Aphorismen zur Lebensweisheit. Артур Шопенгауэр

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Aphorismen zur Lebensweisheit - Артур Шопенгауэр

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ganz außer den Bereich der Langenweile. Andrerseits nun aber hat die gesteigerte Intelligenz eine erhöhte Sensibilität zur unmittelbaren Bedingung, und größere Heftigkeit des Willens, also der Leidenschaftlichkeit, zur Wurzel: aus ihrem Verein mit diesen erwächst nun eine viel größere Stärke aller Affekte und eine gesteigerte Empfindlichkeit gegen die geistigen und selbst gegen körperliche Schmerzen, sogar größere Ungeduld bei allen Hindernissen oder auch nur Störungen; welches alles zu erhöhen die aus der Stärke der Phantasie entspringende Lebhaftigkeit sämtlicher Vorstellungen, also auch der widerwärtigen, mächtig beiträgt. Das Gesagte gilt nun verhältnismäßig von allen den Zwischenstufen, welche den weiten Raum vom stumpfesten Dummkopf bis zum größten Genie ausfüllen. Demzufolge steht jeder, wie objektiv, so auch subjektiv, der einen Quelle der Leiden des menschlichen Lebens um so näher, als er von der andern entfernter ist. Dem entsprechend wird sein natürlicher Hang ihn anleiten, in dieser Hinsicht das Objektive dem Subjektiven möglichst anzupassen, also gegen die Quelle der Leiden, für welche er die größere Empfänglichkeit hat, die größere Vorkehr zu treffen. Der geistreiche Mensch wird vor allem nach Schmerzlosigkeit, Ungehudeltsein, Ruhe und Muße streben, folglich ein stilles, bescheidenes, aber möglichst unangefochtenes Leben suchen und demgemäß, nach einiger Bekanntschaft mit den sogenannten Menschen, die Zurückgezogenheit und, bei großem Geiste, sogar die Einsamkeit wählen. Denn je mehr einer an sich selber hat, desto weniger bedarf er von außen und desto weniger können auch die übrigen ihm sein. Darum führt die Eminenz des Geistes zur Ungeselligkeit. Ja, wenn die Qualität der Gesellschaft sich durch die Quantität ersetzen ließe; da wäre es der Mühe wert, sogar in der großen Welt zu leben: aber leider geben hundert Narren, auf einem Haufen, noch keinen gescheuten Mann. – Der vom andern Extrem wird, sobald die Not ihn zu Atem kommen läßt, Kurzweil und Gesellschaft, um jeden Preis suchen und mit allem leicht vorlieb nehmen, nichts so sehr fliehend wie sich selbst. Denn in der Einsamkeit, als wo jeder auf sich selbst zurückgewiesen ist, da zeigt sich, was er an sich selber hat: da seufzt der Tropf im Purpur unter der unabwälzbaren Last seiner armseligen Individualität; während der Hochbegabte die ödeste Umgebung mit seinen Gedanken bevölkert und belebt. Daher ist sehr wahr, was Seneka sagt: omnes stultitia laborat fastidio sui (ep. 9); wie auch Jesus Sirachs Ausspruch: »des Narren Leben ist ärger denn der Tod.« Demgemäß wird man, im ganzen, finden, daß jeder in dem Maße gesellig ist, wie er geistig arm und überhaupt gemein ist. Denn man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit. Die geselligsten aller Menschen sollen die Neger sein, wie sie eben auch intellektuell entschieden zurückstehn: nach Berichten aus Nord-Amerika, in Französischen Zeitungen (le Commerce, Octbr. 19, 1837), sperren die Schwarzen, Freie und Sklaven durcheinander, in großer Anzahl, sich in den engsten Raum zusammen, weil sie ihr schwarzes Stumpfnasengesicht nicht oft genug wiederholt erblicken können.

      Dem entsprechend, daß das Gehirn als der Parasit oder Pensionär des ganzen Organismus auftritt, ist die errungene freie Muße eines jeden, indem sie ihm den freien Genuß seines Bewußtseins und seiner Individualität gibt, die Frucht und der Ertrag seines gesamten Daseins, welches im übrigen nur Mühe und Arbeit ist. Was nun aber wirft die freie Muße der meisten Menschen ab? Langeweile, und Dumpfheit, so oft nicht sinnliche Genüsse oder Albernheiten da sind, sie auszufüllen. Wie völlig wertlos sie ist, zeigt die Art, wie sie solche zubringen: sie ist eben das ozio lungo d'uomini ignoranti des Ariosto. Die gewöhnlichen Leute sind bloß darauf bedacht, die Zeit zuzubringen; wer irgend ein Talent hat, – sie zu benutzen. – Daß die beschränkten Köpfe der Langeweile so sehr ausgesetzt sind, kommt daher, daß ihr Intellekt durchaus nichts weiter, als das Medium der Motive für ihren Willen ist. Sind nun vor der Hand keine Motive aufzufassen da; so ruht der Wille und feiert der Intellekt; dieser, weil er so wenig wie jener auf eigene Hand in Tätigkeit gerät: das Resultat ist schreckliche Stagnation aller Kräfte im ganzen Menschen, – Langeweile. Dieser zu begegnen, schiebt man nun dem Willen kleine, bloß einstweilige und beliebig angenommene Motive vor, ihn zu erregen und dadurch auch den Intellekt, der sie aufzufassen hat, in Tätigkeit zu versetzen: diese verhalten sich demnach zu den wirklichen und natürlichen Motiven wie Papiergeld zu Silber; da ihre Geltung eine willkürlich angenommene ist. Solche Motive nun sind die Spiele, mit Karten usw., welche zu besagtem Zweck erfunden worden sind. Fehlt es daran, so hilft der beschränkte Mensch sich durch Klappern oder Trommeln, mit allem, was er in die Hand kriegt. Auch die Zigarre ist ihm ein willkommenes Surrogat der Gedanken. – Daher also ist, in allen Ländern, die Hauptbeschäftigung aller Gesellschaft das Kartenspiel geworden: es ist der Maßstab des Wertes derselben und der deklarierte Bankrott an allen Gedanken. Weil sie nämlich keine Gedanken auszutauschen haben, tauschen sie Karten aus und suchen einander Gulden abzunehmen. O, klägliches Geschlecht! Und indessen auch hier nicht ungerecht zu sein, will ich den Gedanken nicht unterdrücken, daß man zur Entschuldigung des Kartenspiels allenfalls anführen könnte, es sei eine Vorübung zum Welt- und Geschäftsleben, sofern man dadurch lernt, die vom Zufall unabänderlich gegebenen Umstände (Karten) klug zu benutzen, um daraus was immer angeht zu machen, zu welchem Zwecke man sich denn auch gewöhnt, Contenance zu halten, indem man zum schlechten Spiel eine heitere Miene aufsetzt. Aber eben deshalb hat andererseits das Kartenspiel einen demoralisierenden Einfluß. Der Geist des Spiels nämlich ist, daß man auf alle Weise, durch jeden Streich und jeden Schlich, dem andern das Seinige abgewinne. Aber die Gewohnheit, im Spiel so zu verfahren, wurzelt ein, greift über in das praktische Leben, und man kommt allmälig dahin, in den Angelegenheiten des Mein und Dein es ebenso zu machen und jeden Vorteil, den man eben in der Hand hält, für erlaubt zu halten, sobald man nur es gesetzlich darf. Belege hiezu gibt ja das bürgerliche Leben täglich. – Weil also, wie gesagt, die freie Muße die Blüte, oder vielmehr die Frucht des Daseins eines jeden ist, indem nur sie ihn in den Besitz seines eigenen Selbst einsetzt, so sind die glücklich zu preisen, welche dann auch etwas Rechtes an sich selber erhalten; während den Allermeisten die freie Muße nichts abwirft, als einen Kerl, mit dem nichts anzufangen ist, der sich schrecklich langweilt, sich selber zur Last. Demnach freuen wir uns, »ihr lieben Brüder, daß wir nicht sind der Magd Kinder, sondern der Freien.« (Gal. 4, 31.)

      Ferner, wie das Land am glücklichsten ist, welches weniger oder keiner Einfuhr bedarf; so auch der Mensch, der an seinem innern Reichtum genug hat und zu seiner Unterhaltung wenig oder nichts von außen nötig hat; da dergleichen Zufuhr viel kostet, abhängig macht, Gefahr bringt, Verdruß verursacht und am Ende doch nur ein schlechter Ersatz ist für die Erzeugnisse des eigenen Bodens. Denn von andern, von außen überhaupt, darf man in keiner Hinsicht viel erwarten. Was einer dem andern sein kann, hat seine sehr engen Grenzen: am Ende bleibt doch jeder allein, und da kommt es darauf an, wer jetzt allein sei. Auch hier gilt demnach was Goethe (Dicht. u. Wahrh. Bd. 3, S. 474) im allgemeinen ausgesprochen hat, daß, in allen Dingen, jeder zuletzt auf sich selbst zurückgewiesen wird, oder, wie Oliver Goldsmith sagt:

      Still to ourselves in ev'ry place consign'd,

      Our own felicity we make or find.

(The Traveller v. 431 sq.)

      Das Beste und Meiste muß daher jeder sich selber sein und leisten. Je mehr nun dieses ist, und je mehr demzufolge er die Quellen seiner Genüsse in sich selbst findet, desto glücklicher wird er sein. Mit größtem Rechte also sagt Aristoteles: ἡ ευδαιμονια των αυταρκων εστι (Eth. Eud. VII, 2), zu deutsch: das Glück gehört denen, die sich selber genügen. Denn alle äußern Quellen des Glückes und Genusses sind, ihrer Natur nach, höchst unsicher, mißlich, vergänglich und dem Zufall unterworfen, dürften daher, selbst unter den günstigsten Umständen, leicht stocken; ja, dieses ist unvermeidlich, sofern sie doch nicht stets zur Hand sein können. Im Alter nun gar versiegen sie fast alle notwendig: denn da verläßt uns Liebe, Scherz, Reiselust, Pferdelust und Tauglichkeit für die Gesellschaft: sogar die Freunde und Verwandten entführt uns der Tod. Da kommt es denn, mehr als je, darauf an, was einer an sich selber habe. Denn dieses wird am längsten Stich halten. Aber auch in jedem Alter ist und bleibt es die echte und allein ausdauernde Quelle des Glücks. Ist doch in der Welt überall nicht viel zu holen: Not und Schmerz erfüllen sie, und auf die, welche diesen entronnen sind, lauert in allen Winkeln die Langeweile. Zudem hat in der Regel die Schlechtigkeit die Herrschaft darin und die Torheit das große Wort. Das Schicksal ist grausam und die Menschen sind erbärmlich. In einer so beschaffenen

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