Ein Parcerie-Vertrag. Gerstäcker Friedrich

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Ein Parcerie-Vertrag - Gerstäcker Friedrich

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      Ein Parcerie-Vertrag / Erzählung zur Warnung und Belehrung für Auswanderer und ihre Freunde

      Vorwort

      Ich habe versucht dem Leser in der nachstehenden Erzählung eine, wenn auch peinliche, doch treue Schilderung einer Familie zu geben, die sich verleiten ließ auf einen sogenannten Parcerie-1 Vertrag hin ihr Vaterland zu verlassen und ihr Glück in einem fernen Welttheil zu suchen.

      Das Land ist Brasilien, denn gerade mit den Pflanzern des heißen und nördlichen Theils von Brasilien sind solche Verträge abgeschlossen worden, weil sich die freiwillige Auswanderung nicht jenen, für den Europäer ungesunden Distrikten zuwandte. Der Hauptstrom der süd-amerikanischen Auswanderung ging nach dem Süden von Brasilien, wohin die Regierung selber deutsche Auswanderer wünschte und sie in vielen Stücken begünstigte. Dort befanden sich die Colonisten wohl und schrieben nach Deutschland zurück, wie gut es ihnen ging.

      Diese Briefe wurden häufig von gewissenlosen Agenten benutzt um arme unwissende Menschen in Deutschland, die keine Mittel besaßen ihre Passage zu bezahlen, zu täuschen, denn man versprach ihnen ja sie nach Brasilien zu schaffen und von der ungeheueren Größe des Landes, und den verschiedenen Klimaten und Bodenverhältnissen hatten die Unglücklichen, mit ihren mangelhaften geographischen Kenntnissen keine Ahnung.

      Sie sahen dann zu spät ein daß sie betrogen waren, aber eben so wie sie sich außer dem Schutz der deutschen Regierungen befanden – denn unser Consulats-Wesen lag entsetzlich im Argen und liegt noch darin, wenn nicht die Norddeutsche Bundesregierung eine gründliche Änderung desselben vornimmt – ebenso konnte auch die brasilianische Regierung nur in solchen Fällen einschreiten, wo ihr Beweise gebracht wurden, daß die Pflanzer ihre Arbeiter wirklich betrogen. Wie schwer das aber in einem so ungeheueren Reiche und in den abgelegenen Provinzen war, läßt sich denken.

      Vor diesen und vielen ähnlichen Contracten möchte ich nun den Auswanderer nicht allein warnen, sondern auch ihm sowohl, wie Allen solchen die sich für fortziehende Familien interessiren oder von ihnen um Rath gefragt werden, ein deutliches Bild vor Augen rücken, wie es, leider in den meisten Fällen, mit derartigen Verträgen steht.

      Ich gebe zu daß manche derselben ehrlich gemeint sind und ehrlich gehalten wurden, und dadurch dem unbemittelten Auswanderer Vortheile boten, die er auf eine andere Art nur schwer erreicht hätte. Aber nirgends ist ihm dafür eine Gewähr gegeben. Von dem Augenblick an wo er das fremde Land betritt, ja läßt er sich besonders mit englischen und vorzüglich belgischen Agenten ein, von der Stunde an wo er die heimische Grenze überschreitet, bleibt er der Willkür fremder Menschen preisgegeben, und zwar ohne Hülfe, ohne Schutz.

      Wer einmal auswandern will mag es thun, aber er soll sich vorher, um seiner selbst und seiner Familie willen, nicht durch ein Blatt Papier Hände und Füße binden lassen. Ein freier Mann findet überall in der Fremde sein Brod, ein durch einen Contract gebundener ist dagegen der Sclave seines Herrn und wer ihm hier in Deutschland vorredet, die Sache wäre gar nicht so schlimm – sein ärgster Feind.

      In solchen Fällen aber, wo ein armer deutscher Familienvater gar keine Mittel in Händen hat, um ein fremdes Land zu erreichen und er doch sein Elend hier vor Augen sieht, ohne im Stand zu sein sich herauszuarbeiten, wo es ihm also wie eine Hülfe in der Noth erscheint wenn er in ein fremdes Land auf fremde Kosten übersiedeln kann, da gehe er nicht etwa unter jeder Bedingung, denn er hat sich die für ihn und die Seinen nachher vielleicht furchtbaren Folgen sonst selber zuzuschreiben, sondern beobachte die folgenden Regeln.

      Vor allen Dingen verlasse er sich nie und unter keinen Umständen allein auf das Wort eines Auswanderungs-Agenten.

      Alle diese Leute die eine Auswanderungs-Agentur errichten, sind mit nur sehr wenigen Ausnahmen, heruntergekommene Kaufleute oder sonst Menschen die ein solches Geschäft als letzten Erwerbszweig ergriffen haben, und fast ohne Ausnahme nicht das Geringste von fremden Welttheilen wissen oder verstehen.

      Sie bleiben dabei einzig und allein auf den Gewinn des Kopfgeldes angewiesen, das sie für Alle solche bekommen, die durch sie befördert werden. Wohin! bleibt sich bei ihnen gleich, wenn sie ihre »Köpfe« nur auf ein Schiff liefern, und was nachher aus den Unglücklichen wird, kümmert sie wenig oder gar nicht.

      Alle solche Contracte dabei, die auf Hälfte des Gewinns oder auch auf einen Antheil lauten, sind fast ohne Ausnahme betrügerischer Art, wenigstens ist der Auswanderer, der die fremde Sprache nicht versteht und dem keine Einsicht in die Bücher seines Herrn zusteht (die ihm unter solchen Umständen auch Nichts nützen würde) jedesmal demselben auf Gnade und Ungnade übergeben, und wenn er wirklich auch einmal nicht betrogen werden sollte, hält er sich doch sicher selber davon überzeugt.

      Theilcontracte sind für ihn annehmbar, wenn sie auf umgekehrten Grundsätzen beruhen, wie sie besonders in Süd-Australien von englischen Grundeigenthümern zu ihrem eigenen, aber auch dem Nutzen der deutschen Einwanderer, abgeschlossen wurden.

      Nach diesen übernahm der Auswanderer eine Strecke Land, bekam von dem Eigenthümer das nöthige Ackergeräth geliefert, und zahlte jährlich für den Acker 4 £ also etwa 27 Thlr. Pacht, wobei er jedoch nach 14 Jahren das Vorkaufsrecht auf das Land hatte.

      Bei einem solchen Contract, obgleich in Amerika und auch in Süd-Brasilien viel günstigere Bedingungen für den Einwanderer zu erlangen sind, standen sich doch beide Parteien gut und der deutsche Arbeiter blieb nicht allein sein eigener Herr, sondern sah auch selber wie er langsam vorwärts rückte.

      Es giebt aber auch Fälle hier, wo der arme Tagelöhner wirklich im alten Vaterland im größten Elend lebt, und nur Gott dankt wenn er freie Passage nach einem fremden Welttheil erhalten kann. Er ist also dann gezwungen Verbindlichkeiten einzugehn, die aber nie einen solchen Grad erreichen müssen, daß er sich, wie bei diesen schurkischen Parcerie-Verträgen, fast bedingungslos einem Agenten und dessen Helfershelfern verkauft.

      Nur zwei Bedingungen kann er annehmen; er läuft wenigstens keine unmittelbare Gefahr dabei, und wenn ihn auch beide zur Arbeit zwingen, bleibt er doch dabei sein eigener Herr, oder wird es wieder sobald er die für ihn wirklich ausgelegten Kosten bezahlt hat. Beide Arten habe ich selber in Australien, in Brasilien und in Peru ausgeführt gesehn, und bei beiden befanden sich die Einwanderer wohl.

      Die eine ist, daß ihm ein bestimmter, den Preisen des Landes in das er zieht angemessener Tagelohn bestimmt wird, für den er so lange arbeiten muß, bis er seine Reisekosten bezahlt hat – und nicht eine Stunde länger. Dann ist er wieder sein eigener Herr, hat das Land in der Zeit kennen lernen, und kann nun seinen Contract mit dem bisherigen Brotherrn machen, um sich auch ein Stück Land als Eigenthum zu erwerben. Solche Contracte sind viele nach Moreton-Bai in Australien und besonders nach Süd-Brasilien abgeschlossen worden.

      Die andere daß er das ihm überwiesene Land, wohin man ihn bringt entweder nach Jahr und Tag, wie es seine Erndten erlauben, langsam abbezahlt, oder es auch ganz vom Staat geschenkt bekommt, denn eine Regierung (und mit Privatleuten soll man sich unter keiner Bedingung einlassen; es ist wenigstens stets gefährlich) läßt ja doch nur dann Einwanderer passagefrei in ihr Land schaffen, wenn ihr daran gelegen ist dasselbe cultivirt zu bekommen. Das kleine Stück das sie ihm dann anfangs als Geschenk giebt, hat noch keinen Werth für sie – aber die Nachbardistrikte werden werthvoll sobald sich fleißige Colonisten in der Nähe niederlassen, denn nicht sie allein brauchen später mehr Land und müssen es von der Regierung kaufen, sondern sie ziehen auch Landsleute und andere Ansiedler dorthin und eröffnen damit in bis dahin unbewohnten Distrikten Handel und Verkehr.

      Aber selbst unter den anscheinend günstigen Umständen bleibt für den Auswanderer große Vorsicht nöthig, ehe er einen so wichtigen Schritt thut und sein Vaterland, mit Allem was er eigen nennt, verläßt.

      Er soll sich auch um Gottes Willen nicht zu rasch dazu entschließen und besonders nie vorher einem Agenten sein Gepäck übergeben bis

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Das Wort Parcerie, was eigentlich in den brasilianischen Verträgen Parçarie heißen sollte, nach dem portugiesischen Wort parçaria, ein Antheil, eine gemeinschaftliche Gesellschaft – bedeutet eine Art von Contract nach welchem sich hiesige Arbeiter gewöhnlich verpflichten, nach unentgeltlicher Überfahrt in einen fremden Welttheil, so lange für ihren neuen Herrn zu arbeiten, bis sie die, durch ihren Transport angewachsenen Kosten abverdient haben. Sie bekommen aber dafür keinen bestimmten Tagelohn, sondern sind auf einen Antheil am Gewinn beschränkt, der in den betrügerischen Contracten gewöhnlich so hingestellt ist, daß der Arbeiter glauben soll, er bekomme die Hälfte vom Gewinn des Ganzen, während es aber doch nur meint daß er die Hälfte dessen bekommen soll was er etwa verdient. Aber selbst das ist eingebildet, denn er verdient eben Nichts wenn sein Herr beweisen kann daß er selber keinen Nutzen in einem Jahr gehabt hat und in tausend Fällen sind deshalb schon diese Verträge von gewissenlosen Pflanzern gemißbraucht worden.