Klara Militsch. Иван Тургенев
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Sie hatte ein Bändchen Puschkin in der Hand, blickte aber während des Vortrags kein einziges Mal hinein . . . Sie war augenscheinlich befangen, das kleine Buch zitterte in ihren Fingern. Aratow bemerkte jetzt auch den Ausdruck von Verzagtheit, der in ihren starren Zügen lag. Den ersten Vers: »Ich schreibe Ihnen . . . was ist dabei?« sprach sie recht einfach, fast naiv – und streckte mit einer naiven herzlichen Bewegung, wie hilflos beide Hände aus. Dann eilte sie ein wenig; aber beim Anfange der Verse: »Ein Andrer? – nein! Nie wird ein Andrer je mein Herz besitzen!« – gewann sie ihre Selbstbeherrschung wieder, wurde lebhafter und als sie zu den Worten kam: »Mein ganzes Leben war ein sicheres Pfand des Wiedersehns mit Dir!« – da erhob sich ihre bis dahin verschleierte Stimme zu einem enthusiastischen und klaren Ton – und ihre Augen bohrten sich kühn und direkt in die von Aratow. Mit der gleichen Lebhaftigkeit fuhr sie auch fort – und nur gegen den Schluß hin wurde der Ton wieder ruhiger und in der Stimme sowohl wie auch im Antlitz erschien die frühere Verzagtheit. Den letzten Vierzeiler stotterte sie förmlich hervor – das Bändchen entfiel ihrer Hand – und sie eilte davon.
Das Publikum applaudierte frenetisch und rief sie heraus. Ein Seminarist aus Kleinrußland schrie so fürchterlich in seiner Provinzialaussprache: Mülütsch! Mülütsch! – daß sein Nachbar ihn mitleidsvoll und artig bat, doch die Stimme für seinen künftigen Beruf als Protodiakon zu schonen. Aratow stand sofort auf und ging dem Ausgange zu. Kupfer holte ihn ein . . . – »Wohin eilst Du denn, um Gottes Willen?« – rief er. Komm, ich stelle Dich ihr vor! – Nein, ich danke, – antwortete Aratow hastig und lief mehr als er ging nach Hause.
V
Eigenthümliche, ihm selbst unklare Gefühle wogten in ihm. Auch die Recitation Klara‘s hatte ihm nicht sonderlich gefallen, obschon er sich keine Rechenschaft ablegen konnte, weßalb. Er hatte ihn in Unruhe versetzt, dieser Vortrag; er war ihm schroff, unharmonisch vorgekommen. Es war, als ob ihn etwas darin verletzt habe, als ob er wie ein Zwang auf ihn gewirkt habe. Und diese starren, hartnäckigen, fast aufdringlichen Blicke – was war ihr Zweck? Was sollten sie bedeutend?
Aratow‘s Bescheidenheit ließ nicht einen Augenblick den Gedanken aufkommen, er könne diesem sonderbaren Mädchen gefallen, könne ihr ein Gefühl von Liebe, von Leidenschaft, eingeflößt haben! . . . Er selbst war weit davon entfernt, sich jenes, noch unbekannte, weibliche Wesen, dem er sich ganz zu eigen hätte geben mögen, die auch ihn lieben, die seine Braut, sein Weib werden würde – in diesem Bilde herzustellen. Nur selten träumte er solche Träume, denn er war keusch an Seele und Leib; – und das hehre Bild, welches dann in seiner Phantasie auftauchte, war durch eine andere Vorstellung, durch das Bild seiner verstorbenen Mutter, die er kaum gekannt hatte, deren Bildniß er aber aber wie ein Heiligthum barg, hervorgerufen. Dieses Bildniß, ziemlich kunstlos von einer nachbarlichen Freundin gemalt, war, nach dem Urtheile Aller, frappant ähnlich. Ein ebenso zartes Profil, ebenso gutmüthige, klare Augen eben solche seidenartige Haare, ein gleiches Lächeln, denselben Ausdruck mußte das Mädchen, die Frau, die zu erhoffen er sich sogar noch nicht einmal getraute, haben.
Dieses zigeunerhafte, dunkelfarbige Mädchen aber, mit dem starken Haar, mit diesem Anflug von Schnurrbärtchen, war gewiß nicht lieb, war sicher ein ruheloser Charakter. . . »eine Zigeunerin,« (Aratow konnte keinen schlimmeren Ausdruck finden) . . . was war sie ihm!.
Trotz alledem aber konnte Aratow diese Zigeunerin nicht aus seinem Kopfe los werden – obschon weder ihr Gesang, noch ihr Vortrag, noch ihr Aeußres ihm gefallen hatten. Er konnte es nicht begreifen, er ärgerte sich über sich selbst. Unlängst erst hatte er den Roman von Walter Scott, »St. Ronan‘s Brunnen« gelesen (W. Scotts gesammelte Werke befanden sich in der Bibliothek seines Vaters, der diesen englischen Romanschriftsteller als einen ernsten, fast wissenschaftlichen Autor hoch schätzte.) Die Heldin dieses Romans heiß Klara Mobray. Ein Poet der vierziger Jahre, Krassow, hatte dieser Romanheldin ein Gedicht gewidmet, welches mit folgenden Worten schloß:
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