Die Nilbraut. Georg Ebers
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Nilbraut - Georg Ebers страница 14
Auch in der Fremde hatte er mit Vater und Mutter zusammengelebt, sie als sein Höchstes und Liebstes betrachtet.
Und Paula! Seine Gattin konnte sich nicht für sie erwärmen, doch er betrachtete ihre Anwesenheit im Hause als eine freundliche Fügung, der er — nicht nur am Brettspiel — viele gute Stunden verdankte.
Das alles, gewiß, es konnte ein Geschenk des Satans sein, aber war es ein solches, so wollte er, Georg der Mukaukas, dem Bösen nun zeigen, daß er nicht ihm, sondern dem Heiland ergeben sei, auf dessen Gnade er hoffte. Und mit wie innigem Dank gegen den Höchsten war seine Seele für die Heimkehr eines solchen Sohnes erfüllt. Sein ganzes Wesen drängte ihn, dieser Empfindung Ausdruck zu geben, und so waren es Herzensangst und Erkenntlichkeit zugleich, die ihn veranlaßt hatten, so große Summen hinzugeben, um der Kirche Christi ein Geschenk ohnegleichen zu machen. Wie ein Kriegsgefangener, für den das Lösegeld eintrifft, war er sich vorgekommen, indem er das Täfelchen mit der Anweisung dem Kaufherrn überreichte, und als man ihn zur Ruhe brachte und seine Gattin nicht müde ward, ihm für sein frommes Vorhaben zu danken, fühlte er sich heiterer und leichter als seit vielen Jahren.
Sonst pflegte er Paula, welche über seinem Schlafgemach wohnte, auf und nieder schreiten zu hören; denn sie ging spät zur Ruhe und hing wohl in der nächtigen Stille süßen und schmerzlichen Erinnerungen nach. Wie so vieles hatte ihr ein herbes Schicksal entrissen: Vater, Bruder, die nächsten Verwandten und Freunde, alle zugleich, alle durch die Hand der Muslimen, denen er sein Vaterland fast widerstandslos übergeben.
»Man hört Paula heute nicht,« sagte er, aufwärts schauend und als fehle ihm etwas. »Die Aermste wird sich nach dem Vorgang von vorhin zeitig niedergelegt haben.«
»Laß sie,« versetzte Frau Neforis, die sich ungern in ihren freudigen Ergüssen unterbrochen sah, indem sie unwillig die Achseln zuckte. »Wie hat sie sich wieder betragen. Wir haben ja eben viel zu viel über Barmherzigkeit zu hören bekommen, und ich will mich der meinen nicht rühmen, doch ich übe sie gern, und außerdem ist es geradezu meine Pflicht, einer verlassenen Verwandten von Dir alles Gute zu erweisen; aber dies Mädchen! Sie macht mir’s zu schwer, und ich bin doch auch nur ein Mensch! Ich kann nicht froh sein, wenn ich sie sehe; kommt sie ins Zimmer, so ist mir’s, als trete das Unglück selbst über die Schwelle. Und dann! Du hast für dergleichen ja keine Augen, aber Orion macht sich auch mehr mit ihr zu schaffen, als gut ist. Ich wollte, wir hätten sie erst aus dem Hause!«
»Neforis!« unterbrach sie ihr Gatte mit leisem Vorwurf, und er hätte sie gern schärfer zurechtgewiesen, aber seit er der Sklave des Opiums geworden, gelang es ihm nicht mehr, mocht’ es sich um Kleines oder Großes handeln, ihr kräftig entgegenzutreten.
Bald lag der Mukaukas in unruhigem Halbschlaf, doch öffnete er dabei häufiger als sonst die Augen. Es fehlte ihm der leise Schritt ihm zu Häupten, an den er seit zwei Jahren gewöhnt war; aber diejenige, welche sonst die erste Hälfte der Nacht dort oben umherging, war nicht, wie er wähnte, zur Ruhe gegangen.
Wohl hatte sie nach dem Vorgefallenen ihr Zimmer mit glühenden Wangen und brennenden Augen aufgesucht; aber die Sklavinnen, welche des geduldeten, von der Hausfrau scheel angesehenen Gastes wenig achteten, waren ihrem Geheiß, die Laden ihres Gemachs nach Sonnenuntergang zu öffnen, um der kühleren Nachtluft Einlaß zu gewähren, nicht nachgekommen, und nun erfüllte dumpfe, drückende Schwüle das Zimmer. Die hölzernen Laden fühlten sich heiß an und ebenso die linnenen Tücher auf der Wolle des Lagers. Das Wasser in ihrem Kruge und selbst das Handtuch, wonach sie gegriffen, waren warm. Einer Aegypterin wäre das alles nichts Ungewohntes gewesen, die Damascenerin aber hatte jeden Sommer in dem schönen Landhause ihres Vaters auf der Höhe des Libanon in schattiger und doch lichter Kühle zugebracht, und heut wollte ihr die Wärme überall unerträglich erscheinen.
Draußen war es angenehm; sie hatte es unten empfunden, und so stieß sie, ohne sich lange zu besinnen, die Laden auf, verhüllte sie sich mit einem langen dunklen Kopftuch, schlich sie die steile Treppe hinunter, und dann durch ein Gesindepförtchen, das ihr bekannt war, auf den Hof.
Dort atmete sie tief auf und streckte die Arme sehnsüchtig aus, als ob es sie fort, fort von hier zu fliegen verlange; aber bald ließ sie sie sinken und schaute sich um.
Sie hatte sich nicht bloß, um Kühlung zu suchen, ins Freie begeben; nein, es verlangte sie besonders, ihr empörtes, bedrängtes Herz einem andern zu öffnen, und es gab in den Dienerhäusern zwei Wesen, von denen das eine sie verstand, kannte und liebte, und ein anderes, das ihr ergeben war wie ein treuer Hund und Aufträge für sie besorgte, welche dem Statthalterhause und seinen Bewohnern verborgen bleiben sollten.
Das eine war ihre Amme, die sie nach Aegypten begleitet, das andere der freigelassene Stallvorsteher ihres Vaters, welcher die Frauen mit seinem halberwachsenen Sohne begleitet und sie beschützt hatte, als sie nach der Metzelei von Abyla aus ihrem Versteck hervorgetreten waren und nach einem längeren Aufenthalt in einem Libanonthal keinen besseren Rat gefunden hatten, als nach Aegypten zu fliehen und sich dort unter den Schutz des Mukaukas Georg zu stellen, dessen Schwester die erste Gattin ihres Vaters gewesen. Sie selbst entstammte der zweiten Ehe desselben mit einer vornehmen Syrerin, welche eine Verwandte des Kaisers Heraklius gewesen, und die kurz nach ihrer Geburt in jungen Jahren gestorben.
Beide Diener hatte man von ihr getrennt.
Die Amme Perpetua war von der Statthaltersfrau, welche in ihr bald eine ungewöhnlich kunstfertige Weberin erkannt hatte, verwendet worden, um den am Webstuhl beschäftigten Sklavinnen des Hauses vorzustehen, und die Alte hatte dies Amt gern übernommen, obgleich sie frei von Geburt war; aber es kam ihr alles darauf an, in der Nähe ihres teuren Pfleglings zu bleiben.
Auch der Stallvorsteher Hiram war mit seinem Sohne unter die Leute des Mukaukas aufgenommen worden, zunächst um die fünf schönen Pferde aus dem Stall ihres Vaters, welche die Fliehenden nach Aegypten gebracht hatten, zu pflegen, dann aber auch, — denn man hatte seine guten Kenntnisse bald erkannt — um als Tierarzt und beim Roßhandel zu Rate gezogen zu werden.
Mit beiden hatte Paula zu reden, und sie wußte genau, wo sie zu finden waren, aber sie konnte nicht, ohne sich Widerwärtigkeiten auszusetzen, zu ihnen gelangen; denn die freien Bediensteten des Mukaukas, ihre Freunde und nun auch nach Thoresschluß die Soldaten der Wache saßen noch immer plaudernd in verschiedenen Gruppen beisammen und gingen gewiß noch lange nicht auseinander; denn einige Sklaven brachten der Wachmannschaft erst jetzt das Nachtmahl.
Auf dem Hofe hörte das Kommen und Gehen nicht auf; denn jeder, dem es erlaubt war, genoß die Kühlung der Nacht. Nur die Sklaven gehörten nicht zu diesen, da sie gleich nach dem Verschluß des Gesindethors in ihre Wohnungen getrieben worden waren, doch auch aus ihrem Quartier ließen sich noch Stimmen vernehmen.
Paula suchte klopfenden Herzens alles, was ihren scharfen Augen und Ohren erreichbar war, zu erfassen. Der zunehmende Mond beleuchtete die eine Hälfte des Hofes, die andere lag, so weit der Schatten der Statthalterei reichte, im Dunkeln. In der Mitte des ersten Halbkreises, zu dem sich die freien Diener zusammengeschart hatten, brannte ein Feuer, das schnell wechselnde Lichter über ihre braunen Züge warf, und, wenn es mit neuen Pinienäpfeln gespeist ward, hoch aufloderte und auch den dunklen Teil des weiten Raumes vor ihr erhellte. Dies steigerte die Besorgnis der Lauschenden, die den Hof überschreiten mußte und doch nicht bemerkt werden durfte; denn so unschuldig und natürlich auch alles war, was sie vorhatte, wußte sie doch, daß ihres Oheims Gattin ihren nächtlichen Gang schmählich mißdeuten werde.
Anfänglich