Die Nilbraut. Georg Ebers
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Von den Gütern ihres Vaters hatte der Statthalter nicht ohne persönliche Opfer manches für sie gerettet, die liegenden Gründe zu ihren Gunsten verkauft, ausstehende Summen, wo es noch anging, eingetrieben und ihr Rechnung über alles Zurückerlangte ablegen wollen. Aber sie wußte das Ihre in seiner Hand wohl aufgehoben und es genügte ihr die Mitteilung, daß sie, wenn auch nicht reich im Sinne des ägyptischen Krösus, so doch im Besitz eines ansehnlichen Vermögens sei. Als sie einmal und noch einmal einen Teil desselben forderte, um die Nachforschungen fortzusetzen, ließ der Mukaukas ihr das Verlangte sofort auszahlen; beim drittenmal weigerte er sich dagegen in guter Absicht mit aller Festigkeit, ihr den Willen zu thun. Er nannte sich dabei ihren Kyrios. Der beratende Freund der Frau, welcher sie auch vor Gericht zu vertreten hatte. In seiner Begleitung stand das Weib im damaligen Aegypten vor dem Gesetze dem Manne gleich. und natürlichen Vormund und erklärte es für seine Pflicht, sie zu verhindern, einem Hirngespinnst zu gefallen; denn das sei dies vergebliche Forschen schon lange geworden, sich um ein Vermögen zu bringen, das ihr einmal willkommen, ja vielleicht nötig sein werde. Das bisher Verausgabte habe er aus seiner Kasse ersetzt.
Dies empfand sie als eine edle That, aber sie drang doch wieder und wieder in ihn, ihr den Willen zu lassen, doch schon lange vergebens; denn mit aller Entschiedenheit legte er Hand auf das ihm anvertraute Gut und bewilligte ihr für das einzige, teuerste Ziel ihres Lebens keinen Solidus mehr.
Sie fügte sich scheinbar, aber ihr Vorsatz, alles aufzubieten, um die Spur des Verschollenen aufzufinden, kam in ihrer festen Seele doch nicht ins Wanken.
Für den Erlös einer Perlenschnur, die sie besessen, hatte ihr treuer Hiram eine weite Fahrt unternommen und darauf eine Reihe von Boten nach verschiedenen Ländern entsandt. Jetzt konnte wenigstens einer recht wohl mit neuen Nachrichten heimgekehrt sein, und sie mußte den Freigelassenen sprechen.
Aber wie ungesehen zu ihm gelangen? Minutenlang spähte und horchte sie nach einem günstigen Augenblick, um über den Hof zu kommen.
Da fiel ein Lichtstrahl — auf ein Antlitz. Es war das des Hiram.
Jetzt lachte der muntere Halbkreis wie mit einer Stimme laut auf, und sie faßte einen raschen Entschluß, zog das Kopftuch fester zusammen, durchkreuzte schnell den beschatteten Teil des Hofes und eilte dann in gebückter Haltung durch den Mondschein dem Sklavenquartier entgegen.
Am Eingang desselben blieb sie atemlos und mit klopfendem Herzen stehen. Hatte man sie bemerkt? Nein! Kein Ruf erscholl, kein Schritt nahte, die Hunde kannten sie alle; die Wächter, welche sonst hier aufgestellt waren, hatten ihren Posten verlassen und saßen am Feuer bei den Genossen.
Das lange Haus ihr zur Linken war die Weberei, und im oberen Stockwerk desselben wohnte Perpetua, ihre Amme.
Auch hier galt es Vorsicht üben; denn die Statthaltersgattin kam oft gerade hieher, erteilte den Arbeiterinnen Aufträge und sah zu und beurteilte, wie und was auf den hundert Stühlen, die von früh bis spät in Bewegung standen, hergestellt wurde. Bemerkte man sie hier, so konnten die Weberinnen ihren nächtlichen Besuch nur zu leicht verraten.
Sie waren noch nicht zur Ruhe gegangen; denn aus den großen, auf allen Seiten offenen, nur mit einem Dache versehenen Schuppen, wo die Bottiche der Färber standen, scholl ihr wiederum lautes Gelächter entgegen. Auch dieser Teil des Gesindes genoß nach dem glühenden Tage die Kühlung der Nacht; auch die Mädchen hatten ein Feuer entzündet.
Paula mußte an ihnen durch den Mondschein vorüber, aber dazu war der Augenblick noch nicht gekommen, und sie schmiegte sich an das Strohzelt, welches die großen thönernen Wasserkrüge bedeckte, die hier zur Tränkung der Sklavinnen ausgestellt waren. Es warf einen dunklen, dreieckigen Schlagschatten auf den staubigen, im Mondlicht leuchtenden Boden, und dieser entzog sie den Blicken der Weberinnen; sie aber hörte und sah, was in dem Schuppen vorging.
Ein schwerer, qualvoller Tag, der mit einem schrillen Mißklang für sie geendet, lag hinter ihr, und hinter diesem eine Reihe seliger, neues Glück verheißender Stunden, denen eine lange Zeit der Demütigung als Gefolge des schmerzlichsten Unglücks vorangegangen war.
Wie froh und sonnig war ihre Kindheit, wie köstlich ihre erste Jugend gewesen! Es hatte Jahre für sie gegeben, in denen sie jeden Morgen zu neuer Freude erwacht, in denen sie jeden Abend mit Dankgebeten zur Ruhe gegangen war, die ihr so frei und notwendig der Seele entquollen, wie den Rosen der Duft. Wie so oft hatte sie damals ungläubig und verdrossen das schöne Köpfchen geschüttelt, wenn das Leben ein Jammerthal und das Menschenlos ein beklagenswertes genannt worden war. Jetzt — jetzt wußte sie es besser, und in vielen einsamen Stunden, in jeder schlaflosen Nacht fragte sie sich, ob das ein guter, väterlich liebender Gott sein könne, der ein Kind geboren werden und heranwachsen ließ, es mit jeder Hoffnung erfüllte, um ihm dann alles, was ihm lieb und wünschenswert war, ja selbst die Hoffnung zu rauben.
Aber die fromm erzogene Unglückliche betete und glaubte noch immer; und es hatte ja jüngst den Anschein gehabt, als wolle ihr der Himmel das gewähren, wonach ihr warmes Herz am meisten bangte: die Liebe eines geliebten, liebenswerten Menschen. Und nun, und nun?
Da stand sie in der trostlosen Empfindung der ödesten Herzensleere und wenn sie vor Orions Heimkehr elend gewesen, jetzt war sie es noch mehr; denn aus der Vereinsamten war sie nun auch eine Betrogene geworden, sie, die Tochter des Thomas, die Verwandte, der Gast des reichsten Hauses im Lande; und neben ihr erklang in dem roh gezimmerten, fleckigen Färberschuppen, aus der Brust armseliger, der Peitsche des Vogtes verfallener Sklavendirnen, ein so lautes, lebens- und jugendfrohes Gelächter, daß sie hinhören und den Blick auf diejenigen heften mußte, denen eine so überquellende Fülle von Uebermut und Frohsinn beschert war.
Unter dem mit Palmzweigen bedeckten, weiten Raum der Färberei waren viele Mädchen vereint, hübsche und häßliche, braune und weiße, kleine und große, gerade und von der schweren, früh begonnenen Arbeit im Webstuhle gekrümmte, aber alle jung, keine älter als achtzehn Jahre. Die Sklaven waren ein Kapital, die Zinsen, die es trug, ihre Arbeit, und ihre Kinder. Jedes unfreie Mädchen wurde bald, nachdem es erwachsen, mit einem Sklaven vermählt. In der Weberei waren Mädchen und Frauen thätig, aber die letzteren schliefen im eigenen Quartier bei Mann und Kindern, die ledigen Arbeiterinnen dagegen übernachteten in Schlafsälen, die sich an die Werkstätten schlossen.
Jetzt genossen sie des Feierabends und hatten sich in zwei Gruppen geteilt. Die einen sahen einem ägyptischen Mädchen zu, das allerlei auf eine Tafel kritzelte, die anderen belustigten sich mit einem harmlosen Spiel. Dies bestand darin, daß jede Dirne den Schuh über den Kopf hinweg schleuderte. Flog er über einen Kreidestrich, dem die Werfende den Rücken zukehrte, so bekam sie bald den Geliebten zum Mann, blieb er zwischen ihr und der gezogenen Grenze liegen, ohne sie zu erreichen, so hatte sie sich noch zu gedulden oder wurde mit einem Schicksalsgenossen verbunden, den sie nicht mochte.
Die kritzelnde Dirne, um die sich wohl zwanzig Mädchen scharten, hatte Muster für die Weberei abzuzeichnen und besaß das schon ihren heidnischen Ahnherren eigene Geschick, jedes Antlitz in der Seitenansicht und mit wenigen Strichen so darzustellen, daß es, wie sehr es auch komisch verzerrt ward, leicht erkennbar erschien. Dies Kunststück verrichtete sie mit Hilfe eines Wachstäfelchens und eines kupfernen Stiftes, und für die anderen galt es zu erraten, wen sie gemeint.
Ein einziges Mädchen kauerte einsam an dem hintersten Pfosten des Schuppens und blickte stumm in den Schoß.
Paula