Die erste Liebe. Иван Тургенев

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Die erste Liebe - Иван Тургенев

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wo sind meine Schlüssel, hast Du sie nicht gesehen?

      Ich theilte der Mme. Sassekin die Antwort meiner Mutter auf ihren Brief mit. Sie hörte mir, mit den dicken rothen Fingern auf dem Fensterrahmen trommelnd, zu, und als ich zu Ende war, blickte sie mir abermals scharf in’s Gesicht.

      – Sehr wohl; ich werde nicht ermangeln, zu kommen, sagte sie endlich. Wie sind Sie aber noch jung! Wie alt, wenn ich fragen darf?

      – Sechzehn Jahre, gab ich, unwillkürlich stockend, zur Antwort.

      Die Fürstin langte aus ihrer Tasche einige beschriebene, beschmutzte Papiere hervor, hielt dieselben dicht vor die Nase und begann darin herumzublättern.

      – Ein schönes Alter, jagte sie auf einmal, indem sie sich auf ihrem Sitze hin und her bewegte. – Bitte, ganz ohne alle Umstände. Bei uns geht es einfach her.

      Die erste Liebe – Gar zu einfach, dachte ich, indem ich in unwillkürlicher Anwandlung von Ekel ihre ganze Gestalt betrachtete.

      In diesem Augenblicke ward eine andere Thür des Gastzimmers rasch geöffnet und an der Schwelle zeigte sich jenes junge Mädchen, das ich Tages zuvor im Garten gesehen hatte. Sie streckte die Hand vor und über ihr Gesicht zuckte ein Lächeln.

      – Und das hier ist meine Tochter, sagte die Fürstin, mir dem Ellenbogen auf dieselbe deutend. – Sinotschka, der Sohn unseres Nachbarn, des Herrn W . . . Wie ist Ihr Name, mit Erlaubniß?

      – Wladimir, erwiderte ich aufstehend und vor Aufregung stockend.

      – Und mit dem Vaternamen?

      – Petrowitsch.

      – Ah! Ich hatte einen Bekannten, er war Polizeimeister, der hieß auch Wladimir Petrowitsch Bonifacius! suche die Schlüssel nicht mehr; ich habe sie in meiner Tasche.

      Das junge Mädchen fuhr fort mich mit dem früheren Lächeln zu betrachten, sie blinzelte dabei etwas und hielt den Kopf auf die Seite geneigt.

      –– Ich habe Monsieur Woldemar schon gesehen, begann sie. (Der Silberklang ihrer Stimme durchrieselte mich wie freudiger Schauer) – Erlauben Sie mir, Sie so zu nennen?

      – Oh ich bitte, stammelte ich.

      – Wo denn? fragte die Fürstin.

      Die junge Fürstin gab ihrer Mutter keine Antwort.

      – Sind Sie jetzt beschäftigt? fragte sie mich, ohne den Blick von mir zu wenden.

      – Nein, jetzt nicht.

      – Wollen Sie mir helfen Wollgarn aufwickeln? Kommen Sie her zu mir.

      Sie nickte mir mit dem Kopfe zu und verließ das Gastzimmer. Ich folgte ihr.

      In dem Zimmer, das wir betraten, waren die Möbel etwas besserer Art und mit mehr Geschmack umhergestellt. – Uebrigens war ich in diesem Augenblicke nicht im Stande Etwas zu bemerken; ich bewegte mich wie im Traume und empfand in meinem ganzen Wesen ein bis zur Albernheit gesteigertes Wohlbehagen.

      Die junge Fürstin ließ sich nieder, holte ein Bündel rothen Garnes herbei, wies mir einen Stuhl, ihr gegenüber, an, machte behutsam das Garn los und legte es mir über die Hände. Alles dies that sie schweigend, mit einer gewissen ergötzlichen Langsamkeit und jenem heitern und schelmischen Lächeln auf den halbgeöffneten Lippen. Sie begann das Garn auf eine zusammengelegte Spielkarte zu wickeln und warf plötzlich einen so hellen und leuchtenden Blick auf mich, daß ich unwillkürlich die Augen niederschlug. Wenn sie ihre Augen, die sie meistentheils halbgeschlossen hielt, aufschlug – bekam ihr Gesicht einen ganz anderen Ausdruck: es schien gleichsam von Licht übergossen.

      – Was haben Sie gestern von mir gedacht, Monsieur Woldemar? fragte sie einiger Minuten darauf. – Gewiß haben Sie mich getadelt?

      – Ich . . . Fürstin . . . ich habe Nichts dergleichen gedacht . . . wie hätte ich so Etwas . . . entgegnete ich verwirrt.

      – Hören Sie, erwiderte sie. – Sie kennen mich noch nicht; ich bin sehr eigen; ich will, daß man mir die Wahrheit sage. Sie sind, wie ich höre, sechzehn, ich bin einundzwanzig Jahre alt: Sie sehen, ich bin viel älter als Sie, und darum müssen Sie mir immer die Wahrheit sagen . . . und mir gehorchen, setzte sie hinzu. – Sehen Sie mich doch an, warum sehen Sie mich nicht an?

      Das machte mich noch verwirrter, ich richtete indessen doch den Blick auf sie. Sie lächelte mir zu, doch nicht mit dem früheren, sondern einem anderen beifälligen Lächeln. – Lassen Sie Ihren Blick auf mir ruhen, sagte sie mit freundlicher, gedämpfter Stimme: ich habe es nicht ungerne. Ihr Gesicht gefällt mir; ich fühle es, daß wir Freunde sein werden. Und gefalle ich Ihnen? setzte sie schelmisch hinzu.

      – Fürstin . . . wollte ich beginnen . . .

      – Erstens, sollen Sie mich Sinaïde Alexandrowna nennen; zweitens – was für eine Gewohnheit haben diese Kinder (sie verbesserte sich) – diese jungen Leute – niemals gerade heraus zu sagen, was sie fühlen? Das paßt für Erwachsene. Ich gefalle Ihnen doch?

      Obgleich es mir sehr angenehm war, daß sie so aufrichtig mit mir sprach, fühlte ich mich doch dabei etwas verletzt. Ich wollte ihr zeigen, daß sie es nicht mit einem Knaben zu thun habe und sagte daher, mit möglichst ungezwungener und ernsthafter Miene: – gewiß, Sinaïde Alexandrowna, sie gefallen mir sehr; ich will es nicht läugnen.

      Sie schüttelte langsam den Kopf. – Haben Sie einen Gouverneur? fragte sie plötzlich?

      – Nein, ich habe schon lange keinen mehr.

      Es war eine Lüge; kaum mochte ein Monat vergangen sein, seit ich meinen Franzosen los ward.

      – Oh! jawohl, ich sehe es – Sie sind ja schon groß.

      Sie schlug mich leicht auf die Finger. – Halten Sie doch die Hände gerade! – Und emsig begann sie ihren Knäuel zu wickeln.

      Ich benutzte den Umstand, daß sie den Blick gesenkt hielt und betrachtete sie nun, anfangs verstohlen, nachher aber dreister und dreister. Ihr Gesicht däuchte mir noch reizender als am Abende vorher: so fein, klug und lieblich sah es aus. Sie saß mit dem Rücken gegen das Fenster, an welchem die weiße Gardine herabgelassen war; ein Sonnenstrahl, der durch die Gardine drang, beleuchtete mit mildem Lichte ihr dichtes, goldiges Haar, ihren jungfräulichen Hals, die runden Schultern und die zarte, ruhige Brust. – Ich war in Anschauen versunken – und wie theuer, wie traut wurde sie mir! Mich dünkte, ich wäre schon lange mit ihr bekannt, ich hätte bis dahin nichts gewußt, nicht gelebt . . . Sie hatte ein dunkles, schon abgetragenes Kleid an, und eine Schürze auf dasselbe gebunden: gern hätte ich jede Falte dieses Kleides, dieser Schürze geküßt. Die Spitzen ihrer Halbstiefeln guckten unter ihrem Kleide hervor: ich wäre mit Vergnügen vor diesen Halbstiefeln niedergefallen . . . Und da sitze ich jetzt vor ihr, dachte ich, habe ihre Bekanntschaft gemacht . . . welch ein Glück, o mein Gott! Ich wäre vor Entzücken beinahe vom Stuhle aufgesprungen, schlenkerte indessen blos leicht mit den Füßen, wie ein Kind, das sich am Naschwerk lechzt.

      Mir war wohl, wie dem Fische im Wasser, und ich hätte eine Ewigkeit in diesem Zimmer, auf demselben Flecke sitzen bleiben mögen.

      Langsam schlug sie die Augenlider auf und wiederum strahlten mir ihre hellen Augen freundlich entgegen – und wiederum lächelte sie mich an.

      – Wie Sie mich aber ansehen, – sagte sie langsam und drohte mir mit dem Finger.

      Ich

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