Кавказ и Чечня – обзор европейских ученых. Caucasus and Chechnya – a review of European scientists. Муслим Махмедгириевич Мурдалов

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nach W folgende rechte Seitental des Tschanti-Argun, ist ebenso wie dieses durch meist nur für den Alpinisten übersteigbare Seitenmauern umrahmt, im S aber noch durch das Massiv des Tebulos-mta völlig abgeriegelt, von dem der größte Gletscher des Ostkaukasus bis etwa 2800 m herabkommt. Abgesehen von dem bis auf 1800 m herabreichen Trogal und einem kurzen Stück vor der Einmündung in den Argun ist das Maisti-Tal einevöllig ungangbare Klamm. Hoch oben erst; wo die Talwände weiter zurücktreten, ist Platz für Siedlungen. Die über blauschwarze, sehr harte und glatte Schieferplatten hinaufführenden Pfade sind selbst für das sichere Gebirgspferd gefährlich, so daß man fast nur Maulesel sieht. Aus demselben Grunde hält man auch mehr Ziegen als Schafe.

      Nur drei Dörfer birgt dies letzte, tiefste Tal der tschetschenischen Berge mit insgesamt etwa 300 Seelen. Trotzdem verdient es besonders genannt zu werden, da sich hier die alte Hochgebirgsturmkultur, die sich einst viel weiter erstreckte, noch ziemlich unberührt erhalten hat. Noch wohnt man ausschließlich in den finsteren, die von hohen, schalken Wehrtürmen überragt werden, (Abb. 4) und ausgedehte Kolonien von Totenhäusern deuten auf alte religiöse Vorstellungen, die auch heute unter der erst christlichen, jetzt mohammedanischen Oberfläche noch weiter bestehen.

      Dasselbe gilt von dem argunaufwärts folgenden Gau Mälchisti. Das Arguntal, vor allem das seines linken Nebenflusses Meschi-achk, ist hier wieder etwas offener, und so sieht man überall von den Hängen die alten Turmbauten heruntergrüben. Über ein Dutzend Dörfer verzeichnet in diesem Gebiet die 5 Werst-Karte, in Wirkllichkeit gibt es deren nur drei: Dscharego, Teretego und Bonisti, das übrige sind burgartige Einzelhüfe, deren Beschreibung weiter unfen folgt. Die Bewohner bilden zusammen mit denen von Maisti den tschetschenischen Stamm der Kisten. Mit ihren Nachbarn, den Chewsuren, die auch auf dem Nordhang einige Dörfer haben, leben sie eher in Fehde als in Frieden. Ursache hierfür ist gewöhnlich Viehdiebstahl auf den Hochweiden und damit verbundener Totschlag. Der Fehdezustand erstreckt sich jedoch meist nur auf einzelne Dörfer bezw. Sippen, nicht auf die ganzen Stämme. So lebten während meines ersten Aufenthaltes 1919 die Dscharegoer Kisten in Feindschaft mit den Schatiler Chewsuren, beim letzten Aufenthalt nicht mehr, dafür aber der direkte Weg nach Tiflis verscholossen. Die Antwort auf die Frage: «Wie steht ihr mit den Einwohnern dieses oder jenes Dorfes?» lautet jedenfalls nie schlankweg «gut» oder «schlecht», sondern «zur Zeit gut» oder «zur Zeit schlecht».

      Über Lage und Gestalt der Ssunscha-Ebene wurden schon eingangs einige Ausführungen gemacht. Völlig eben ist sie nicht, sie neigt sich leicht nach NO und zeigt kaum merkliche Bodenwellen. Außerdem beleben zahllose Kurgane von I bis etwa 6 m Höhe die flachen Felder. Die Flußtäler sind so breit, daß sie für eine viel größere Wassermasse bestimmt erscheinen als für die, die heute hindurchfließt. Auch bei kleineren Bächen hat das Tal noch an 100 m Breite, das des Argun ist bis 1 km breit, das der Ssunscha stellenweise wohl gar 2 km. Der Höhenunsterschied zwischen Talsohle und Steppe kann bis 20 m betragen. auf weite Strecken ist der Talboden mit dichtem Gestrüpp bedeckt, z. B. der der Ssunscha, in dem sich u. a. auch Wildschweine tummeln. Zu den zahlreichen Flüssen und Bächen, deren Strömung immer noch recht rasch ist, kommen Bewässerungskanäle hinzu, die aber auch im Laufe der Zeit die Form von Flußläufen angenommen haben. Künstliche Bewässerung ist in größerer Entfernung vom feuchteren Gebirgsfluß eben doch schon erforderlich, besonders für Gartenkulteren in der Nähe von Grosny.

      Die Ebene ist heute größtenteils von Steppe bedeckt, die mit Annäherung an das Gebirge wesentlich frischer wird. Früher soll aber der Überlieferung zufolge auch hier der Wald weit verbreitet gewesen sein. Seine Spuren sind noch in ausgedehnten, bis zu 5 meter Höhe erreichenden Buschbeständen erkennbar. Während aber die edleren Hölzer abgeschlagen werden. läßt man das dicht wuchernde Christdorn-Gestrüpp stehen; es nimmt schon bedeutende Flächen ein, die somit natürlichvöllig nutzlos daliegen.

      Die Steppe ist ihrerseits schon stark durch Ackerland eingeschränkt. Mais und wieder Mais, dieses Hauptnahrungsmittel für Mensch und Tier, soweit das Auge reicht. Andere Früchte, besonders Getreide, verschwinden demgegenüber völlig. Der fruchtbare Boden hat eine hohe Bevölkerungsdichte zur Folge. Zwar liegen die Dörfer oft meilenweit auseinander, dafür haben sie aber zuweilen erstaunlich hohe Einwohnerziffern. Das Dorf Schali z. B. hat nach der Zählung von 1926 15000 Einwohner, Urus-Martan gar über 20000! Da sie außerdem noch sehr weitläufig gebaut und die meisten Höfe noch von Maisgärten umgeben sind, so kann es Stunden dauern, bis man solch ein Dorf durchquert hat. In der Regel besteht der Dorfplan aus vielen parallelen Straßenzügen, die durch gelentliche Querstraßen mit einander verbunden werden. Die in Itschkerien so verbreiteten, aus vielen Einzelgehöften bestehenden weit zerstreuten Dorfanlagen fehlen vollkommen. Im Grün versteckt, von hohen Pappeln überragt, machen die Dörfer mit ihren sauber getünchten, ziegelgedeckten Satteldachhäusern einen sehr freundlichen, kultivierten Eindruck. Nichtsdestoweniger sind die Bewohner aber noch reichlich unfügsam; Bandenwesen herrscht in hohem Maße, mehr als in den Bergen. Ich kannte russische Polizeibeamte, die nach längerer Tätigkeit in der Ebene zur Erholung einen Posten in den Bergen erhalten hatten.

      Die Zahl der in der Ssunscha-Ebene wohnenden Tschetschenen beläuft sich nach der Zählung von 1926 auf etwa 190 000. Da nun der Flächenraum mit reichlich 2000 qkm angesetzt werden kann, so kämen auf 1 qkm ungefähr 90 Menschen, eine für diesen Erdraum gewiß sehr bemerkenswerte Dichteziffer! Dabei ist die Bevölkerung von Grosny mit 95 000 Einwohner nicht mit einbegriffen. Zwei Drittel des ganzen Volkes wohnen also in der Ssunscha-Ebene, obwohl sie nur etwa den vierten Teil des Autonomen Gebietes der Tschetschenen einnimmt.

      Etwa genau soviel Flächenraum wie die Ssunscha-Ebene nimmt das Gelände der beiden die Ebene im N begrenzenden Hügelzüge des Terek-Ssunscha-Gebirges ein. Es ist aber wegen seiner Öde und Unfruchtbarkeit – letzters wegen Wassermangels – so gut wie unbewohnt und wird nur als Weidegebiet benutzt, wenigstens so weit die Tschetschenen daran interessiert sind. Seine besondere Bedeutung erhält es jedoch durch die sogenannten Alten Petroleumbohrfelder Grosnys, die sich am Nodhange des südlichen Höhenzuges befinden.

      B) Sprachliche Stellung und dialektische Verschiedenheiten

      Die Bevölkerung des Kaukasus besteht aus drei großen Gruppen: I. den eigentlichen Kaukasusvölkern, 2. Arischen Völkern, 3. Turkvölkern. Die Tschetschenen gehören nun zu den eigentlichen Kaukasusvölkern, die Karthwelier im SW mit dem Hauptvolk der Georgier, 2. Die Abchasen, Ubychen und Tscherkessen im NW und 3. Die Tschetschenen und daghestanischen Völker im NO. Nach dem Urteil der Sprachforscher, besonders des Barons von Uslar, stehen die Tschetschenen sprachlich unter den Kaukasusvölkern den Daghestanern am nächsten. Auch kulturell hat man sie der daghestanischen Gruppe zugeordnet, worüber man jedoch verschiedener Ansicht sein kann; meiner Ansicht nach sind sie ethnologisch viel eher den zentralkaukasischen Völkern zuzuzählen, wie noch näher dargetan werden soll. Man wird in diesen Dingen besonders von dem ausgezeichneten russischen Sprachforscher Jakowlew wertvolle Aufklärungen zu erwarten haben, der sich mit der tschetschenischen Sprache in den letzten Jahren befaßt hat und auch ethnologisch arbeitet.

      Nächst den Georgiern sind die Tschetschenen mit über 300 000 Köpfen das zahlenmäßig stärkste der eigentlichen Kaukasusvölker. Sprachlich und kulturell gehören zu ihnen aber ohne weiteres noch die Inguschen und der kleine Stammessplitter der Batser am Südhange des Hauptkammes7). Die Kopfzahl der Tschetschenen im weiteren Sinne würde dann etwa 400 000 betragen. Dialektunterschiede bestehen wohl, sie sind aber ganz geringfügig, so daß Tschetschenen und Inguschen sich mühelos miteinander verständigen können. Trotzdem müssen die Inguschen als ein besonders Volk betrachtet werden, da sie politisch eine Sonderentwicklung durchgemacht haben, was ja in der Ausdruck kommt, Tatsache zum Ausdruck kommt, daß ihnen von der Sowjetregierung ein eigenes Autonomes Gebiet errichtet wurde.

      Auch die Sprache der Tschetschenen im engeren Sinne, von denen in dieser Arbeit nur die Rede ist, weist anscheinend noch geringe dialektische Verschiedenhiten auf. Bemerkt habe ich das jedenfalls bei den Kisten von Maisti und Mälchisti, in deren

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<p>7</p>

Die Batser wohnen in den Gemeinden Sagirta und Indurta in Tuschetien. Ferner gibt es tschetschenische Niederlassungen am kachetischen Alasan nahe der Alwanischen Ebene; es sind die Gemeinden Oberß und UnterßPankis. (Merzbacher, Lit. Verz, 28, I, S. 209).