Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich страница 6
Die Spannung am Lande hatte ihren Höhepunct erreicht, als beide Schooner, etwa Mittags um 12 Uhr, draußen vor dem Eingange des Canals, neben einander ankerten, und gleich darauf ein kleines Boot in See gelassen wurde – was man mit bloßen Augen deutlich erkennen konnte – in das einige Mann hineinstiegen und dann dem Lande zuruderten. Hinten im Heck des Bootes stand ein Offizier, und als er näher kam, hob er eine kleine weiße Fahne empor – es war richtig ein Parlamentairboot, und da die Leute recht gut wußten, daß sie von den paar Mann keinen Ueberfall zu fürchten hatten, drängten sie mehr und mehr der Landung zu, um dort gleich an Ort und Stelle das Schlimmste zu erfahren.
Selbst der Postmeister, der aber seinen Leuten streng anbefahl, auf ihren Posten zu bleiben, den sie bis auf den letzten Mann vertheidigen wollten, näherte sich der Stelle, um bei dem Kriegsrath zugezogen zu werden.
Still und schweigend ruderte indeß das Boot heran, und die vier Leute an den Riemen – ruppig genug aussehende Burschen, wenn sie wirklich zu einem Kriegsschiff gehörten – warfen bei ihrer Arbeit etwas scheu den Kopf zurück nach den Leuten am Strande, und schienen keineswegs eines ganz freundlichen Empfanges gewiß zu sein.
Vollkommene Ruhe bewahrte indeß der Offizier selber, der, als das Boot den Sand scheuerte, von seinem Sitze aufstand und die weiße Fahne emporhob. Da aber gerade Ebbe war, lag das Boot, wenn auch schon festgefahren, noch immer wohl zehn oder zwölf Schritte von dem seichten Strande ab, und Einer der Leute sprang ohne Weiteres hinaus und in's Wasser, um ihn auf seinen Schultern auf trockenen Boden zu tragen, denn er hatte Stiefeln an, die er nicht naß machen durfte.
Der Offizier nahm das auch an, und zwar als eine Sache, die sich von selbst verstand, wenn es ihm auch in der Würde seiner Stellung und europäischen Augen gegenüber vielleicht Eintrag gethan hätte, so huckepack und nichts weniger als graziös, an's Land geritten zu kommen. Hier aber war man etwas Aehnliches schon so gewöhnt, daß Niemand nur eine Miene deshalb verzog und der Alkalde, in etwas steifer und gezwungener Haltung ihm entgegentrat, um zu erfragen, was er wünsche und was die Schiffe da draußen beabsichtigten.
Der Offizier grüßte freundlich, ohne sich dann aber bei weiteren Höflichkeiten aufzuhalten, sagte er ruhig:
»Señores, ich komme hierher im Namen meines Capitäns und Admirals, des ehrenwerthen Don Juan Salcantra, um Sie aufzufordern, Sr. Excellenz, dem geliebten und tapferen Präsidenten Mosquera, den Huldigungseid zu leisten und zu schwören, daß Sie diesen Platz gegen alle Feinde Sr. Excellenz vertheidigen und ihm überhaupt treue Unterthanen sein wollen.«
Todtenstille folgte dieser Aufforderung, und selbst der Alkalde war in Verlegenheit, was er darauf erwidern solle. Mit der Schlauheit und Geschmeidigkeit der ganzen spanischen Race ließ er aber doch nicht lange auf eine Antwort warten und erwiderte freundlich:
»Señor, wir sind ruhige und friedliebende Bürger auf Tomaco, die mit treuer Anhänglichkeit an ihrer Regierung hängen und erst vor ein paar Tagen erfahren haben, daß eine Revolution im Lande ausgebrochen sei. Daß der neue Präsident in Panama Mosquera heißt, wußten wir noch gar nicht, und wenn Sie uns von dort den schriftlichen Befehl zu dem eben Verlangten bringen, sind wir mit Vergnügen bereit, Ihrem Wunsche zu willfahren.«
»Die Regierung in Panama,« sagte nun der Offizier finster, »ist gestürzt – General Mosquera regiert jetzt allein im Lande, und deshalb haben die verschiedenen Hafenplätze auch von ihm allein Befehle entgegen zu nehmen, die er aber nie schriftlich, sondern nur mündlich giebt.«
»Bitte um Entschuldigung, Señor,« nahm der Postmeister das Wort. »Die Regierung von Panama ist nicht gestürzt, wenigstens nicht, daß Sie etwas davon wissen könnten, denn der englische Dampfer, der direct von Panama kam, hat erst nach Ihnen Buenaventura verlassen, und uns noch Depeschen unserer Regierung mitgebracht.«
»Señor,« erwiderte der Offizier kalt, »die Regierung von Panama ist im ganzen Lande gestürzt, und in Panama eingeschlossen, Sie können dieselbe also nicht mehr Regierung nennen. Aber ich bin nicht hier, um mich mit Ihnen in einen Wortstreit einzulassen. Meine Aufforderung an Sie ergeht nur dahin, ob Sie sich den rechtmäßigen Behörden unterwerfen wollen, wo nicht, werden wir mit unseren Schiffen Ihren Gehorsam zu erzwingen wissen, und die Folgen – haben Sie sich dann selber zuzuschreiben. – Ich bitte um Antwort.«
»Und die soll Ihnen werden,« rief der enragirte Postmeister, ehe der Alkalde selber das Wort ergreifen konnte. – »Kommen Sie nur so nahe, daß wir Sie mit unseren Kanonen erreichen können, so wollen wir Ihnen eine Antwort hinüberschicken, daß Ihnen die Köpfe brummen.«
»Ist das Ihr letztes Wort?« frug der Offizier finster.
Der Alkalde wollte etwas erwidern, aber die Umstehenden, denen die kecke Rede ihres Postmeisters imponirte, brachen in ein donnerndes Hurrah aus, und die Leute im Boote griffen erschreckt nach ihren Rudern, weil sie sich nicht sicher fühlten, daß die übermüthigen Burschen am Ende über sie herfallen könnten. – Was wußten sie von Völkerrecht oder Parlamentairflagge!
Der Offizier mochte etwas Aehnliches fürchten, denn er trat dicht zum Rand des Wassers zurück und sah sich nach seinen Leuten um. Dadurch gewannen die Bewohner von Tomaco nur neuen Muth. Der Alkalde wollte etwas sprechen, aber er kam nicht zu Worte – wieder gaben die Hurrahschreier eine volle Salve, und der Offizier, mit gänzlicher Mißachtung seiner blanken Stiefeln und trockenen Beinkleider, trat in das Seewasser hinein, war mit wenigen Schritten bei seinem Boote, schwang sich hinein, und während sich die Ruderer mit aller Macht in die Riemen legten, glitt die etwas plumpe Jolle wieder in tiefes Wasser zurück und dem Schiffe zu.
Viertes Capitel.
Die Einnahme von Tomaco
Draußen in See hatte indeß die Mannschaft mit großer Spannung dem Erfolg des Parlamentairs entgegengesehen, denn dieser gab ja die Entscheidung, ob sie die vor ihnen liegende Insel ruhig besetzen oder sie erst nach einem vielleicht harten und blutigen Kampfe erobern sollten.
Und eine wunderliche Mannschaft war es in der That, welche die Decks der kleinen Fahrzeuge füllte. Besonders der Schooner, eigentlich das stärkere Schiff von den beiden, zeichnete sich darin aus, denn zusammengeleseneres Volk ließ sich kaum auf der Welt denken. Nicht ein Mann sah aus wie der andere oder hatte auch nur das geringste Seemännische in seinem Wesen. Schmutzig, abgerissen, nicht einmal in ihrer Hautfarbe gleich, die vom tiefen Schwarz des Negers bis zu der braunen Haut des Halbindianers alle verschiedenen Schattirungen zeigte, räkelten sie sich und lagen über Deck, und die drei oder vier Europäer dazwischen schienen einer ganz anderen Welt anzugehören.
Besonders der Steuermann, ein Engländer, und wie alle englischen Seeleute sauber und adrett gekleidet, sah mit unbeschreiblicher Verachtung auf den Troß hinab, als er jetzt oben auf dem Quarterdeck, sein Telescop in der Hand, die Befehle des Capitäns, eines Neu-Granadiensers, erwartete.
Aber die Schiffe wenigstens paßten zu der Mannschaft, denn wenn man ihnen von außen auch erst kürzlich einen frischen Ueberzug von Oelfarbe gegeben hatte, so konnte das doch den Augen eines Kundigen die alten Schäden nicht verbergen, die sich nicht übertünchen ließen. Selbst der Hauptmast war geflickt und die Segel schienen nur aus einzelnen Lappen zusammengesetzt zu sein – die meisten Taue bestanden aus zusammengedrehter roher Haut und aus dem Deck