Aphorismen zur Lebensweisheit. Артур Шопенгауэр

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Aphorismen zur Lebensweisheit - Артур Шопенгауэр

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er durchaus nicht sondern ist, auch ohne sie, völlig zufrieden; während ein anderer, der hundertmal mehr besitzt als er, sich unglücklich fühlt, weil ihm eins abgeht, darauf er Anspruch macht. Jeder hat, auch in dieser Hinsicht, einen eigenen Horizont des für ihn möglicherweise Erreichbaren: so weit wie dieser gehn seine Ansprüche. Wann irgend ein innerhalb desselben gelegenes Objekt sich ihm so darstellt, daß er auf dessen Erreichung vertrauen kann, fühlt er sich glücklich; hingegen unglücklich, wann eintretende Schwierigkeiten ihm die Aussicht darauf benehmen. Das außerhalb dieses Gesichtskreises Liegende wirkt gar nicht auf ihn. Daher beunruhigen den Armen die großen Besitztümer der Reichen nicht, und tröstet andrerseits den Reichen, bei verfehlten Absichten, das viele nicht, was er schon besitzt. (Der Reichtum gleicht dem Seewasser: je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man. – Dasselbe gilt vom Ruhm.) – Daß nach verlorenem Reichtum oder Wohlstande, sobald der erste Schmerz überstanden ist, unsre habituelle Stimmung nicht sehr verschieden von der früheren ausfällt, kommt daher, daß, nachdem das Schicksal den Faktor unsres Besitzes verkleinert hat, wir selbst nun den Faktor unsrer Ansprüche gleich sehr vermindern. Diese Operation aber ist das eigentlich Schmerzhafte, bei einem Unglücksfall: nachdem sie vollzogen ist, wird der Schmerz immer weniger, zuletzt gar nicht mehr gefühlt: die Wunde vernarbt. Umgekehrt wird, bei einem Glücksfall, der Kompressor unsrer Ansprüche hinaufgeschoben, und sie dehnen sich aus: hierin liegt die Freude. Aber auch sie dauert nicht länger, als bis diese Operation gänzlich vollzogen ist: wir gewöhnen uns an das erweiterte Maß der Ansprüche und werden gegen den demselben entsprechenden Besitz gleichgültig. Dies sagt schon die homerische Stelle, Od. XVIII, 130-137, welche schließt:

      Τοιος γαρ νοος εστιν επιχθονιων ανθρωπων,

      Ὁιον εφ’ ἡμαρ αγει πατηρ ανδρων τε θεων τε.

      Die Quelle unserer Unzufriedenheit liegt in unsern stets erneuerten Versuchen, den Faktor der Ansprüche in die Höhe zu schieben, bei der Unbeweglichkeit des andern Faktors, die es verhindert. –

      Unter einem so bedürftigen und aus Bedürfnissen bestehendem Geschlecht, wie das menschliche, ist es nicht zu verwundern, daß Reichtum mehr und aufrichtiger als alles andere geachtet, ja verehrt wird, und selbst die Macht nur als Mittel zum Reichtum; wie auch nicht, daß zum Zwecke des Erwerbs alles andere beiseite geschoben oder über den Haufen geworfen wird, z. B. die Philosophie von den Philosophieprofessoren. – Daß die Wünsche der Menschen hauptsächlich auf Geld gerichtet sind und sie dieses über alles lieben, wird ihnen oft zum Vorwurf gemacht. Jedoch ist es natürlich, wohl gar unvermeidlich, das zu lieben, was als ein unermüdlicher Proteus jeden Augenblick bereit ist, sich in den jedesmaligen Gegenstand unsrer so wandelbaren Wünsche und mannigfaltigen Bedürfnisse zu verwandeln. Jedes andere Gut nämlich kann nur einem Wunsch, einem Bedürfnis genügen: Speisen sind bloß gut für den Hungrigen, Wein für den Gesunden, Arznei für den Kranken, ein Pelz für den Winter, Weiber für die Jugend usw. Sie sind folglich alle nur αγαθα προς τι, d. h. nur relativ gut. Geld allein ist das absolut Gute: weil es nicht bloß einem Bedürfnis in concreto begegnet sondern dem Bedürfnis überhaupt, in abstracto. –

      Vorhandenes Vermögen soll man betrachten als eine Schutzmauer gegen die vielen möglichen Übel und Unfälle, nicht als eine Erlaubnis oder gar Verpflichtung, die Plaisirs der Welt heranzuschaffen. – Leute, die von Hause aus kein Vermögen haben, aber endlich in die Lage kommen, durch ihre Talente, welcher Art sie auch seien, viel zu verdienen, geraten fast immer in die Einbildung, ihr Talent sei das bleibende Kapital und der Gewinn dadurch die Zinsen. Demgemäß legen sie dann nicht das Erworbene teilweise zurück, um so ein bleibendes Kapital zusammenzubringen, sondern geben aus in dem Maße, wie sie verdienen. Danach aber werden sie meistens in Armut geraten, weil ihr Erwerb stockt oder aufhört, nachdem entweder das Talent selbst erschöpft ist, indem es vergänglicher Art war wie z. B. das zu fast allen schönen Künsten, oder auch, weil es nur unter besonderen Umständen und Konjunkturen geltend zu machen war, welche aufgehört haben. Handwerker mögen immerhin es auf die besagte Weise halten, weil die Fähigkeiten zu ihren Leistungen nicht leicht verloren gehn, auch durch die Kräfte der Gesellen ersetzt werden und weil ihre Fabrikate Gegenstände des Bedürfnisses sind, also alle Zeit Abgang finden, weshalb denn auch das Sprichwort »ein Handwerk hat einen goldenen Boden« richtig ist. Aber nicht so steht es um die Künstler und virtuosi jeder Art. Eben deshalb werden diese teuer bezahlt. Daher aber soll, was sie erwerben, ihr Kapital werden; während sie vermessener Weise es für bloße Zinsen halten und dadurch ihrem Verderben entgegengehn. – Leute hingegen, welche ererbtes Vermögen besitzen, wissen wenigstens sogleich ganz richtig, was das Kapital und was die Zinsen sind. Die meisten werden daher jenes sicher zu stellen suchen, keinesfalls es angreifen, ja womöglich wenigstens ein Achtel der Zinsen zurücklegen, künftigen Stockungen zu begegnen. Sie bleiben daher meistens im Wohlstande. – Auf Kaufleute ist diese ganze Bemerkung nicht anwendbar: denn ihnen ist das Geld selbst Mittel zum ferneren Erwerb, gleichsam Handwerksgerät; daher sie, auch wenn es ganz von ihnen selbst erworben ist, es sich durch Benutzung zu erhalten und zu vermehren suchen. Demgemäß ist in keinem Stande der Reichtum so eigentlich zu Hause wie in diesem.

      Überhaupt aber wird man, in der Regel, finden, daß diejenigen, welche schon mit der eigentlichen Not und dem Mangel handgemein gewesen sind, diese ungleich weniger fürchten und daher zur Verschwendung geneigter sind als die, welche solche nur von Hörensagen kennen. Zu den ersteren gehören alle, die durch Glücksfälle irgend einer Art oder durch besondere Talente, gleichviel welcher Gattung, ziemlich schnell aus der Armut in den Wohlstand gelangt sind: die andern hingegen sind die, welche im Wohlstande geboren und geblieben sind. Diese sind durchgängig mehr auf die Zukunft bedacht und daher ökonomischer als jene. Man könnte daraus schließen, daß die Not nicht eine so schlimme Sache wäre, wie sie, von weitem gesehn, scheint. Doch möchte der wahre Grund vielmehr dieser sein, daß dem, der in angestammtem Reichtume geboren ist, dieser als etwas Unentbehrliches erscheint, als das Element des einzig möglichen Lebens, so gut wie die Luft; daher er ihn bewacht wie sein Leben, folglich meistens ordnungsliebend, vorsichtig und sparsam ist. Dem in angestammter Armut Geborenen hingegen erscheint diese als der natürliche Zustand; der ihm danach irgendwie zugefallene Reichtum aber als etwas Überflüssiges, bloß tauglich zum Genießen und Verprassen; indem man, wann er wieder fort ist, sich so gut wie vorher ohne ihn behilft und noch eine Sorge los ist. Da geht es denn wie Shakespeare sagt:

      The adage must be verified,

      That beggars mounted run their horse to death.

      (Das Sprichwort muß bewährt werden, daß der zu Pferde gesetzte Bettler sein Tier zu Tode jagt.)

Henry VI. P. 3. A. 1.

      Dazu kommt denn freilich noch, daß solche Leute ein festes und übergroßes Zutrauen teils zum Schicksal, teils zu den eigenen Mitteln, die ihnen schon aus Not und Armut herausgeholfen haben, nicht sowohl im Kopf als im Herzen tragen und daher die Untiefen derselben nicht, wie es wohl den reich Geborenen begegnet, für bodenlos halten, sondern denken, daß man, auf den Boden stoßend, wieder in die Höhe gehoben wird. – Aus dieser menschlichen Eigentümlichkeit ist es auch zu erklären, daß Frauen, welche arme Mädchen waren, sehr oft anspruchsvoller und verschwenderischer sind als die, welche eine reiche Aussteuer zubrachten, indem meistenteils die reichen Mädchen nicht bloß Vermögen mitbringen, sondern auch mehr Eifer, ja angeerbten Trieb zur Erhaltung desselben, als arme. Wer inzwischen das Gegenteil behaupten will, findet eine Autorität für sich am Ariosto in dessen erster Satire; hingegen stimmt Dr. Johnson meiner Meinung bei: A woman of fortune being used to the handling of money, spends it judiciously: but a woman who gets the command of money for the first time upon her marriage, has such a gust in spending it, that she throws it away with great profusion. (S. Boswell, Life of Johnson, ann. 1776, aetat. 67.) Jedenfalls aber möchte ich dem, der ein armes Mädchen heiratet, raten, sie nicht das Kapital sondern eine bloße Rente erben zu lassen, besonders aber dafür zu sorgen, daß das Vermögen der Kinder nicht in ihre Hände gerät.

      Ich glaube keineswegs etwas meiner Feder Unwürdiges zu tun, indem ich hier die Sorge für Erhaltung

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