Adams Söhne. Adolf von Wilbrandt

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Adams Söhne - Adolf von Wilbrandt страница 4

Adams Söhne - Adolf von Wilbrandt

Скачать книгу

style="font-size:15px;">      »Ah! Der richtige Norddeutsche!«

      »Zu dienen. Von der Ostsee.«

      »Von der Ostsee! – Und ich aus dem richtigen Hochland: ein Tiroler Kind. Aber hier im Salzburger Land leb’ ich nun schon lange: fühl’ mich hier zu Haus. Dort hinter der Salzburger Festung seh’n Sie den langen Rücken, den Kapuzinerberg: an dessen Fuß steht mein Haus. Das schaut hierher, auf den Untersberg. Da bin ich noch in der Welt – und bin doch schon draußen. Hab’ zu viel erlebt … Geh’n wir weiter, wenn es Ihnen recht ist; dass wir nach Grödig kommen. Ja, da hinten am Kapuzinerberg, da träum’ ich noch zuweilen einen herzhaften Traum, wie den vom Salzburger oder Untersberger See; – sie enden auch alle so. Lebendig werden sie nicht. Vielleicht ist’s auch besser. Damit man desto mehr zurück und in sich geht, und sich vorbereitet … Kurz – geh’n wir weiter!«

      II. Kapitel

      Man schrieb 1887, den dritten Juli. Die Tage waren lang; als die beiden Wanderer – nach etwa vier Stunden Wegs vom Wirtsgarten in Reichenhall – gegen Grödig kamen, hatten sich die Schatten noch nicht ins Abenteuerliche gestreckt, die Sonne wirkte noch kräftig. Saltner betrachtete aufmerksam eine Photographie, die Wittekind im Gespräch aus der Brusttasche gezogen und ihm hingereicht hatte; das Brustbild eines auffallend schönen, aber zarten, blonden, noch völlig bartlosen Jünglings. Die Lippen waren besonders edel geformt; der Blick der hellen Augen war nach oben gerichtet, mit einem Ausdruck weicher Schwärmerei, der lieblich und befremdend zugleich war.

      »Sie haben nur diesen einzigen?« fragte der Alte.

      Wittekind nickte stumm.

      »Und ich auch nicht einen mehr! – — An dem da haben Sie aber nichts Gewöhnliches. Man muss immer hinschauen. Anders als die Jugend von heute. Gar romantisch; unschuldig; rührend … In Italien hab’ ich früher so alte schöne Heiligenbilder geseh’n, mit rührenden Schwärmer-Augen; an die muss ich denken.«

      »Es ist ein lieber, holder Junge!« murmelte Wittekind, mit einem weichen, väterlichen Lächeln.

      »Ihre Statur scheint er nicht zu haben…«

      Wittekind schüttelte den Kopf.

      »Er ist kleiner, und zart gebaut; aber schlank, wohlgeformt. Kurz, wie im Gesicht, so auch darin seiner Mutter Bild!«

      »Ja, ja, so ein Muttersöhnchen!« sagte Saltner ernst, aber ohne jede Härte; immer die Augen auf das Bild geheftet. »Ich verschau’ mich ganz in das feine G’frieserl; – verzeihen Sie mir das österreichische Wort. So ein wenig vom Christuskopf; – aber gefährliche Augen. Gar gut; gar weich; fast wie die lieben Augen einer schönen und guten Frau.«

      »Sie haben Recht«, sagte Wittekind und tat einen langen, leise seufzenden Atemzug. »Ich kann Ihnen nicht sagen, wie freundlich und gut das Herz dieses jungen Menschen ist; gut bis zur Schwärmerei. Er leidet geradezu an der Menschenliebe: so nah geht ihm alles Elend, all die Ungleichheit, diese ganze Welteinrichtung, die so ungerecht aussieht.«

      »Und sie wär’ es auch«, entgegnete der Alte, »wenn mit diesem einen Leben die ganze Schule schon aus wäre!«

      »Wie meinen Sie das?«

      Saltner antwortete nicht auf diese Frage, er sah wieder auf das Bild.

      »Ach was!« sagte er plötzlich, »‘s ist ein edles Gesicht. Sie sind ein glücklicher Vater mit so einem Sohn!«

      Wie es so oft ergeht, antwortete Wittekind nicht auf diese Worte, sondern auf das Unausgesprochene, das dahinter lag, das sich in dem »Ach was« leise angekündigt hatte.

      »Ich bin vielleicht nicht ohne Schuld«, sagte er treu herzig, wieder leise seufzend. »Hab’ vielleicht seine Natur zu ruhig gewähren lassen; zu viel auf ihr Edles, Tüchtiges gebaut … Aber wann hatt’ ich ihn auch! Da ich auf dem Lande lebe, konnt’ ich ihn nicht bei mir behalten, denn ohne Schulkameraden wollt’ ich ihn nicht lassen; so gab ich ihn gleich weiter fort, zu meiner Schwester, die mit ihrem gelehrten Mann, dem Gymnasiums-Direktor, in einem auf blühenden, freundlichen Städtchen lebt. Aber sie ist ähnlich zart, weich und schwärmerisch, wie seine Mutter war; zu einer festen kleinen Eiche konnt’ er da nicht werden … Nun ist er ein junger Student; auf sein flehendes Bitten hab’ ich ihn nicht erst im Lande behalten, wie ich wollte, auf unserer Universität, eine Meile von meinem Gut – sondern nach Süddeutschland, nach München hab’ ich ihn ziehen lassen. Plötzlich schreibt er mir: mit seinen Nerven sei es nicht in Ordnung, sein Arzt hab’ ihn fortgeschickt, ins Gebirg’, da solle er eine Weile umherspazieren, bis er sich erholt habe. Das werde bald geschehen sein; im Übrigen fehle ihm nichts … Nach diesem Brief hatt’ ich keine Ruhe. Das einzige, letzte Kind. … Ich lasse die Ernte im Stich, helfe mir, so gut ich kann, fahre hierher ins Gebirg’, zum Berthold. Am Hintersee, von dem er mir geschrieben hatte, als von seinem Hauptquartier, – am Hintersee find’ ich nichts als einen neuen Brief: er ist nach Salzburg gegangen, will von da zu Fuß gegen Berchtesgaden, bei Grödig oder Sankt Leonhard könnten wir uns treffen. – Und so bin ich nun hier – und da ist ja Grödig; da geh’n wir ja schon ins Dorf. Aber wann kommt mein Sohn? Er ist leider ebenso unpraktisch, wie er edel und gut ist! Wer weiß, vielleicht kommt er erst bei stockdunkler Nacht. Und dabei lieb’ ich ihn so sehr, diesen – — denn ich sage Ihnen, er hat ein vornehmes, großes Herz. … Aber unpraktisch ist er. Und während ich, sein Vater, noch wie von Eisen bin, sind seine jungen Nerven ›nicht in Ordnung,‹ muss er ›spazieren gehen‹. … Da hält ein Wagen vor dem Wirtshaus; und da sitzt jemand vor der Tür. Verzeihen Sie, wenn ich etwas rascher gehe; – er könnte doch – — Zwar, im Wagen kommt er ja nicht. Was will ich. Aber wenn er etwa – — Berthold! Berthold! Bist du’s?«

      Die letzten Worte rief Wittekind schon von weitem, während er mit großen Schritten durch die Dorfgasse stürmte. Es kam aber keine Antwort; die Gestalt vor der Wirtshaustür saß still, ohne sich zu rühren. Als die beiden Männer nun herankamen und die untere Hälfte dieser Gestalt nicht mehr durch ein junges Gebüsch verdeckt ward, sahen sie, dass es ein Mädchen war, das an einem Tisch saß und etwas Käse mit trocknem Brot verzehrte; ein Glas Bier stand daneben. Sie trug das schwarze Kopftuch mit den langen Zipfeln, das ›Salzburger Tüchel‹, das dort weit und breit getragen wird, sonst die gewöhnliche städtische Kleidung und eine einfache Korallenschnur um den Hals.

      Von ihrem Käse aufblickend zeigte sie ein paar feurige, braune, schöngefärbte Augen und wahre Rosen von Wangen, während die Lippen in der sinkenden Sonne wie Kirschen glühten. Sie war sicher kein Kind mehr, aber sie schien noch sehr jung zu sein.

      »Da kommt er ja!« rief sie auf einmal aus, sprang auf wie ein Federball und lief den Männern entgegen.

      »Grüß’ Sie Gott!« rief sie dann dem überraschten Saltner zu und ergriff seine Hand, die sie küssen wollte. Der Alte aber machte sich los, nahm ihren Kopf zwischen seine Hände und küsste sie auf die Stirn.

      »Dumme Kathi!« sagte er. »Lass’ doch das Händeküssen; großes Mädel du! Machst du mir das noch einmal, so werd’ ich sehr bös’ und küss’ dich ohne weiteres auf den Mund. Ei, Kathi, wo kommst du her? Oder ›wo kommen Sie her,‹ muss ich nun wohl sagen —«

      Sie schüttelte hastig den Kopf.

      »Nun, wo kommst denn her? Bist der ›Gems’‹ etwa durchgegangen, du Bachstelze du?«

      »Aber nein! Aber nein!« rief das Mädchen in drolliger Entrüstung aus, mit einer weichen, klangvollen, eher tiefen Stimme. »Herr von Saltner! Das fragen Sie mich … Und bloß um Ihretwegen hab’ ich mich auf den Weg gemacht! Und such’ Sie und frag’ nach Ihnen, wo Sie denn wohl stecken – am hangenden Stein,

Скачать книгу