Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
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Der König war nahe daran, umzukehren, und die Damen hätten sich vielleicht bei dieser Rückkehr schlecht befunden, aber er bewältigte sich, ging seines Wegs und rief, um nicht zu hören:
»Der Herr Kapitän der Windspiele, holla! der Herr Kapitän der Windspiele!«
Der Officier, den man mit diesem seltsamen Namen schmückte, lief herbei:
»Man öffne das Cabinet der Hunde,« sprach der König.
»O Sire!« rief der Officier, indem er sich Ludwig XV. entgegen warf, »Eure Majestät mache keinen Schritt mehr.«
»Nun! was gibt es?« sprach der König und blieb aus der Schwelle der Thüre stehen, unter welcher pfeifend der Athem von Hunden hervorkam, die ihren Herrn rochen.
»Sire,« sprach der Officier, »verzeihen Sie meinem Eifer, aber ich kann nicht zugeben, daß der König bei den Hunden eintritt!«
»Oh ja! ich begreife, das Cabinet ist nicht in Ordnung . . . nun! lassen sie Gredinet herauskommen.«
»Sire,« stammelte der Officier, dessen Gesicht Bestürzung ausdrückte, »Gredinet hat seit zwei Tagen nichts gesoffen und nichts gefressen und man befürchtet, er sei wüthend.«
»Oh! ich bin offenbar der unglücklichste aller Menschen, Gredinet wüthend!« rief der König, »das würde das Maß meines Kummers voll machen.«
Der Officier der Windspiele glaubte, um die Scene zu beleben, eine Thräne vergießen zu müssen.
Der König wandte sich auf den Fersen um, und kehrte in sein Cabinet zurück, wo ihn sein Kammerdiener erwartete.
Als dieser das verstörte Gesicht des Königs wahrnahm, verbarg er sich in einer Fenstervertiefung.
»Ah! ich sehe es wohl,« murmelte der König, ohne auf diesen treuen Diener Achtung zu geben, der kein Mann für den König war, und während er mit großen Schritten in seinem Cabinet auf und ab ging: »ah! ich sehe es wohl, Herr von Choiseul spottet meiner, der Dauphin betrachtet sich bereits, als wäre er halb Herr, und glaubt, er werde es ganz sein, wenn er seine Osterreicherin auf den Thron habe sitzen lassen. Louise liebt mich, aber sie ist sehr hart, da sie mir Moral predigt und fortgeht. Der Herr Graf von Provence übersetzt Lucrez. Der Herr Graf von Artois ist ein Straßenläufer. Meine Hunde werden wüthend und wollen mich beißen. Offenbar liebt mich nur diese arme Gräfin. Zum Teufel also diejenigen, welche ihr Mißvergnügen machen wollen!«
Mit einer verzweifelten Entschlossenheit setzte er sich nun an den Tisch, auf welchem Ludwig XIV. seine Unterschrift gab, und der das Gewicht der letzten Verträge und der herrlichen Briefe des großen Königs getragen hatte.
»Ich begreife,« sprach er sodann, »ich begreife, warum alle Welt um mich her die Ankunft der Frau Dauphine beschleunigt; man glaubt, sie dürfe sich nur hier zeigen, damit ich ihr Sklave werde, oder mich unter die Herrschaft ihrer Familie begebe. Meiner Treue! ich kann mir wohl Zeit lassen, meine liebe Söhnerin zu sehen, besonders wenn mir ihre Ankunft hier neue Plackereien verursachen sollte. Leben wir also ruhig, so lange als möglich ruhig, und um dies zu erreichen, halten wir sie auf dem Wege zurück. Sie sollte durch Rheims und Noyon reisen, ohne sich aufzuhalten, und dann sogleich nach Compiègne kommen . . . wir wollen das erste Ceremoniell behaupten. Drei Empfangstage in Rheims und einen, nein, meiner Treue! zwei, bah! drei Festtage in Noyon. Dadurch sind immer sechs Tage, sechs gute Tage gewonnen.«
Der König nahm die Feder und schrieb selbst an Herrn von Stainville den Befehl, drei Tage in Rheims und drei in Noyon anzuhalten.
Dann ließ er den Courrier vom Dienst kommen und sprach zu ihm:
»So rasch die Pferde laufen können, bis Sie diesen Befehl an seine Adresse abgegeben haben.«
Hierauf schrieb er mit derselben Feder:
»Liebe Gräfin,
wir setzen heute Zamore in sein Gouvernement ein. Ich reise nach Marly ab. Diesen Abend werde ich Ihnen in Luciennes Alles sagen, was ich im gegenwärtigen Augenblick denke.
»Lebel,« sagte der König, »tragen Sie diesen Brief zu der Gräfin, und stellen Sie sich gut mit ihr, das rathe ich Ihnen.«
Der Kammerdiener verbeugte sich und ging ab.
XXIX.
Frau von Béarn
Der erste Gegenstand aller dieser wüthenden Gemüthsbewegungen, der Stein des Anstoßes aller dieser bei Hof gewünschten oder gefürchteten Scandale, Frau von Béarn reiste, wie Chon ihrem Bruder gesagt hatte, rasch gegen Paris.
Diese Reise war das Resultat von einer jener wunderbaren Eingebungen, welche in seinen Augenblicken der Verlegenheit dem Vicomte Jean zu Hülfe kamen.
Als er unter den Frauen des Hofes die so sehr ersehnte und so notwendige Pathin nicht fand, warf er, da die Vorstellung von Madame Dubarry nicht ohne eine solche statthaben konnte, die Augen auf die Provinz, untersuchte die Stellungen, durchforschte die Städte und fand, was er brauchte, an den Ufern der Maas, in einem ganz gothischen, aber wohl unterhaltenen Hanse.. Was er suchte, war eine alte Prozeßkrämerin und ein alter Prozeß.
Die alte Prozeßkrämerin war die Gräfin von Béarn.
Der alte Prozeß war eine Angelegenheit, von der ihr ganzes Vermögen abhing, und dessen Entscheidung Herrn von Maupeou anheimgegeben war; dieser aber war kurz zuvor mit Madame Dubarry in Verbindung getreten, mit der er einen bis dahin unbekannten Verwandtschaftsgrad entdeckt hatte, weshalb er sie seine Cousine nannte. Herr von Maupeou hatte in der Voraussicht der Kanzlerei für die Favoritin die ganze Inbrunst einer Freundschaft vom vorhergehenden Tage und eines Interesses vom nächstfolgenden, und wegen dieser Freundschaft und dieses Interesses war er vom König zum Vicekanzler ernannt worden, in einer Abkürzung aber nannte ihn die ganze Welt den Vice.19
Frau von Béarn war wirklich eine alte Prozeßkrämerin, sehr ähnlich der Gräfin d’Escarbagnas oder Frau von Pimbeche, den zwei guten Typen jener Zeit, führte übrigens, wie man sieht, einen herrlichen Namen.
Flink, mager, eckig, stets aufmerksam, stets Augen, denen einer erschrockenen Katze ähnlich, unter den grauen Brauen in ihren Höhlen wälzend, hatte Frau von Béarn die Tracht der Damen ihrer Jugend beibehalten, und da die Mode, so launisch sie auch sein mag, sich herbeiläßt, zuweilen wieder vernünftig zu werden, so war das Costume der Mädchen von 1740 zufällig das Kleid einer Alten im Jahre 1770.
Weite Guipures, Spitzenmäntelchen, ungeheurer Kopfputz, unermeßliche Taschen, colossaler Sack und eine Halsbinde von geblümter Seide, dies war die Tracht, unter der Chon, die vielgeliebte Schwester und Vertraute von Madame Dubarry, Frau von Béarn fand, als sie sich dieser unter dem Namen von Mademoiselle Flageot, das heißt, als die Tochter ihres Advokaten vorstellte.
Die alte Gräfin trug sie (es ist natürlich von der Kleidung die Rede) ebensowohl aus Geschmack, als aus Sparsamkeit. Sie gehörte nicht zu den Leuten, welche über ihre Armuth erröthen, denn diese Armuth rührte nicht von einen Fehler von ihr her. Sie bedauerte nur, nicht reich genug zu sein, um ihrem Sohn ein seines Namens würdiges Vermögen zu hinterlassen; dieser Sohn war ein ganz provinzmäßiger junger Mensch, schüchtern wie ein Mädchen und viel mehr den Süßigkeiten des materiellen Lebens, als den Gunstbezeugungen des Ruhmes zugethan.
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Leider ist der Doppelsinn des Wortes »le vice« daß Laster und »vice« gleichbedeutend mit dem auch in unserer Sprache ein: heimisch gewordenen »vice« nicht wiederzugeben