Die Räuber. Friedrich von Schiller

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Die Räuber - Friedrich von Schiller

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für ein boshaftes Pasquill auf's Menschengeschlecht halten, wenn ich's aussagen wollte – und doch, doch – oh daß ich durch die ganze Natur das Horn des Aufruhrs blasen könnte, Luft, Erde und Meer wider das Hyänen-Gezücht in's Treffen zu führen!

      Grimm. Höre doch, höre! vor Rasen hörst du ja nicht.

      Moor. Weg, weg von mir! Ist dein Name nicht Mensch? Hat dich das Weib nicht gebohren? – Aus meinen Augen du mit dem Menschengesicht! – Ich hab ihn so unaussprechlich geliebt! so liebte kein Sohn, ich hätte tausend Leben für ihn – (schäumend auf die Erde stampfend.) ha! – wer mir itzt ein Schwerdt in die Hand gäbe, dieser Otternbrut eine brennende Wunde zu versetzen! wer mir sagte: wo ich das Herz ihres Lebens erzielen, zermalmen, zernichten – Er sey mein Freund, mein Engel, mein Gott – ich will ihn anbeten!

      Roller. Eben diese Freunde wollen ja wir seyn, laß dich doch weisen!

      Schwarz. Komm mit uns in die böhmischen Wälder! Wir wollen eine Räuberbande sammeln, und du – (Moor stiert ihn an.)

      Schweizer. Du sollst unser Hauptmann seyn! du must unser Hauptmann seyn!

      Spiegelberg (wirft sich wild in einen Sessel.) Sklaven und Memmen!

      Moor. Wer blies dir das Wort ein? Höre, Kerl! (indem er Rollern hart ergreift) das hast du nicht aus deiner Menschenseele hervorgeholt! wer blies dir das Wort ein? Ja, bey dem tausendarmigen Tod! das wollen wir, das müssen wir! der Gedanke verdient Vergötterung – Räuber und Mörder! – So wahr meine Seele lebt, ich bin euer Hauptmann!

      Alle (mit lärmendem Geschrey.) Es lebe der Hauptmann!

      Spiegelberg (aufspringend, vor sich.) Bis ich ihm hinhelfe!

      Moor. Siehe, da fällts wie der Staar von meinen Augen! was für ein Thor ich war, daß ich in's Keficht zurückwollte! – Mein Geist dürstet nach Thaten, mein Athem nach Freyheit, – Mörder, Räuber! – mit diesem Wort war das Gesetz unter meine Füße gerollt – Menschen haben Menschheit vor mir verborgen, da ich an Menschheit appellirte, weg dann von mir Sympathie und menschliche Schonung! – Ich habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen lehren, daß mir jemals etwas theuer war! – Kommt, kommt! – Oh ich will mir eine fürchterliche Zerstreuung machen – es bleibt dabey, ich bin euer Hauptmann! und Glück zu dem Meister unter euch, der am wildesten sengt, am gräßlichsten mordet, denn ich sage euch, er soll königlich belohnet werden – tretet her um mich ein jeder, und schwöret mir Treu und Gehorsam zu bis in den Tod! – schwört mir das bey dieser männlichen Rechte.

      Alle (geben ihm die Hand.) Wir schwören dir Treu und Gehorsam bis in den Tod!

      Moor. Nun und bey dieser männlichen Rechte! schwör ich euch hier, treu und standhaft euer Hauptmann zu bleiben bis in den Tod! Den soll dieser Arm gleich zur Leiche machen, der jemals zagt oder zweifelt, oder zurücktritt! Ein gleiches widerfahre mir von jedem unter euch, wenn ich meinen Schwur verletze! Seyd ihr's zufrieden? (Spiegelberg läuft wüthend auf und nieder.)

      Alle (mit aufgeworfenen Hüten.) Wir sind's zufrieden.

      Moor. Nun dann, so laßt uns geh'n! Fürchtet euch nicht vor Tod und Gefahr, denn über uns waltet ein unbeugsames Fatum! Jeden ereilet endlich sein Tag, es sey auf dem weichen Kissen von Pflaum, oder im rauhen Gewühl des Gefechtes, oder auf offenem Galgen und Rad! Eins davon ist unser Schicksal!

(Sie gehen ab.)

      Spiegelberg (ihnen nachsehend, nach einer Pause.) Dein Register hat ein Loch. Du hast das Gift weggelassen. (Ab)

      Dritte Scene

Im Moorischen Schloß, Amaliens ZimmerFranz. Amalia

      Franz. Du siehst weg, Amalia? verdien ich weniger, als der, den der Vater verflucht hat?

      Amalia. Weg! – ha des liebevollen barmherzigen Vaters, der seinen Sohn Wölffen und Ungeheuern Preis gibt! daheim labt er sich mit süssem köstlichem Wein, und pflegt seiner morschen Glieder in Kissen von Eider, während sein groser herrlicher Sohn darbt – schämt euch, ihr Unmenschen! schämt euch, ihr Drachenseelen, ihr Schande der Menschheit! – seinen einzigen Sohn!

      Franz. Ich dächte, er hätt ihrer zween.

      Amalia. Ja, er verdient solche Söhne zu haben, wie du bist. Auf seinem Todbett wird er umsonst die welken Hände ausstrecken nach seinem Karl, und schaudernd zurückfahren, wenn er die eiskalte Hand seines Franzens faßt – oh es ist süß, es ist köstlich süß, von deinem Vater verflucht zu werden! Sprich Franz, liebe brüderliche Seele! was muß man thun, wenn man von ihm verflucht seyn will?

      Franz. Du schwärmst, meine Liebe, du bist zu bedauren.

      Amalia. O ich bitte dich – bedauerst du deinen Bruder? – Nein Unmensch, du hassest ihn! du hassest mich doch auch?

      Franz. Ich liebe dich wie mich selbst, Amalia.

      Amalia. Wenn du mich liebst, kannst du mir wohl eine Bitte abschlagen?

      Franz. Keine, keine! wenn sie nicht mehr ist als mein Leben.

      Amalia. O, wenn das ist! Eine Bitte, die du so leicht, so gern erfüllen wirst (stolz.) – Hasse mich! Ich müßte feuerroth werden vor Scham, wenn ich an Karln denke, und mir eben einfiel, daß du mich nicht hassest. Du versprichst mir's doch? – Itzt geh, und laß mich, ich bin so gern allein!

      Franz. Allerliebste Träumerinn! wie sehr bewundere ich dein sanftes liebevolles Herz, (ihr auf die Brust klopfend.) Hier, hier herrschte Karl wie ein Gott in seinem Tempel, Karl stand vor dir im Wachen, Karl regierte in deinen Träumen, die ganze Schöpfung schien dir nur in den einzigen zu zerfliessen, den einzigen wiederzustralen, den einzigen dir entgegen zu tönen.

      Amalia. (bewegt.) Ja wahrhaftig, ich gesteh es. Euch Barbaren zum Trutz will ich's vor aller Welt gestehen – ich lieb ihn!

      Franz. Unmenschlich, grausam! Diese Liebe so zu belohnen! Die zu vergessen —

      Amalia. (auffahrend.) Was, mich vergessen?

      Franz. Hattest du ihm nicht einen Ring an den Finger gesteckt? einen Diamantring zum Unterpfand deiner Treue! – Freylich nun, wie kann auch ein Jüngling den Reitzen einer Metze Widerstand thun? Wer wird's ihm auch verdenken, da ihm sonst nichts mehr übrig war wegzugeben, – und bezahlte sie ihn nicht mit Wucher dafür mit ihren Liebkosungen, ihren Umarmungen?

      Amalia (aufgebracht.) Meinen Ring einer Metze?

      Franz. Pfui, pfui! das ist schändlich. Wohl aber, wenn's nur das wäre! – Ein Ring, so kostbar er auch ist, ist im Grunde bey jedem Juden wieder zu haben – vielleicht mag ihm die Arbeit daran nicht gefallen haben, vielleicht hat er einen schönern dafür eingehandelt.

      Amalia. (heftig.) Aber meinen Ring – ich sage meinen Ring?

      Franz. Keinen andern, Amalia – ha! solch ein Kleinod, und an meinem Finger – und von Amalia! – von hier sollt' ihn der Tod nicht gerissen haben – nicht wahr, Amalia? nicht die Kostbarkeit des Diamants, nicht die Kunst des Gepräges – die Liebe macht seinen Werth aus – Liebstes Kind, du weinest? Wehe über den, der diese köstliche Tropfen aus so himmlischen Augen preßt – ach, und wenn du erst alles wüßtest, ihn selbst sähest, ihn unter der Gestalt sähest? —

      Amalia.

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