Straße verlassen hatten. Alamannische Dörfer gab es nicht in dieser Gegend: Hofsiedelung war herrschend in der Landschaft; stunden-, ja meilenweit lagen die Gehöfte, »die Schwaigen«, verstreut. Die wenigen Einödhöfe, die man auf dem mehrtägigen Marsch antraf, waren — verlassen. Eine unheimliche, drohendes Verderben brütende Stille schien über den leeren Holzbauten zu lagern.
Abgemäht waren überall — kurz vor der Vollreife — Hafer, Gerste und Spelt, zum Teil abgebrannt: das ging rascher, und dem Landfeind sollte das alamannische Getreide nicht einmal zum Pferdefutter dienen. Das Vieh war fortgetrieben; leer stand auch die Hütte des treuen »Hofwart«, des Haushundes, die selten fehlte neben dem Hofeingang; ausgeräumt waren die Vorräte von Heu und Stroh in den »Schupfen«, den Scheunen, die, meist mit dem Wohnhaus verbunden, manchmal aber auch neben demselben ausgezimmert waren.
In langsamem, häufig stockendem Zug, nur schwer vorwärts kommend, für die Verpflegung lediglich auf die von den Truppen oder die von den Händlern und deren Weibern mitgetragenen Vorräte angewiesen, jede Nacht vorsichtig ein wohl befestigt Lager schlagend, mühten sich die Römer mehrere Tage lang, vom Westende des Sees, wo er in dichtes, stundenbreites Röhricht und weithin im Winde wogende Schilfwiesen verlief, allmählich gegen Osten vor.
So war man an den Fuß der steil aufsteigenden Höhe gelangt, die heute das stattliche, weithin glänzende Schloß von Meersburg krönt. Es ging gegen den Abend des langen Augusttages, der vielfach regnicht, doch nicht ganz trüb gewesen war. Noch einmal brach die Sonne hell aus dem Westgewölk, die ganze Kette der Berghäupter von den Berner Alpen bis zu den Allgäuer Höhen vergoldend: der Säntis glühte in weinrotem Glanz, feierlich, wie ein König der Bergriesen, der seinen Purpurmantel um die stolzen Schultern gezogen hat.
Vorsichtig machte der Zug der Römer Halt an dem Fuß des sehr steilen Hügels, dessen Felsen gegen die Seeseite und gegen Westen schroff abfallen, während die Kuppe, damals dicht von Wald und Busch bestanden, dem Blick undurchdringbar, finster herniederdräute. Das Laub der Eichen und die Nadeln der Tannen waren naß geregnet und, wo die Sonne nicht darauf fiel, sah es dunkelgrün, fast schwärzlich aus.
Zwei Heerführer, deren hell im Abendschein leuchtende Rüstungen durch reichen Gold- und Silberschmuck hohen Rang bekundeten, ritten langsam gegen die Höhe an. Vor ihnen her schritt, rechts und links mit den Armen an die Steigbügel von je einem Panzerreiter gebunden, ein Wegweiser. Einige Pioniere mit Beil und Schaufel umgaben die beiden Führer, ein Häuflein batavischer Speerschützen folgte. Der eine der Offiziere, ein stattlicher Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, hielt nun den schweren, spanischen Rapphengst an und beugte das wohlgebildete, wettergebräunte Antlitz scharf auslugend vor. »Wenn ich je Germanen gekannt und bekämpft habe,« sprach er mit stark illyrischem Accent, »stecken sie dort oben, in jenem Buschwald, auf der Felskuppe, die sich selbst verteidigt. — Halt an, ich bitte sehr, Präfectus Prätorio von Gallien! Nicht weiter vor ohne Auskundschaftung! — Vorwärts, ihr wackern Bataver: Rignomer, nimm sechs Mann, und hinauf in das Gestrüpp! Aber Vorsicht! Und du, Brinno, Hornbläser, giebst sofort das Warnzeichen, trefft ihr auf den Feind.«
Während sein Befehl vollzogen ward, lächelte der andere, ältere Heerführer: »Allzu ängstlich, mein Saturninus! Immer zu behutsam.« »Man kann nicht zu behutsam sein gegenüber diesem Feind, mein hoher Freund. Hätten die Barbaren diesen von den Göttern ihres Landes selbst aufgebauten Schutzwall nicht besetzt, dann müßte sie jeder Mut des Widerstands verlassen haben.« »Und gewiß, er hat sie verlassen! Die Kriegslust ist ihnen gründlich ausgetrieben durch Valentinian, den großen Verewigten, und durch unsern jungen Heldenkaiser, seinen Sohn: — meinen Zögling!« fügte er selbstgefällig bei. »Ich bin überzeugt, die ganze Germanengefahr ist für das Reich vorüber.«
Schweigend schüttelte der andere das Haupt. Da sprengte von der Mitte des Römerzuges ein Befehlshaber der Panzerreiter, ein Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, heran. Aus dem Helm starrte struppiges Haar hervor und häßlich waren die unedeln Züge. »Müssen wir über diesen götterverhaßten Felsen, Tribunus?« rief er, das Pferd kurz parierend. »Wir müssen,« erwiderte ruhig der Illyrier. »Soeben ward mir gemeldet, unsere linke Flankenschar hat wieder einmal den Wald grundlos versumpft gefunden und sich auf diese — unsere einzige — Straße heranziehen müssen. Und zur Rechten rauscht der See!« Der Häßliche warf einen bedenklichen Blick auf die Felshöhe. »Hm,« meinte er, »wird viele Leute kosten. Ist aber kein Unglück.« fuhr er fort, »wir haben Barbaren übergenug in Sold, fallen sie gegen andere Barbaren — immer sind‘s soviel Bestien weniger.« »Wie abscheulich, Neffe Herculanus,« verwies der Präfectus Prätorio. »Wird der Aufstieg verteidigt,« fiel der Tribunus ein, »kostet er viele Zeit. Und Zeit haben wir gar nicht zu verlieren. Wir sollten schon längst am Ister stehen, die Goten abzuwehren. Mir bangt um Kaiser Valens. Übles ahn‘ ich!« »Immer ahnst du Übles,« lächelte der Ältere, der Präfectus Prätorio, »und nie trifft das Üble ein: immer siegt das Glück der ewigen Roma! Horch, auch diesmal. Der Hornbläser giebt das Zeichen: »»Alles sicher! Vorrücken!«« Und der Centurio der Bataver, der zuerst die Höhe erklommen, — wie heißt er doch? — Rignomer: er winkt uns, ihm zu folgen. Hinauf, ihr Freunde! Hatte ich nun nicht Recht, mein tapferer Tribun? Die Barbaren geben den Widerstand auf.« — »Recht hast du, wie immer, Oheim!« meinte der junge Offizier mit einem Lächeln, das freundlich sein sollte, aber häßlich ausfiel. »Wenn du nur Recht behältst, Ausonius!« sprach der Illyrier zögernd. »Aber für den Augenblick scheint es wirklich so. Auf, Tubabläser, gebt die Zeichen: »»Der ganze Zug: vorwärts!«« Wir schlagen das Nachtlager auf jener Höhe und wehrlos vor uns liegt das Land der Alamannen.«
Drittes Kapitel
Unter den Römern war, wie wir sahen, nicht bekannt geworden, ob die Barbaren Witterung hatten von den Vernichtung drohenden Streichen, die von mehreren Seiten zugleich gegen das Waldvolk geführt werden sollten. Die Vorbereitungen waren so geheim betrieben worden, daß den Feldherren völlige Überraschung der Feinde erreichbar schien. Seit Wochen schon durfte kein Germane mehr die äußerste Postenlinie überschreiten des »limes«, des — jetzigen — römischen Grenzhags: er war freilich sehr weit zurückverlegt worden im Lauf der letzten drei, vier Menschenalter. — Das Recht des Marktverkehrs in den Stationen auf dem südlichen Ufer war ihnen schon länger entzogen wegen angeblicher Verletzungen der Bedingungen solchen Verkehrs. Die römischen Händler aber wagten sich seitdem auch nicht mehr in das Gebiet der über solche Strenge erbitterten Nachbarn. Die Grenzwachen meldeten, daß man von den Warttürmen aus irgend Auffälliges bei den Barbaren wahrzunehmen nicht vermöge.