Pfarre und Schule. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Pfarre und Schule. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich

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keine wirkliche, ordentliche Revolution glauben; der Geist des Militairs ist noch der alte, und läßt man den Regierungen nur Zeit, daß sie sich ein wenig von ihrem ersten Schreck erholen können, so werden sie sicherlich das verlorene, oder hier und da fast muthwillig selber aufgegebene Terrain bald wieder gewinnen. Deßhalb muß ich mir also den Rücken in jedem Fall frei halten, und jetzt vor allen Dingen suchen, authentisch-officielle Berichte über den wahren Stand der Dinge in der Residenz zu erhalten. Daß den Ministern, wären sie wirklich gestürzt, Nichts daran liegen würde, einen unruhigen Kopf mehr oder weniger unter Riegel zu wissen, versteht sich wohl von selbst, sind sie aber nicht gestürzt, und war das ein bloßes, vielleicht absichtlich ausgesprengtes Gerücht, – denn die freie Presse leiht ja jetzt zu jeder Schändlichkeit bereitwillig die Hände – und hätt' ich mich dann verleiten lassen, den Gefangenen wieder frei zu geben – so könnt' ich in schöne Verlegenheit hineingerathen.«

      »Frei geben dürften Sie ihn auf keinen Fall«, meinte der geistliche Herr, der eine ganze Weile sinnend am Fenster gestanden und in die dunkle Nacht hinausgeschaut hatte, sich jetzt aber plötzlich wieder gegen den Gutsherrn wandte – »wer würde Sie dagegen tadeln können, wenn der Gefangene, durch die Hülfe irgend eines Anderen, vielleicht guten Freundes, von hier entwischte.«

      Von Gaulitz blieb vor dem Pastor stehen und sah ihn ein paar Minuten forschend und scharf in die kleinen schwarzfunkelnden Augen, schüttelte aber nach kurzem Ueberlegen mürrisch den Kopf, setzte seinen unterbrochenen Spaziergang wieder fort Und sagte:

      »Nein – nein – das geht nicht – das geht wenigstens jetzt noch nicht – erst muß ich die gewisse Bestätigung dieser Nachricht bekommen, und mit der – werde ich wohl auch Instructionen über mein künftiges Benehmen erhalten. Das alte Staatennetz ist viel zu vortrefflich und dauerhaft gewebt, als daß es so mit einem Male, und schon bei dem ersten gewaltsamen Ruck aus allen Fugen reißen sollte – eine Masche kann wohl manchmal nachgeben – doch das läßt sich restauriren – und die ausgebesserten Stellen halten nachher gerade am Besten. Ich will ohne Zögern einen zuverlässigen Boten in die Stadt zurückschicken; der kann dann recht gut vor morgen früh wieder hier sein, und nachher weiß ich, wie ich zu handeln, was ich zu thun habe, und woran ich bin.«

      »Aber der General-Superintendent.«

      »Es ist eine böse Geschichte – aber ich kann's nicht ändern – daß mir auch das alberne Volk den Menschen gerade heute Abend einbringt – das verdank' ich Niemandem, als diesem Ohrwurm, dem Poller – so lange hat der Schuft gebohrt und spionirt und wieder gebohrt, bis ich mich verlocken ließ. Ich weiß nicht, was ich jetzt darum gäbe, mit der ganzen Sache gar Nichts zu thun gehabt zu haben. Doch zum Spioniren ist er gut, und darum soll er mir auch ohne weiteres Zögern in die Stadt hinein.«

      Der Oberpostdirector schritt rasch der Thüre zu, als ein wunderlich murmelndes Geräusch sein Ohr traf, und ihn fest an die Stelle bannte – auch der Pastor hob erschreckt den Kopf, trat zum Fenster und öffnete schnell den Flügel.

      Draußen wogte und tobte eine wilde, stürmende Menschenschaar in das noch offen stehende Thor des Rittergutes herein, junge Bauerburschen und Handarbeiter aus dem Dorfe, und an der Spitze des Zuges wer anders als Doctor Levi, das gesinnungstüchtige Nordlicht der Freiheit mit bis obenhin zugeknöpftem Rocke und fest und entschlossen in die Stirn gedrücktem Hut.

      »Hurrah – Freiheit – Freiheit oder'n Dot – 'raus mit'n Gefangenen – Postdirecter 'raus – Hurrah – Republik soll leben – hoch!!! – Hurrah – Postdirecter abdanken – freien Schnaps – hurrah – alle eine Metze Erdbirn' und zwee Pfund Fleesch – hurrah den Gefangenen 'raus!« Das waren die wildverworrenen Schreie und Ausrufungen, die von dem Menschenhaufen zu den am Fenster Stehenden heraufdrangen. In demselben Augenblicke glitt aber auch schon die bleiche, zum Tode entsetzte Gestalt des jungen Poller in's Zimmer und rief, fast athemlos vor innerer Angst und Aufregung:

      »Sie kommen, Herr Oberpostdirector, sie kommen – sie wollen ihn wiederholen – das ganze Dorf ist unten, und sie haben geschworen, sie wollen das Schloß in Brand stecken, wenn sie'n nicht gleich mitkriegen.«

      »Unsinn!« sagte Herr von Gaulitz, dem es, was auch seine sonstigen Eigenschaften sein mochten, keineswegs an persönlichem Muth gebrach – »Du bist eine Memme, daß Du gleich beim ersten Lärmschuß das Hasenpanier ergreifst – wer ist unten?«

      »Das ganze Dorf!« rief der Erschrockene.

      »Sind auch die Eisenbahnarbeiter vom Sellsberge dabei?«

      »Es kriwwelt und wimmelt von lauter Gesindel.«

      »Das ist ja gar nicht möglich,« sagte der Pastor, »Christoph hat die Nachricht vor kaum einer Stunde mitgebracht und auf die hin ist sicherlich erst die ganze Aufregung entstanden.«

      »Herr Oberpostdirector!« rief in diesem Augenblicke der alte Poller, der ohne Weiteres das Zimmer aufriß und herein prallte – »Sie wollen mit dem Herrn Oberpostdirector sprechen – die ganze Gemeinde ist da.«

      »Ist denn das ganze Haus verrückt geworden?« sagte der Herr von Gaulitz, dem Alten rasch und zornig entgegen gehend – »was ist das für eine Manier, zu mir in's Zimmer zu kommen – weiß er nicht besser, was sich schickt?«

      »Bitt' um Verzeihung, Ew. Gnaden – aber – das Volk – der Schrecken – Besorgniß um Ew. –« stotterte der Alte.

      »Wer ist noch draußen auf dem Vorsaale?« unterbrach ihn der Gutsherr rasch und heftig.

      »Fritz – der Jäger,« lautete die Antwort.

      »Er soll hereinkommen – schnell!«

      Wenige Secunden später stand Fritz auf der Schwelle und sein monotones

      »Zu Befehl Ew. Gnaden« – machte den jetzt wieder hastig im Zimmer auf- und abgehenden erst auf den Gerufenen aufmerksam. Er wandte sich nach ihm um und frug:

      »Wie steht's draußen, Fritz? – Was sind das für Schaaren, die da lärmend und schreiend auf mein Gut ziehen – was wollen sie?«

      »Sie scheinen's selber nicht so recht zu wissen,« lachte der junge Jäger – »der Doctor führt sie an und eigentlich wollen sie, glaube ich, den Gefangenen befreien, die wirklichen Bauern aus dem Dorfe sind's aber nicht – eine Parthie junge Bursche meistens und Neugierige, sie wählen unten gerade eine Deputation, um sie herauf zu schicken.«

      »Ah gut – laß sie kommen,« sagte der Herr von Gaulitz rasch – »geh' hinunter Fritz, und führe sie herauf zu mir – Du bist doch wenigstens noch vernünftig, und weißt was Du sprichst, das Volk hier scheint aber das Bißchen Verstand vollendes verloren zu haben – hinaus mit Euch – halt da, Du, Karl – Du wartest draußen, ich habe noch einen Auftrag für Dich.«

      Die beiden Poller glitten, zwischen Furcht vor ihrem Herrn und den aufgebrachten Volkshaufen draußen schwankend (denn die Bewohner von Horneck haßten sie, wie sie recht gut wußten, gründlich) aus dem Zimmer. Fritz aber führte gleich darauf den Doctor Levi mit zwei anderen »Vertrauensmännern«, dem Schneider aus dem Dorfe und dem Böttcher, in's Zimmer, und Levi hielt denn auch, mit seiner ganzen liebenswürdigen Bescheidenheit und ohne weitere Vorrede eine Ansprache an den Rittergutsbesitzer, in der er diesen darauf aufmerksam machte, wie die Tyrannei gestürzt und ihre Helfershelfer der Spreu gleich in alle Winde »zerstiebt« wären, wie das souveraine Volk jetzt eine Weile selber regieren wolle und ihn, den Reactionair auffordere, den Vorkämpfer der Freiheit, den schändlich und heimtückisch gefangenen Wahlert, augenblicklich wieder in Freiheit zu setzen. Sie – die Deputation – wären einstimmig vom Volke erwählt, das unten auf Antwort harre, und den »Bayonetten« zum Trotz seine Foderung mit seinem Heldenblute unterstützen wolle – er rechne auf unbedingte Unterwerfung.

      Der

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