Das Schatzhaus des Königs. Wilhelm Walloth

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Das Schatzhaus des Königs - Wilhelm Walloth

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musterte gleichmütig die stolzen Beamten, erlaubte sich zuweilen spitzige Reden und fügte sich mit verdrossenem Lachen den Befehlen. Einmal, als er sich ein wenig von der Arbeit erholte, zog er die Rolle hervor, um, wie er öfter tat, die Ratschläge des Vaters zu durchfliegen. Diese Unvorsichtigkeit wäre ihm beinahe schlecht bekommen; der Oberaufseher nämlich, der ihn beobachtet hatte, riß ihm das Blatt aus den Händen.

      »Was liest der elende Ebräer?« schrie er, »Lesen ist Gift für euch; das macht euch klug, und wir können euch nur brauchen, wenn ihr wie die Tiere seid. Lesen die Hunde auch? Für jeden Buchstaben einen Geißelhieb; entblöße den Nacken.«

      Isaak erbleichte; wenn des Wütenden Blick auf das Geschriebene fiel – er war verloren.

      »Was ist das für ein erbärmliches Geschreibe,« höhnte der Beamte weiter, »laß mich es lesen –«

      »Herr,« stammelte der verwirrte Jude endlich, »es sind – es sind Gebete!«

      »Wie?«

      »Ebräische Gebete, die Euch gewiß nur langweilen oder gar empören, gebt sie mir zurück.«

      »Gebete?« lachte der Ägypter, »wirklich? O du frommer und getreuer Isaak.«

      Schon entrollte der Aufseher das Blatt, schon begann er nach dem Anfang zu suchen; Isaak sah das Henkerbeil dicht an seinem Halse, er streckte die Hand krampfhaft nach dem Blatt aus; seiner wie zugeschnürten Kehle entrangen sich ächzende Laute.

      »Es ist nicht zu entziffern,« sagte der Aufseher, und aus seinen Händen flog der Papyrus in das Feuer, welches sich in der Nähe befand, um allzu nasse Ziegel rascher zum Trocknen zu bringen.

      Mit welch erleichtertem Herzen Isaaks Auge der Vernichtung des verhängnisvollen Schriftstücks folgte, läßt sich denken.

      Als er gegen Abend zu Hause ankam, trat ihm Rebekka, ihre Erregung dämpfend, entgegen.

      »Sieh, Isaak,« flüsterte sie, »mein Tanzen brachte nur an diesem Tag genug ein, um eine Laterne mit allseitigem Glasverschluß und diesen Dolch zu kaufen. Beides werden wir brauchen können, denn ich wünsche, daß du, sobald die Nacht über den Dächern von Memphis hängt, den gefahrvollen Gang nach dem Schatzhause wagst.«

      Isaak erbleichte bei dieser Auseinandersetzung. Rebekka, als sie gewahrte, wie er die Ausführung gerne hinausgeschoben, versuchte zu lachen. Sie warf sich darauf an seinen Hals, liebkoste ihn, streichelte ihm die blassen Wangen und bat ihn, Mut zu fassen; sie wolle, sobald der Mond aufgegangen sei, sich an die Paläste heranschleichen, um dort die Wächter mit ihren Künsten zu umstricken; er solle sich, solange dies geschehe, im Schilf des Nil versteckt halten, bis sie ihn rufe.

      »Mut, Brüderchen,« lächelte die Schlaue, »du zitterst, wie eine kranke Tänzerin, wie kannst du den Anblick der königlichen Kostbarkeiten ertragen? Ihr Anblick wird dir den Erstickungstod bringen. Sei feierlich und stille, wie ein ägyptischer Priester, wenn er sich vor seinem Steingott verbeugt. Schreite dumm und gleichmütig durch die Straßen, wie der Stier Apis, wenn er in Prozession umhergeführt wird, und lasse keine Seele ahnen, was du in deinem Busen für glühende Plane nährest. Übrigens werde ich den Dolch zu mir stecken, denn deinen zitternden Händen entfällt er, ich aber, die Biene, brauche den Stachel.«

      »Glaubst du, ich sei so mutlos?« sagte Isaak, »wenn ich zittere, ist es vor Entzücken, vor Erwartung; alle meine Adern sind gespannt zu dem Werk, wie Bogensehnen.«

      Darauf führte ihn Rebekka heiteren Sinnes vor einen reich mit Speisen besetzten Tisch, indem sie ihm erklärte, ein befriedigter Magen sei die Triebfeder jeder großen Tat, ein leerer Magen bedinge einen leeren Kopf, und Gott habe nur deshalb die Welt so schön schaffen können, weil er nie Hunger zu leiden brauchte. Sie habe mühsam genug Wein und Braten ersungen, aber er solle unbesorgt essen, sie würde vom Zusehen satt. Isaak fiel mit staunenswerter Geschicklichkeit über die Speisen her, indessen sie sich an seiner Gier ergötzte. Endlich machte sie ihn darauf aufmerksam, daß die Schüsseln geleert seien, und daß der Mond am Himmel stünde; es sei Zeit, zum geheimen Wagnis zu schreiten. Eben wollte Isaak die Laterne ergreifen, da pochte es heftig an die Türe. Ohne den Willkomm abzuwarten, schritt ein königlicher Beamter, angetan mit dem gestreiften Kopftuch, ins Zimmer, indem er eine Papyrusrolle entfaltete und dieselbe den beiden Erschrockenen, die schon an Gefangennahme dachten, vorhielt.

      »Lest,« sagte er kurz, »habt ihr verstanden? Was steht das Judengesindel und starrt mich an, als sei ich eine dem Grabmal entstiegene Mumie?«

      Rebekka gewann zuerst wieder die Sicherheit ihrer Sinne. Sie überflog das Blatt und sprach darauf zu Isaak, während der Beamte die Rolle einsteckte: »Es ist allen Juden verboten, so kündet dieses Blatt, heute und morgen ihre Wohnungen zu verlassen, weil Ramses, der Sohn der Sonne, siegreich zurückkehrt aus der Feldschlacht gegen die Chetas.«

      »Ja,« sagte der Beamte, »eure Gegenwart soll den festlichen Aufzug nicht entweihen, ihr Schakale. Aber einen Kuß könntest du mir doch reichen, Jüdin, du bist verflucht hübsch; so malen sie die Göttin Isis holdlächelnd auf die Wände des Tempels. Komm, kleine, weiße Schilfschlange, laß dich fangen.«

      Rebekka wehrte lachend ab, während sich der derbe, braunrote Ägypter, von Begierde entzündet, wild an sie schmiegte, reiche Belohnung bietend. Bald kamen noch einige Ägypter, brachten Wein und stritten sich um den Besitz der Jüdin. Isaak suchte ärgerlich sein Lager; dies Hindernis kam ihm sehr ungelegen; er sann darüber nach, ob er es vielleicht umgehen könnte, während die lebenslustigen Zechgenossen Rebekka in ein Nebengemach zogen, aus welchem bald Gesang und Gelächter das stille Haus durchtobten.

* * *

      Menes hatte indes keinen Tag vorübergehen lassen, ohne eifrig danach zu trachten, mit dem Mädchen auf irgendeine Art, an irgendeinem Ort wieder zusammenzutreffen; leider lange erfolglos. Eine glühende, verzehrende Sehnsucht bemächtigte sich seines träumerischen Gemüts; die Abwesenheit ihrer Gestalt hielt seine Phantasie in beständiger Spannung; im wachen Traume sah er sie vor sich; auf den Straßen ließ er kein Gesicht an sich vorüber, ohne es beobachtet zu haben. Es wurde ihm klar, daß sie ihn absichtlich mied. Eines Morgens war er, eine halbe Stunde oberhalb Memphis, am Nil auf und ab gewandelt, um ein astrologisches Werk zu studieren. Der Ort war still; rings vom hohen Schilfe eingerahmt, war er wie gemacht zum heimlichen Studierzimmer. Das Geflügel im Schilf plauderte in der Ferne, die Frösche sangen ihr eintöniges Lied herüber, das stille Leben der Wassertiere bot Anlaß zu manchen sinnigen Betrachtungen. Sollte man, sagte er zu sich selbst, nicht glauben, wenn man das behagliche Treiben dieser kleinen Geschöpfe im goldglänzenden Wasser beobachtet, es fehle ihnen nichts, sie seien völlig glücklich! Und doch lauert auf jedes dieser Wesen schon ein anderes, welches seiner zur Nahrung bedarf. Keines dieser Geschöpfe ist seines Daseins sicher, ihr Leben ist nur eine Galgenfrist, viele dieser Tiere entstehen nur, um größeren zur Speise zu dienen. Ein solches Stückchen Uferschilf ist ein verkleinertes Bild des Menschenlebens. Menes hatte sich eben niedergelassen, eine Schnecke vor den Bissen eines wurmartigen Weichtiers zu retten, als ein nicht sehr entfernter Schrei an sein Ohr schlug. Rasch sprang er auf. Das war ein menschlicher Schrei! Wer konnte hier in der Nähe sein? Vielleicht ein wasserschöpfendes Weib, das von einem Krokodil überrascht wurde? Doch Krokodile ließen sich in solcher Nähe der Stadt kaum mehr sehen. Er lauschte gespannt; der Schrei wiederholte sich nicht; brütende Sonnenhitze lag auf dem entfernteren, blitzenden Nil, leise säuselte das Rohr. Hatte er sich getäuscht? War es eine Vogelstimme gewesen? Er bog um ein dichtes Schilfgestrüpp, hielt die Hand vor das sonngeblendete Auge und gewahrte im Rohr, wie in einem Gitterwerk, zu seiner größten Überraschung eine Gestalt. Diese Gestalt stand aufrecht mitten im Wasser; ihr Haupt hing, von einem Tuche bedeckt, auf die Brust herab wie geknickt; ihre Füße verschwanden unter den Wellen; so stand sie, wie eine steinerne Göttin. Ja, es war ein Weib, das dort stand und rätselhafterweise nicht untersank. Er bog das Schilf völlig zurück – bei allen Göttern! war sie es?

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