Die Nilbraut. Georg Ebers

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Die Nilbraut - Georg  Ebers

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mit diesem Manne, dessen äußere Erscheinung wahrlich nichts Anziehendes für ein junges Mädchen darbot. — Aber der Arzt eines vornehmen Hauses war da, um seine Mitglieder gesund zu erhalten oder um sie zu heilen, und für diese schickte es sich nicht, mit ihm wie mit einem Gleichgestellten vertrauliche Gespräche zu führen. Philippus gegenüber warf sie Paula, deren Stolz sie oft tadelte, unziemliche Herablassung vor, am meisten aber verdroß sie, daß die Damascenerin manche halbe Stunde für sich in Anspruch nahm, welche Philippus sonst ihrem Gatten, auf den und auf dessen Befinden sie alles bezog, gewidmet haben würde.

      Der Araber hatte seine Widersacherin von gestern sogleich erkannt, und nachdem die freundlichste Verständigung schnell zwischen ihnen erfolgt war, und Paula eingestanden hatte, wie thöricht es von ihr gewesen sei, einen einzelnen wohlgesinnten Mann für die Vergehen eines ganzen Volkes verantwortlich zu machen, und Haschim entgegnet hatte, daß ein billig denkendes Herz immer das Rechte finde, führte sie das Gespräch auch auf ihren Vater, und der Arzt teilte dem Araber mit, daß sie immer noch nicht müde werden wolle, den Verschollenen zu suchen.

      »Das ist vielmehr die einzige Aufgabe meines Lebens!« rief die Jungfrau.

      »Mit Unrecht, denk’ ich,« bemerkte der Arzt; doch der Kaufherr widersprach ihm; denn es gebe Dinge, die zu kostbar wären, um sie je verloren zu geben, auch wenn die Hoffnung, sie wiederzufinden, schwank und dünn werde wie ein zerfressener Strohhalm.

      »So empfind’ auch ich!« rief Paula; »und wie kannst Du, Philipp, mir widersprechen? Hab’ ich doch aus Deinem eigenen Munde gehört, daß Du Deinen Kranken gegenüber die Hoffnung nicht aufgibst, bis ihr der Tod ein Ende bereitet! Ich halte fest an der meinen, jetzt mehr denn je, und fühle, daß es so recht ist. Meinen letzten Gedanken, meinen letzten Sesterz setz’ ich daran, den Vater zu finden, auch ohne den Oheim und seine Frau, und trotz ihres Einspruches.«

      »Aber eine Jungfrau kann bei dergleichen die Hilfe eines Mannes nur schwer entbehren,« erwiderte der Kaufherr. »Ich komme viel in der Welt herum, rede mit manchem Fremden aus fernen Landen, und willst Du mir die Ehre erweisen, so ernenne mich zu Deinem Gehilfen, gestatte mir, beim Suchen nach dem edlen Verlorenen Dein Bundesgenosse zu sein!«

      »Dank, innigen Dank!« rief Paula und faßte mit freudiger Wärme die Hand des Muslim. »Behalte meinen Verlorenen, wohin Du auch ziehst, im Gedächtnis; ich bin ein armes, verlassenes Mädchen, aber wenn Du ihn findest...«

      »So wirst Du wissen, daß es auch unter den Muslimen Männer gibt...«

      »Die gern Barmherzigkeit üben und schutzlosen Frauen freundlich helfen,« unterbrach ihn Paula.

      »Und, wenn der Höchste es fügt, mit gutem Erfolg,« versetzte der Araber. »Sobald ich eine Spur finde, sollst Du von mir hören, jetzt aber muß ich über den Strom zu dem Feldherrn Amr; ich gehe getrost; denn ich weiß meinen armen, braven Rustem in guten Händen, Freund Philipp! Schon in Fostat soll die erste Nachforschung beginnen, verlaß Dich darauf, meine Tochter!«

      »Ich thu’ es,« versetzte Paula freudig bewegt; »wann sehen wir uns wieder?«

      »Morgen, spätestens übermorgen in der Frühe.«

      Da näherte sich ihm das Mädchen und flüsterte ihm zu:

      »Wir haben jetzt eine Spur entdeckt, Herr; ja, ich hoffe, daß der Bote schon unterwegs ist. Hast Du noch Zeit, mich zu hören?«

      »Ich müßte eigentlich schon längst jenseits der Stromes sein; heute also nicht, aber hoffentlich morgen.« Dabei reichte der Araber ihr und dem Arzt die Hand und entfernte sich schnell.

      Paula blieb gedankenvoll stehen; dann kam ihr in den Sinn, daß sich der verfolgte Hiram am andern Ufer des Flusses im Bereich der arabischen Macht befinde und daß der Kaufherr vielleicht für ihn eintreten könne, wenn sie ihm alles, was sie wußte, mitteilen würde. Ein großes Vertrauen zu dem Alten, dessen gütiger, teilnehmender Blick ihr noch immer vor Augen schwebte, erfüllte sie, und ohne des Arztes weiter zu achten, eilte sie auf die Thür des ersten Krankenzimmers zu. Neben derselben hing ein Kruzifix, und die Nonne hatte sich davor auf die Kniee geworfen, um für den ungläubigen Kranken zu beten und den guten Hirten anzuflehen, sich auch des Schafes, welches nicht zu seiner Herde gehörte, zu erbarmen.

      Paula wagte es nicht, die Betende zu unterbrechen, welche vor dem schmalen Ausgange kniete, und so vergingen mehrere Minuten, bis der Arzt ihre große Unruhe bemerkte, den Saal verließ, die Schulter der Nonne berührte und ihr leise und mit herzlich freundlicher Bitte zurief:

      »Einen Augenblick, liebe Schwester! Dein frommes Gebet wird immer gehört, aber diese Jungfrau hat Eile.«

      Die Nonne erhob sich sogleich, trat zurück und sah Paula mit einem unwilligen Blicke nach, als sie schnell hinaus und die Treppe hinunter eilte.

      Vor der in den Hof führenden Pforte suchte ihr Auge den Araber, aber vergeblich. Dann fragte sie einen Sklaven und erfuhr, daß des Kaufherrn Roß lange vor der Pforte gewartet habe, daß er aber eben durch das Thor gesprengt und wohl schon auf der Schiffbrücke sei, welche Memphis mit der Insel Roda und diese mit dem Fort Babylon und dem neu entstehenden Fostat verband.

      Elftes Kapitel.

      Bekümmert und aufgebracht über sich selbst stieg Paula wieder die Treppe hinan. War es die Hitze des Tages, die sie erschlaffte und sie der Geistesgegenwart beraubte, die ihr zu Gebote stand. Sie begriff jetzt selbst nicht, warum sie die Gelegenheit, bei Haschim für den treuen Diener einzutreten, nicht sogleich wahrgenommen. Vielleicht hätte der Kaufherr sich Hirams annehmen können.

      Der Sklave an der Pforte hatte ihr gesagt, daß man seiner noch nicht habhaft geworden sei; die Zeit, für ihn einzutreten, war also noch nicht gekommen; aber sie wollte es thun, wollte den Groll der Verwandten auf sich nehmen und, mußte es sein, alles verraten, was sie in der Nacht gesehen, um den treuen Menschen zu retten. Das war ihre Pflicht; doch bevor sie es that, bevor sie Orion so tief herabsetzte, wollte sie ihn warnen. Der Gedanke, ihn solcher ruchlosen That zeihen zu müssen, schmerzte sie wie die Notwendigkeit, sich selbst ein Leid anzuthun. Sie haßte ihn, aber sie hätte lieber das schönste Kunstwerk zerschlagen, als ihn gebrandmarkt, ihn, dessen Bild noch immer prächtig und herzgewinnend ihre Seele beherrschte.

      Statt Maria beim Frühstück aufzusuchen oder sich wie sonst dem ermatteten Oheim beim Brettspiel als Partnerin anzubieten, begab sie sich wieder in das Krankenzimmer.

      Frau Neforis oder Orion zu begegnen wäre ihr jetzt peinlich, ja widerwärtig gewesen. So müde und niedergedrückt hatte sie sich lange nicht gefühlt. Vielleicht bot ihr ein Gespräch mit dem Arzte einige Erfrischung. Nach den mannigfaltigen Erregungen der letzten Stunden verlangte sie nach etwas, was es auch sei, das sie aufzumuntern und sie auf neue Gedanken zu bringen verhieß.

      In dem ersten Krankenzimmer fragte die Nonne sie kühl nach ihrem Begehr, und wer ihr gestattet, an der Pflege teilzunehmen. Da wandte sich der Arzt, welcher eben den Verband auf dem Kopf des Masdakiten neu angefeuchtet, der Klosterfrau zu und bedeutete sie bestimmt, daß er die Jungfrau zur Gehilfin zu haben wünsche, und zwar bei der Behandlung beider Kranken.

      Darauf ging er Paula in den Saal voran und rief ihr mit gedämpfter Stimme zu:

      »Fürs erste wäre alles in Ordnung. Setzen wir uns hier ein wenig!«

      Da nahm sie auf dem Diwan, er auf einem Sessel, der ihr gegenüber stand, Platz, und Philippus hub an: »Du hast vorhin den schönen Orion gesucht, jetzt aber mußt Du...«

      »Was?« fragte sie ernst. »Und daß Du es wissest: der Sohn dieses Hauses steht mir nicht näher als seine

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