Das Festival der Liebe . Sophie Love
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Keira legte ihre Tasche auf den Tisch und ließ sich auf ihren Stuhl sinken, sehr darauf bedacht, dass ihr Seufzer stumm blieb. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Arbeit für das renommierte Viatorum Magazin so viel Schauspielerei erforderte, so viel geheucheltes Interesse an Unterhaltungen, und das ach-so-kompetente Geschwafel.
Durch die gläserne Wand, die Joshua von seinen Angestellten trennte, bemerkte Keira, dass er sie beobachtete. Sie fragte sich, was er denken mochte. War er überrascht, dass sie als Zweite seinem dringenden Ruf gefolgt war? Oder war er begierig darauf, jemanden zu entlassen, und sie war ihm gerade als williges Opfer vor die Flinte gesprungen?
Joshua kam hinter der gläsernen Trennwand hervor. Er trug einen stahlblauen Anzug und sein Haar war zu einer Tolle frisiert. Er kam zu Keiras Tisch.
„Hast du die Recherche über Irland schon erledigt?“, fragte er, ohne sich mit einem Hallo aufzuhalten.
Ach ja, der Artikel über das Festival der Liebe. Joshua war von Elliot beauftragt worden darüber zu schreiben. Elliot war der Geschäftsführer von Viatorum. Es sollte ein großes, wichtiges Projekt werden, zumindest hatte Joshua das angedeutet. Allerdings konnte Keira sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie ein alberner, süßlicher Bericht über Kuppelei während einer veralteten Zeremonie in einem urigen irischen Dorf sich als große Story erweisen könnte. Wie auch immer, Joshua war in noch schlechterer Stimmung als sonst und Keira, als jüngste Autorin, war damit beauftragt worden, die Recherche zu erledigen, denn dafür war er natürlich viel zu beschäftigt.
Wohl eher viel zu wichtigtuerisch, dachte Keira, während sie ihn anlächelte. „Ich habe dir alles per E-Mail geschickt, bevor ich am Freitag gegangen bin.“
„Schick es mir noch mal“, verlangte Joshua prompt. „Ich habe nicht die Zeit, um mich durch Massen von Mails in meinem Posteingang zu wühlen.“
„Kein Problem“, sagte Keira, freundlich wie immer.
Joshua stürmte zurück in sein Büro und Keira schickte ihm erneut die E-Mail mit der Masse an Informationen, die sie über das irische Festival der Liebe gesammelt hatte. Sie musste grinsen bei der Erinnerung daran, wie albern das alles war, wie widerlich romantisch.
Sie hatte gerade erst die E-Mail abgeschickt, als weitere Autoren von Viatorum hereinkamen. Alle taten so, als mache es ihnen überhaupt nichts aus, an einem Feiertag ins Büro zu kommen. Keira konnte hören, wie sie sich gegenseitig darin überboten, wer wohl das größte Opfer gebracht hatte.
„Meine Nichte hatte ein Baseball-Turnier“, sagte Lisa. „Aber das hier ist natürlich viel wichtiger. Sie hat sich die Augen ausgeweint, als ich ihr sagte, dass ich gehen müsse, aber sie wird es verstehen, wenn sie älter ist und ihre eigene Karriere verfolgt.“
Duncan konnte das noch übertreffen. „Ich musste Stacy am Flughafen zurücklassen. Ich meine, wir können Madrid ja auch ein anderes Mal besuchen. Es läuft uns ja nicht weg.“
„Ich komme gerade vom Krankenbett meiner Mutter“, fügte Victoria hinzu. „Es ist ja nicht so, als befände sie sich in einem kritischen Zustand. Sie versteht, dass meine Karriere vorgeht.“
Keira unterdrückte ein Grinsen. Das betriebliche Umfeld bei Viatorum erschien ihr in höchstem Maße fragwürdig. Sie wünschte, ihre Karriere würde sich aufgrund von Hingabe, Talent und harter Arbeit entwickeln, und nicht dank ihrer Fähigkeit, am Wasserspender zu plaudern. Das sollte nicht heißen, Keira konzentrierte sich nicht auf ihre Karriere – sie war im Augenblick das wichtigste in ihrem Leben, auch wenn sie das Zachary gegenüber nicht zugeben würde – sie wollte sich nur nicht verbiegen, um in die Unternehmenskultur dieses Magazins zu passen. Sie hatte oft das Gefühl, sich in einer Warteschleife zu befinden, bis ihre Zeit zu glänzen gekommen war.
Im nächsten Moment summte Keiras Handy. Nina hatte ihr eine ihrer heimlichen Nachrichten geschickt.
Ich nehme mal an, Joshua hat vergessen zu erwähnen, dass Elliot beim heutigen Meeting anwesend sein wird?
Keira hielt überrascht die Luft an. Auch wenn der Geschäftsführer von Viatorum um Längen angenehmer war als Joshua, fühlte sie sich in seiner Gegenwart dennoch nicht gerade entspannt. Immerhin hielt er die Schlüssel zu ihrer Karriere in der Hand. Er war derjenige, der einen jederzeit einstellen und feuern konnte, derjenige, dessen Meinung wirklich zählte. Joshua sagte Keira niemals, dass sie gute Arbeit geleistet hatte, oder dass sich ihr Schreibstil verbessert hatte, egal wie sehr sie sich anstrengte. Elliot hingegen machte Komplimente, wenn sie verdient waren, was selten genug der Fall war, aber das machte es umso wertvoller, wenn man eines bekam.
Keira wollte Nina gerade zurückschreiben, als sie Joshuas schnelle Schritte hörte.
„Was zur Hölle soll das, Keira?“, rief er schon von Weitem.
Seine Worte schallten durch das Büro. Alle Köpfe drehten sich zu ihr um, das wollte keiner verpassen. Alle waren gleichermaßen erleichtert, dass sie selber nicht das Ziel dieser Verbalattacke waren und dass sich Joshuas Zorn über jemand anderem entladen würde.
„Entschuldigung?“, fragte Keira freundlich, auch wenn ihr das Herz raste.
„Dieser Mist über Irland! Das ist vollkommen unbrauchbar!“
Keira wusste nicht, wie sie antworten sollte. Sie wusste, dass sie gründlich recherchiert hatte. Sie hatte sich an die Vorgaben gehalten, alles in einem benutzerfreundlichen Ordner gesammelt, sie hatte sich wirklich reingekniet in die Arbeit. Joshua hatte einfach schlechte Laune und wollte die an ihr auslassen. Vielleicht war es auch ein Test, wie sie mit der öffentlichen Schelte umgehen würde.
„Ich kann noch weiter recherchieren, wenn du das möchtest“, sagte Keira.
„Dafür reicht die Zeit nicht“, schrie Joshua. „Elliot wird in fünfzehn Minuten hier sein!“
„Um genau zu sein“, unterbrach Nina, „fährt sein Auto gerade vor.“ Sie beugte sich in ihrem Bürostuhl vor, um besser aus dem Fenster sehen zu können.
Joshua lief rot an. „Ich ziehe mir diesen Schuh nicht an, Swanson“, sagte er und richtete seinen Finger auf Keira. „Wenn Elliot enttäuscht ist, dann sage ich ihm, wer dafür die Verantwortung trägt.“
Er stürmte zurück in seinen abgeteilten Arbeitsbereich. Aber unterwegs trat er mit seinem Lacklederschuh in eine Kaffeepfütze, die einer der gehetzten Schreiberlinge auf dem Weg zur Arbeit hinterlassen hatte.
Es gab einen Moment, in dem die Zeit still zu stehen schien und Keira genau sehen konnte, was passieren würde. Dann schlitterte und stolperte Joshua wie im Comic. Sein Körper drehte sich, als würde er tanzen und er versuchte, die Balance zu halten. Die Kombination von blanken Kacheln und Macchiato war einfach zu viel für ihn.
Joshua verlor komplett das Gleichgewicht, ein Bein schoss nach vorn, das andere verdrehte sich unter ihm. Alle schnappten nach Luft, als er mit einem lauten Platschen hart auf dem Boden aufschlug. Ein lautes Knirschen hallte durch das große Büro. Es klang übel.
„Mein Bein!“, schrie Joshua und hielt sich das Schienbein. „Ich habe mir das Bein gebrochen!“
Alle