Die Nilbraut. Georg Ebers

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Die Nilbraut - Georg  Ebers

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Vogel und griff mit den Händen nach ihm; doch sein Fuß war wie in den Boden gewachsen, und je mehr er sich anstrengte, sich frei zu bewegen, desto kräftiger ward er zurückgehalten. Wie ein Unsinniger kämpfte er gegen die ihn fesselnde Gewalt, und plötzlich ließ sie ihn frei. Er fühlte es noch, aber zu gleicher Zeit wachte er auf und öffnete schweißtriefend die Augen. Neben seinem Lager stand seine Mutter, die ihm die Hände auf die Füße gelegt hatte, um ihn zu wecken.

      Sie sah bleich und besorgt aus und bat ihn, ihr schnell zum Vater zu folgen, der schwer beunruhigt sei und mit ihm zu reden wünsche. Darauf verließ sie ihn hastig.

      Während er sich eilig die Locken ordnete und die Schuhe anschnüren ließ, verdroß es ihn, daß er, noch ganz eingenommen von dem thörichten Traum und verschlafen, wie er gewesen, die Mutter hatte gehen lassen, ohne sich über die Umstände zu vergewissern, welche die Besorgnis des Vaters wach gerufen hatten. Ob sie sich auf die Vorgänge der vergangenen Nacht bezog? Aber nein. Hätte man ihn verdächtigt, dann würde die Mutter ihn jedenfalls benachrichtigt und gewarnt haben. Es mußte sich um etwas anderes handeln! Vielleicht war der stattliche Karawanenführer des alten Kaufmanns seiner Wunde erlegen, und sein Vater wollte ihn über den Nil zu dem arabischen Regenten des Nilthals senden, um seine Vergebung für den in der Statthalterei verübten Mord eines Muslims zu erwirken. Dieser Totschlag konnte in der That schlimme Folgen nach sich ziehen, indessen handelte es sich vielleicht um ganz andere Dinge.

      Nachdem sein Zimmer hinter ihm lag, belastete ihn eigentümlich die Schwüle, welche über dem Hause brütete, schwer, und es erfaßte ihn ein peinliches, der Scham nahe verwandtes Gefühl, als er das Viridarium durchschritt und einen Blick auf den Rasen warf, in dem er vor Anbruch des Tages, dank der übel gemeinten Warnung der Damascenerin, jede seiner Fußspuren sorglich verwischt hatte. Wie feig, wie gemein das alles war! Das höchste Gut: die Ehre, die Selbstachtung, das stolze Bewußtsein, ein braver Gesell zu sein, aufs Spiel gesetzt, eingebüßt für ein Nichts! Er hätte sich ins Gesicht schlagen oder laut aufweinen mögen wie ein Kind, das sein schönstes Spielzeug zerbrochen. Aber was half das alles? Das Geschehene war nicht zu ändern, und es galt jetzt, die Augen offen halten, um, wie tief er auch vor sich selbst gesunken war, wenigstens in den Augen der anderen das zu bleiben, was er gewesen.

      In dem von Bauwerken umschlossenen offenen Raum war es glühend heiß, kein Mensch ließ sich sehen, das Haus war wie ausgestorben, die bunten Fahnenstöcke und Spaliere, sowie die zu Ehre seiner Heimkehr neu gefärbten Säulen an den Veranden, die noch immer mit Gewinden und Kränzen geschmückt waren, verbreiteten den ihm widrigen Geruch von schmelzendem Lack, trocknendem Firnis und verwelkten Blumen. Obgleich kein Windhauch sich regte, zitterte die Luft, und es schien, als werde dies durch die glühenden Sonnenstrahlen verursacht, welche wie Pfeile an alles, was ihnen entgegenstand, prallten. Die Schmetterlinge und Libellen über den Pflanzen und Blüten schienen Orion die Schwingen langsamer zu regen, der Springbrunnen im Mittelstück des Viridariums träger und niedriger aufwärts zu streben als sonst; alles rings um ihn her war heiß, schwül, beklemmend, und der einst selbstbewußte, auf Händen getragene junge Mann, der seit Jahren, von allen guten Geistern beschützt und von keiner Schranke gehemmt, durchs Leben gestürmt war, fühlte sich behindert, beengt, beängstigt.

      In dem kühleren Brunnengemach seines Vaters atmete er auf, aber nur für einen Augenblick; dann wich ihm das Blut aus den Wangen, und er mußte sich mühsam zusammenraffen, um dem Vater ruhig und in gewohnter Weise den Morgengruß zu bieten; denn da lag vor dem Diwan, auf dem der Statthalter wie gewöhnlich ruhte, der persische Teppich, und neben ihm standen seine Mutter und der arabische Kaufherr. Der Hausverwalter Sebek harrte im Hintergrunde in demütiger, seinen alternden Rücken marternder Stellung der Befehle seines Gebieters, der ihn sonst niemals lange in dieser Stellung beließ. Orion bemerkte es und winkte ihm zu, sich aufzurichten.

      Ueber des Arabers milde Züge breitete sich heute tiefer Ernst, und schwere Bekümmernis sprach aus seinen freundlichen Augen. Beim Eintritt des Jünglings, den er schon in der Frühe gesprochen, verneigte er sich flüchtig.

      Der Statthalter, welcher erdfahl und mit weißen Lippen dalag, öffnete die Augen nur leicht bei des Sohnes Begrüßung. Es war, als stünde in der Nebenstube ein Sarg, und als hätten sich hier Leidtragende zusammengefunden.

      Orion bemerkte an dem nur halb ausgelegten Teppich sogleich die Stelle, an der das Hauptstück desselben, der große Smaragd, fehlte, welcher — er allein konnte es wissen — sich auf dem Wege nach Konstantinopel befand. Sein Diebstahl war bemerkt worden. Wie furchtbar, wie verhängnisvoll konnte sich nun dies alles gestalten! »Mut, Mut! Nur die Geistesgegenwart nicht verloren!« rief er sich selbst zu. »Was soll mir ein Leben mit verlorener Ehre? Die Augen offen, alles darangesetzt, Orion!«

      Und es gelang ihm, sich schnell zu sammeln, und in einem Tone, der sich nur wenig von seiner sonstigen lebhaften Frische unterschied, rief er:

      »Wie ihr alle ausseht und dreinschaut! Es ist ja ein großes Unglück, daß der Hund dem armen Mädchen so übel mitgespielt hat und daß sich unsere Leute so schmählich betragen; aber ich sagte Dir ja schon vorhin, würdiger Herr: es geht den Uebelthätern an Hals und Kragen. Der Vater überläßt es Dir gewiß, sie nach Gutdünken zu strafen, und außerdem ist unser Arzt Philippus trotz seiner Jugend ein zweiter Hippokrates, glaub’ mir’s! Er flickt den prächtigen Kerl, Dein Karawanenhaupt mein’ ich, schon wieder zusammen, und wenn es sich um Schadenersatz handelt, so wird sich der Vater... Du weißt ja, daß er nicht knausert...«

      »Ich bitte Dich, zu dem Unrecht, das mir in diesem Hause widerfuhr, nicht noch Beleidigungen zu fügen,« unterbrach ihn der Kaufmann. »Es gibt keine Summe, mit der man mir den Zorn über das vergossene Blut eines Freundes — denn das ist mir Rustem — eines freien, wackeren Burschen abkaufen könnte. Auf die Züchtigung der Thäter werde ich dringen; denn Blut fordert Blut. So denken wir, und wenn eure Lehre auch das Gegenteil gebietet, so handelt ihr, so viel ich weiß, doch keineswegs anders. Eurem Arzt alle Ehre, aber es thut mir weh und erregt mir die Galle, wenn ich solche Dinge im Hause des Mannes vorgehen sehe, dem der Chalif das Wohl und Weh der ägyptischen Christen anvertraut hat. Eure gepriesene Milde hat einen braven, wenn auch schlichten Menschen im tiefsten Frieden getötet, oder doch wahrscheinlich auf immer unglücklich gemacht. Was die Redlichkeit angeht, so scheint sie...«

      »Wer wagt es, sie anzutasten?« rief Orion.

      »Derjenige, junger Herr,« versetzte der Kaufmann mit der Ruhe des reifen Mannes, »welcher die Ware, die er gestern Abend verkaufte, heute ihres wertvollsten Schmucks beraubt sieht.«

      »Man hat den großen Smaragd bei Nacht aus dem Teppich gerissen,« fiel Frau Neforis erklärend ein. »Du begleitetest gestern Abend die Leute, welche ihn forttrugen, und ließest ihn unter Deinen Augen ins Tablinum legen.«

      »In dem Tuche, worin Deine eigenen Leute den Teppich gewickelt,« rief Orion. »Der alte, brave Sebek dort war mit dabei. Wer hat den Ballen heut früh von seinem Platz entfernt, ihn hieher gebracht und auseinander gebreitet?«

      »Zu unserem Glücke,« entgegnete der Kaufherr, »Deine Frau Mutter in eigener Person, dieser Mann da — euer Hausverwalter, wenn ich nicht irre — und eure eigenen Sklaven.«

      »Warum ließ man ihn nicht, wo er war?« fragte Orion, indem er dem Unwillen, welcher ihn in diesem Augenblick wirklich beherrschte, freien Lauf ließ.

      »Weil ich,« versetzte der Araber, »Deinem Vater mit gutem Grunde versicherte, daß die Schönheit dieses edlen Werkes und der Glanz der Steine, welche es schmücken, sich bei Tage und im Sonnenlichte ganz anders würdigen ließen als beim Schein der Lampen und Lichter.«

      »Da wünschte der Vater seinen neuen Besitz wiederzusehen,« unterbrach ihn Neforis, »und den Verkäufer zu fragen, wie man die Juwelen am besten aus dem Teppich lösen könne, ohne das Gewebe selbst zu zerstören. Daraufhin bin ich mit Sebek in das Tablinum gegangen.«

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