Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Alfred Wegener

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Die Entstehung der Kontinente und Ozeane - Alfred Wegener

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und pazifische Laven solche Unterschiede zeigen. Aber wir sind jedenfalls wohl berechtigt, die beiden von Suess bezeichneten Klassen von Gesteinen auf die Herkunft von verschiedenen Schichten der Erde zu beziehen und diese Schichten mit der Lithosphäre und der Barysphäre zu identifizieren.

      Es ist von größter Bedeutung, die spezifischen Gewichte von Gneis und Basalt zu vergleichen. Für ersteren fanden Whitmann, Cross und Gilbert im Mittel aus zwölf Proben 2,615. Andere Messungen geben Werte zwischen 2,5 und 2,7. Da alle Proben der Oberfläche entstammen, das spezifische Gewicht aber wohl überall mit der Tiefe wächst, darf man als Mittel für die ganze Scholle vielleicht 2,8 annehmen. Simische Gesteine, wie Basalt, Diabas, Melaphyr, Gabbro, Olivinfels, Andesit, Porphyrit, Diorit und andere, haben ein spezifisches Gewicht von etwa 3,0, nur selten bis 3,3. Da dies Material wohl meist etwa von der Unterseite der Kontinentalschollen stammt, darf man für die höher gelegenen Simaschichten unter den Ozeanen wohl ein etwas geringeres Gewicht, vielleicht 2,9, annehmen45. Wir können diese spezifischen Gewichte mit der Eintauchtiefe der Kontinentalschollen vergleichen und auf diese Weise eine wenn auch nicht sehr scharfe Kontrolle für unsere Vorstellungen gewinnen. Da die Gewichte der kontinentalen und der ozeanischen Massensäulen, bis zur Unterseite der Kontinentalschollen hinab gemessen, gleich sein müssen, so erhalten wir für die Mächtigkeit M der letzteren, wie Fig. 5 zeigt, die folgende Gleichung, in welcher a, b, c die spezifischen Gewichte des Sials, des Simas und des Seewassers bezeichnen:

M a = (M – 4,8) + 4,7 c

      oder

      Das spezifische Gewicht des Seewassers ist c = 1,03; setzt man a = 2,8, b = 2,9, so ergibt sich für die Schollenmächtigkeit der, wie wir gleich sehen werden, ganz plausible Wert 91 km. Es ist klar, daß dieser Wert sich sehr stark ändert, wenn die doch sehr unsicheren Ausgangswerte nur um ein weniges geändert werden, so daß man ihn durchaus nicht für zuverlässig halten darf. Er kann nur so viel zeigen, daß sich die spezifischen Gewichte mit den übrigen Vorstellungen in Einklang bringen lassen.

      Um die Dicke der Kontinentalschollen zu bestimmen, gibt es genauere Methoden. Hayford hat aus den Lotabweichungen an mehreren hundert Stationen in den Vereinigten Staaten die sogenannte „Tiefe der Ausgleichsfläche“ (nämlich des Druckes), welche identisch mit der unteren Fläche der Kontinentalschollen ist, berechnet und sie zu 114 km gefunden. Und fast die gleiche Zahl, nämlich 120 km, fand Helmert aus Schweremessungen (Pendel) an 51 Küstenstationen. Die gute Übereinstimmung beider auf so verschiedenem Wege gewonnener Zahlen gibt ihnen natürlich eine erhöhte Sicherheit, darf aber nicht dazu verleiten, den Kontinentalschollen etwa überall dieselbe Mächtigkeit zuzuschreiben. Das würde sich schon mit der Isostasie nicht vertragen. Bei Schelfen muß die Mächtigkeit viel geringer, bei Hochländern, wie Tibet, viel größer veranschlagt werden, so daß etwa 50 bis 200 km als Grenzen anzunehmen sind.

      Man sollte erwarten, daß auch die Erdbebenforschung imstande sein müsse, die Dicke der Kontinentalschollen durch die Reflexionen zu bestimmen, welche die Erdbebenstrahlen an inneren Schichtgrenzen der Erde erfahren. Man ist aber hier noch nicht zu ganz eindeutigen Resultaten gekommen. Aus Eigenschwingungen der Lithosphäre schloß Wiechert auf eine Dicke derselben von weniger als 100 km, ein Wert, den Benndorf für zu klein hält. Mohorovičič findet aus Reflexionen eine Schichtgrenze bei 50 km Tiefe. Die Herdtiefe der Erdbeben lag in den bisher gemessenen Fällen zwischen 1,5 und 170 km, was andeutet, daß letzterer Wert etwa die Maximalgrenze der Schollendicke darstellt. Es ist nicht unmöglich, daß bei künftiger Unterscheidung zwischen sialischen Kontinentalschollen und simischem Meeresboden auch hier eine bessere Übereinstimmung erzielt wird. Es ist aber vielleicht auch denkbar, daß das Material der Kontinentalschollen an ihrem Unterrande bereits so wenig von dem darunter liegenden verschieden ist, daß der Charakter der Schichtgrenze hier beinahe verwischt ist.

      Um die im vorangehenden besprochenen Verhältnisse zu veranschaulichen, ist in Fig. 6 ein Querschnitt der Erde auf einem größten Kreise durch Südamerika und Afrika in getreuen Größenverhältnissen gegeben. Gebirge, Kontinente und ozeanische Vertiefungen bilden so geringfügige Unebenheiten, daß sie sich innerhalb der Kreislinie abspielen, welche in der Figur die Erdoberfläche bezeichnet. Der hauptsächlich aus Nickel und Eisen bestehende Kern der Erde trägt nach Suess die Bezeichnung Nife. Zum Vergleich sind auch die Hauptschichten der Atmosphäre eingetragen: Die Stickstoffsphäre bis 60 km Höhe, darüber bis 200 km die Wasserstoff- und über ihr die hypothetische Geokoroniumsphäre. Die Zone der Witterungserscheinungen, die nur bis 11 km Höhe reicht (Troposphäre), ist zu dünn, um zur Darstellung zu gelangen.

Fig. 6.

      Schnitt im größten Kreise durch Südamerika und Afrika in getreuen Größenverhältnissen.

      Von Interesse sind ferner die Schmelztemperaturen. Die zusammengesetzten Silikatgesteine haben, wie die Versuche von Doelter und Day zeigen, keinen scharfen Schmelzpunkt, sondern nur ein mitunter sehr großes Schmelzintervall; man kann sagen, daß Diabas bei 1100°, die Vesuvlaven bei etwa 1400 bis 1500° schmelzen. Diese Zahlen gelten allerdings für Atmosphärendruck, so daß man für 100 km Tiefe wohl einige 100° zu addieren hat46. Auf der anderen Seite geben die heute tiefsten Bohrlöcher Czuchow II und Paruschowitz V in Oberschlesien für die obersten 2 km der Erdrinde eine Temperaturzunahme von 3,1° pro 100 m Tiefe47. Diese Messungen sind allerdings in Sedimenten ausgeführt, die wohl geringere Wärmeleitfähigkeit besitzen, was zur Folge haben muß, daß sich die Isothermen in ihnen zusammendrängen. Im Urgestein des Gotthard-, Mönch- und Simplontunnels ergab sich nur 2,2, 2,2 und 2,4° pro 100 m. Da hier wieder wegen der konvexen Bergform ein abnorm schwaches Gefälle angenommen werden darf, so wird man 2,5° pro 100 m als einen guten Durchschnittswert für die Kontinentalschollen betrachten. Bei linearer Extrapolation kämen wir hiermit für 100 km Tiefe bereits auf 2500°, also weit über den Schmelzpunkt der Gesteine. Indessen wird die zentrale Temperatur der Erde heute im Gegensatz zu früheren zügellos hohen Schätzungen meist nur zu etwa 3000 bis 5000° angenommen, so daß wir anzunehmen hätten, daß das Temperaturgefälle mit zunehmender Tiefe schnell abnimmt. Dann erhalten wir für 100 km Tiefe etwa Werte zwischen 1000 und 2000°, so daß die Annahme, am Unterrand der Kontinentalschollen sei etwa der Schmelzpunkt erreicht, nicht unwahrscheinlich wird. Im Einzelfall freilich werden große Abweichungen davon möglich sein. Insbesondere wird die Schmelzisotherme mitunter weit in die Kontinentalscholle hinaufwandern können. Die „Granitaufschmelzungen“, deren Deutung durch die Beobachtungen von Cloos in Südafrika von den bisherigen Zweifeln befreit ist, zeigen ja, daß diese Isothermenfläche sogar bis zur Erdoberfläche heraufwandern kann. Gewisse Anzeichen dafür, daß geschmolzene sialische Massen von der Unterseite der Kontinentalscholle bei deren Verschiebung zurückbleiben und zum Vorschein kommen, oder, wie unter einem Gebirge, sich seitlich ausbreiten können, haben wir bereits im vorigen Kapitel besprochen.

      Wichtig ist, daß nach Doelter48 der Schmelzpunkt der sialischen Gesteine allgemein um etwa 200 bis 300° höher liegt als der der simischen, so daß bei gleicher Temperatur magmatisches Sima und festes Sial nebeneinander bestehen können.

      Endlich müssen wir, um die großen, später zu erörternden Deformationen der Erdrinde zu verstehen, uns noch Rechenschaft geben von dem Starrheitsgrade der Erde oder, vom umgekehrten Standpunkt betrachtet, von der Zähigkeit dieser zähen Flüssigkeit. Aus dem Starrbleiben gegenüber den schnellen Erdbebenwellen und dem Fließen gegenüber der bei der Rotation auftretenden Zentrifugalkraft läßt sich die Zähigkeit der Erde höchstens in gewisse Grenzen einschließen. Die Mondflut im festen Erdkörper aber, welcher der Erdkörper nur zum Teil nachgibt, ermöglichte es Lord Kelvin, v. Rebeur-Paschwitz,

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<p>45</p>

Daß auch in der Simazone das spezifische Gewicht mit der Tiefe zunimmt, geht schon daraus hervor, daß die Erdbebenforschung als Mittel für den ganzen, 1500 km dicken Silikatmantel der Erde den Wert 3,4 liefert.

<p>47</p>

Michael und Quitzow, Die Temperaturmessungen im Tiefbohrloch Czuchow in Oberschlesien. Jahrb. d. Kgl. Preuß. Geolog. Reichsanstalt 1910.

<p>48</p>

Doelter, Petrogenesis. Die Wissenschaft 13, Braunschweig 1906.