Einheimische Fische; Die Süßwasserfische unsrer Heimat. Floericke Kurt

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      Einheimische Fische; Die Süßwasserfische unsrer Heimat

      Einheimische Fische

      »Ach, wüßtest du, wie's Fischlein ist

      So wohlig auf dem Grund,

      Du stiegst herunter wie du bist

      Und würdest erst gesund!«

      Ob Altmeister Goethe, der ja bekanntlich auch einen recht tiefen Einblick in das weite Reich der Natur getan hat, recht hat, wenn er in einem seiner formvollendetsten Gedichte, in dem fast italienischen Wohlklang atmenden »Fischer«, von dem Wohligsein der Fische spricht und den Menschen sie darum beneiden läßt? Der Naturforscher wird entschieden antworten, daß hier die Phantasie mit dem Dichter durchgegangen sei. Die Natur ist ja durchaus nicht die allgütige und allsorgende Mutter, als die eine sentimentale Weltauffassung sie hinzustellen beliebt, sondern vielmehr eine recht rauhe Erzieherin, die eine gar strenge und nachsichtslose, oft geradezu zu raffinierter Grausamkeit gesteigerte Auslese unter ihren »Kindern« hält, der das Schicksal des Individuums gleichgültig ist, wenn sich nur Aussicht bietet, den Bestand der Art zu erhalten. Und wenn aus diesen Gründen schon auf dem Festlande ein rücksichtsloser Kampf aller gegen alle tobt, so herrscht ein solcher in tausendfach vergrößerter und verbitterter Form im scheinbar so friedlichen Wasser, und besonders unter dessen höchst entwickelten Bewohnern, den Fischen, unter denen ja ausschließliche Pflanzenfresser eine Seltenheit sind, während grimmige Räuber in Unzahl das feuchte Element bevölkern. Das ganze Dasein der »wohligen« Fische ist ein fast ununterbrochenes Hetzen und Jagen, Verfolgen und Verfolgtwerden, alles dreht sich bei ihnen ums Fressen oder Gefressenwerden, solange nicht für mehr oder minder kurze Zeit der allmächtige Fortpflanzungsinstinkt alles andere in den Hintergrund drängt, die sonst Unersättlichen zu wochen- und monatelangem Fasten verurteilt und ganze Millionenheere zu weiten Wanderungen veranlaßt, die in der rücksichtslosen, fast brutalen Art ihrer Ausführung etwas geradezu Fanatisches und Hypnotisierendes an sich haben. Da also der Kampf ums Dasein in den Gewässern noch unerbittlicher tobt als auf dem Festlande, wird es ohne weiteres begreiflich erscheinen, wenn die einzelnen Arten ihm nach dieser oder jener Richtung hin in weitgehender Weise angepaßt wurden, und wir werden ja im folgenden verschiedentlich Gelegenheit haben, solche Anpassungserscheinungen und ihre tiefgehende Bedeutung und Wirksamkeit für die Biologie der Fische kennen zu lernen.

      Selbst dem Laien, der öfters vor einem Aquarium gestanden hat, wird bald auffallen, daß er die Fische eigentlich jedesmal und zu jeder Tages- oder Nachtzeit in mehr oder minder lebhafter Bewegung, jedenfalls fast nie ganz ohne solche vorfindet. Bei einigem Nachdenken muß er sich schließlich ganz von selbst fragen, ob denn diese unermüdlichen Tiere eigentlich überhaupt nicht schlafen. Diese Frage ist keineswegs so naiv, wie sie auf den ersten Anblick erscheinen mag, denn bis in die neueste Zeit hinein haben auch angesehene Fachgelehrte der Meinung zugeneigt, daß die Fische tatsächlich überhaupt keines Schlafes bedürfen. Daß diese Anschauung so lange Zeit hindurch sich behaupten konnte, wird erklärlicher, wenn wir bedenken, daß das Hauptzeichen echten Schlafes, das geschlossene Auge, bei der Mehrzahl der Fische in Wegfall kommt, indem sie keine Augenlider haben. Das sonst so bewegliche Fischauge bleibt aber im Schlafe starr und ruhig, ohne jedoch seine Funktion völlig auszusetzen. Und das ist auch nötig, denn da das Gehör bei der großen Mehrzahl der Fische fast völlig versagt, muß das offene Auge ihren Schlaf behüten, wohingegen bei dem schlafenden Menschen das Gehör nicht gänzlich außer Funktion tritt und ihm eine herannahende Gefahr oft noch rechtzeitig genug verrät. Doch gibt es auch Fische, die Augenlider haben, wie z. B. die Haie und Rochen, und diese schließen im Schlafe auch das Auge fast völlig, während sich gleichzeitig die Pupille ganz wie bei uns Menschen verengt. Nur die ungemein schwierige Beobachtung solcher großen Meeresfische ist schuld daran, daß diese Tatsache so lange übersehen wurde, die man erst neuerdings an dem kleinen Katzenhai, der zu den gewöhnlichen Bewohnern der Schauaquarien gehört, festgestellt hat. Wir müssen übrigens zweierlei Arten von Schlaf bei den Fischen unterscheiden, nämlich einerseits den lethargischen Erstarrungszustand, in den gewisse Fische während der Winterkälte oder Sommerdürre für längere Zeit verfallen, der also ganz dem Winter- oder Sommerschlaf gewisser Säuger, Kriechtiere und Lurche entspricht, und andrerseits den eigentlichen Nacht-, bezüglich Tagesschlaf. Der erstere ist ja schon seit längerer Zeit bekannt. Wir wissen, daß alle Fische, die bekanntlich zu den Kaltblütern gehören, nur innerhalb bestimmter Temperaturgrenzen zu existieren und nur bei einem gewissen Temperaturoptimum ihre volle Lebenstätigkeit zu entfalten vermögen. Freilich sind diese Temperaturzonen bei den einzelnen Arten außerordentlich verschieden, was ja nicht weiter Wunder nehmen kann, wenn wir bedenken, daß manche Fische zwischen den Eisschollen der Nordmeere sich tummeln, andere dagegen in den lauwarmen Wassern der tropischen Riesenströme oder gar in heißen Quellen wohnen, die wie diejenigen von Aix eine Wärme von 45 Grad Celsius aufweisen. Wenn auch die widerstandsfähigeren Fische sich im Aquarium allmählich an eine nicht unbeträchtlich kältere oder auch wärmere Temperatur gewöhnen lassen, als sie im Freileben gewohnt sind, so weiß doch jeder Aquarienbesitzer, wie überraschend empfindlich seine Pfleglinge sich gegen plötzliche Temperaturschwankungen selbst geringfügiger Art zu zeigen pflegen. So erklärt sich auch die merkwürdige Tatsache, daß Aquarienfische sich sehr leicht erkälten, obwohl sie doch im Wasser selbst leben, und vereinzelte Ausnahmefälle, wo Tropenfische bei einer Temperatur von nur wenigen Graden völlig erstarrten und schon für tot gehalten wurden, dann aber beim Erwärmen zu neuem Leben erwachten, bestätigen nur die Regel. In freier Natur dagegen dürften Erkältungserscheinungen bei Fischen nur äußerst selten vorkommen, da ja die natürlichen Gewässer sich nur ganz langsam erwärmen oder abkühlen. Wird aber dabei eine gewisse Grenze überschritten, so erleidet die aktive Lebenstätigkeit der Fische eine immer weiter gehende Herabminderung, die schließlich in unserem Klima zur Erscheinung des lethargischen Winterschlafes führt. Unsere Weißfische und Karpfen z. B. fallen in einen solchen bei einer Wassertemperatur von + 4-6°C, nachdem sie sich vorher scharenweise im Schlamm eingewühlt und sich hier oft so dicht aneinander gedrängt haben, wie Pökelheringe in einer vollgepfropften Tonne. Während dieses Winterschlafes wird ganz wie bei Hamstern oder Fledermäusen die Tätigkeit des Herzens und sonstiger Muskeln, sowie die der Atmungs- und Ausscheidungsorgane auf ein Minimum herabgesetzt (bei Weißfischen z. B. sinkt nach Haempel die Zahl der Herzschläge von 20-30 auf 1-2 in der Minute), und der Körper zehrt während dieser ganzen Zeit lediglich von seinem eigenen, vorher nach Möglichkeit aufgespeicherten Fett, so daß er während des Winterschlafes einen Gewichtsverlust von 5 v. H. und mehr erleidet. Die Wärme des Frühjahrs erweckt dann die schlafenden Fische zu neuem Leben, falls nicht die Temperatur zu tief unter den Gefrierpunkt gesunken war und dadurch den zeitlichen Schlaf in einen ewigen verwandelt hat. Es ist übrigens erstaunlich, was die Fische gerade in dieser Beziehung auszuhalten vermögen. So sind verbürgte Fälle bekannt, daß Karpfen bei einer Temperatur von -15 bis -20°C vollständig in einen Eisblock eingefroren waren und sich dann bei ganz allmählichem und genügend vorsichtigem Auftauen doch völlig erholten. Während viele unserer Fische, wie der Hecht, auch während der rauhen Jahreszeit in Tätigkeit bleiben, bietet andrerseits unsre Fischwelt sogar manches bemerkenswerte Gegenstück zu dem Sommerschlaf der Tropenfische, der bei den in wissenschaftlicher Hinsicht so bemerkenswerten Lungenfischen seine höchste Vollendung erreicht und den Zweck verfolgt, beim Austrocknen der Wohngewässer die sommerliche Dürre ohne Schaden überdauern zu können. So erzählt Antipa aus dem Donaugebiete, daß er den Schlammpeitzker wiederholt in durchaus lebensfähigem Zustande tief im Schlamm vergraben angetroffen habe, während seine Wohntümpel so scharf ausgetrocknet waren, daß man mit beladenen Wagen darüber hinwegfahren konnte. Das wird erklärlich, wenn wir an die später noch näher zu besprechende Darmatmung dieses merkwürdigen Fisches denken.

      Viel weniger zahlreich sind aus dem schon erwähnten Grunde sichere Beobachtungen über den eigentlichen Schlaf der Fische, aber sie mehren sich in neuerer Zeit auffallend, so daß wir wohl annehmen dürfen, daß die Mehrzahl der Fische der süßen Wohltat des Schlafes nicht zu entbehren braucht, was ja auch physiologisch kaum denkbar wäre. Doch scheint soviel festzustehen, daß das Schlafbedürfnis der Fische ein ungleich geringeres ist, als das der übrigen Wirbeltiere und daß es sich noch am ehesten bei drückender Hitze und sauerstoffarmem Wasser geltend macht, bei den einzelnen Arten sehr verschieden stark ausgeprägt ist und auch individuelle Abweichungen nicht vermissen läßt. Insbesondere

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