Der Aufstand Der Tapferen. Морган Райс
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Читать онлайн книгу Der Aufstand Der Tapferen - Морган Райс страница 15
„Erzähl mir vom Turm von Ur“, sagte Kyra. „Wie ist er?“
Deirdre sah sie aus tiefliegenden Augen an und zuckte mit den Schultern.
„Ich bin nie am Turm gewesen“, antwortete sie. „Ich bin aus der Stadt Ur und die liegt fast einen Tagesritt südlich vom Turm.“
„Dann erzähl mir von deiner Stadt“, sagte Kyra. Sie wollte an alles denken, nur nicht diesen Wald hier.
Deirdres Augen begannen zu leuchten.
„Ur ist ein schöner Ort“, sagte sie mit Sehnsucht in der Stimme. „Eine Stadt am Meer.“
„Wir haben eine Stadt südlich von uns, die auch am Meer liegt“, sagte Kyra. „Esephus. Sie liegt einen Tagesritt von Volis entfernt. Mein Vater hat mich als Kind immer dorthin mitgenommen.
Deirdre schüttelte den Kopf.
„Das ist kein Meer“, antwortete sie.
Kyra war verwirrt.
„Was meinst du?“
„Das ist das Meer der Tränen“, antwortete Deirdre. „Ur liegt am Meer der Sorgen. Unser Meer ist viel größer. An eurer Ostküste sind die Gezeiten schwach; an der Westküste hat das Meer der Sorgen Wellen, die sieben Meter hoch sind, wenn sie sich an der Küste brechen und bei Vollmond können die Gezeiten ein Schiff in einem einzigen Augenblick aufs Meer ziehen, von Männern ganz zu schweigen. Unsere Stadt ist die einzige Stadt in Escalon, wo sich die Klippen weit genug absenken, damit die Schiffe ans Ufer können. Wir haben den einzigen Strand in ganz Escalon. Darum ist Andros nur einen Tagesritt nach Osten entfernt von uns gebaut worden.“
Kyra dachte über ihre Worte nach, froh, abgelenkt zu werden. Sie erinnerte sich an all das aus ihrem Unterricht als Kind, doch sie hatte nie genau darüber nachgedacht.
„Und deine Leute?“, fragte Kyra. „Wie sind die?“
Kyra seufzte.
„Wir sind ein stolzes Volk“, antwortete sie, „genau wie alle anderen in Escalon auch. Doch wir sind auch anders. Man sagt, dass die Menschen aus Ur ein Auge auf Escalon haben und das andere auf das Meer. Wir blicken zum Horizont. Wir sind weniger provinziell als andere – vielleicht weil so viele Fremde an unserer Küste ankommen. Die Männer von Ur waren einst berühmte Krieger, ganz besonders mein Vater. Jetzt sind wir Unterdrückte, wie alle anderen auch.“
Sie seufzte und schwieg eine ganze Weile, sodass Kyra überrascht war, als sie weitersprach.
„Unsere Stadt ist durchzogen von Kanälen“, fuhr Deirdre fort. „Als ich dort aufgewachsen bin, habe ich oft auf dem Gipfel eines Hügels gesessen und stundenlang das Kommen und Gehen der Schiffe beobachtet, manchmal tagelang. Sie kommen aus der ganzen Welt zu uns unter allen möglichen Bannern, mit Segeln in allen erdenklichen Farben. Sie bringen Gewürze und Seide und Waffen und Delikatessen aller Art – manchmal sogar Tiere. Ich habe immer die Leute beobachtet und mich gefragt, wie sie wohl lebten. Ich wollte so gerne eine von ihnen sein.“
Sie lächelte, ein ungewöhnlicher Anblick und ihre Augen leuchteten von den Erinnerungen.
„Ich hatte immer einen Traum“, sagte Deirdre. „Ich habe immer gedacht, dass wenn ich alt genug wäre, auf einem dieser Schiffe in ein fremdes Land segeln und dort meinen Prinzen finden würde. Dann würden wir auf einer wunderschönen Insel leben in einem großen Schloss. Egal wo, nur nicht in Escalon.“
Kyra sah Deirdre an, die immer noch lächelte.
„Und jetzt?“, fragte Kyra.
Deirdres Gesicht wurde Ernst, als sie in den Schnee blickte und ihre Augen waren plötzlich traurig. Sie schüttelte nur den Kopf.
„Für mich ist es jetzt zu spät“, sagte Deirdre. „Nach allem, was sie mir angetan haben.“
„Es ist nie zu spät“, sagte Kyra, um sie aufzumuntern.
Doch Deirdre schüttelte nur den Kopf.
„Das waren die Träume eines unschuldigen Mädchens“, sagte sie voller Bedauern. „Dieses Mädchen gibt es schon lange nicht mehr.“
Kyra empfand Mitleid und Trauer für ihre Freundin als sie schweigend weiterritten, tiefer und tiefer in den Wald hinein. Sie wollte ihr den Schmerz nehmen, doch sie wusste nicht wie. Sie dachte über all das Leid nach, mit dem viele Menschen leben mussten. Was hatte ihr Vater einst gesagt? Lass dich nicht von Gesichtern täuschen. Wir alle leben Leben voller stiller Verzweiflung. Manche verbergen es besser als andere. Empfinde Mitleid für alle, selbst wenn du keinen äußerlichen Grund dazu siehst.
„Der schlimmste Tag in meinem Leben“, fuhr Deirdre fort, „war als mein Vater sich dem pandesischen Gesetz unterworfen hat, ihren Schiffen erlaubt hat, in unsere Kanäle zu fahren und seinen Männer befohlen hat, unsere Banner einzuholen. Dieser Tag war sogar noch trauriger als der, an dem er ihnen erlaubt hat, mich mitzunehmen.“
Kyra verstand sie nur zu gut. Sie verstand den Schmerz, den Deirdre hatte ertragen müssen, das Gefühl, verraten zu werden.
„Und wenn du zurückkehrst?“, fragte Kyra. „Wirst du deinen Vater sehen?“
Deirdre blickte mit gequälter Miene zu Boden. Schließlich sagte sie, „Er ist immer noch mein Vater. Er hat einen Fehler gemacht und ich bin mir sicher, dass er nicht wusste, was sie mit mir tun würden. Ich denke er wird nie wieder derselbe sein, wenn er erfährt, was geschehen ist. Ich will es ihm sagen. Von Angesicht zu Angesicht. Ich will, dass er meinen Schmerz über seinen Verrat versteht. Er muss begreifen, was passiert, wenn Männer über das Schicksal von Frauen entscheiden.“ Sie wischte eine Träne fort. „Er ist einmal mein Held gewesen. Ich verstehe nicht, wie er mich an sie übergeben konnte.“
„Und jetzt?“, fragte Kyra.
Deirdre schüttelte den Kopf.
„Nicht mehr. Kein Mann wird je mehr mein Held sein. Ich werde andere Helden finden.“
„Was ist mit dir?“
Deirdre sah sie verwirrt an.
„Was meinst du?“
„Warum fängst du nicht bei dir selbst an?“, fragte Kyra. „Kannst du nicht deine eigene Heldin sein?“
Deirdre schnaubte.
„Warum sollte ich eine Heldin sein?“
„Für mich bist du eine Heldin“, sagte Kyra. „Was du in dem Kerker erlitten hast – hätte ich nicht ertragen können. Du hast überlebt. Mehr noch – du bist aufgestanden und blühst auf. Das ist es, was für mich eine Heldin ausmacht.“
Deirdre schien über ihre Worte nachzudenken, während sie schweigend weiter ritten.
„Und du, Kyra?“, fragte Deirdre schließlich. „Erzähl mir von dir.“
Kyra zuckte mit den Schultern.
„Was möchtest du wissen?“
Deirdre räusperte sich.
„Erzähl mir von dem Drachen. Was ist da passiert? Ich habe noch nie so etwas gesehen.