Das Schatzhaus des Königs. Wilhelm Walloth
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Читать онлайн книгу Das Schatzhaus des Königs - Wilhelm Walloth страница 5
»Ei wie! ei was!« polterte sie grämlich, »stecke es dem Herrn an die Verzierungen seines Halskragens, er nimmt es dann gewiß! Nun! näher! komm! tritt dicht zu ihm!«
Wieder flüsterte sie Menes ein paar Aufforderungen ins Ohr, die diesen entrüsteten.
»Schweige mir,« sagte er ernst, »tückische Verführerin dieser Unschuldigen. Dich aber warne ich, die du dieser Wilden so willig folgst! Hüte dich vor ihren Lockungen.«
»Ei beim Apis und allen heiligen Krokodilen,« lachte die Begleiterin auf, »ich erkenne ihn jetzt erst? Er ist es! Es ist unser frommer Menes! Seht nur den sittenfesten Jüngling! Mit zwanzig Schilden hat er seine Tugend umgürtet!«
Lachend sprang sie an die Seite des Jünglings, nahm, ohne zu fragen, ihrer furchtsamen Freundin den Strauß ab und nestelte ihn an des jungen Mannes Kleidung. Dieser aber fuhr betroffen zurück, denn Rebekka, die Tänzerin, stand vor ihm. Er schleuderte unwillig die Blumen von sich; als jedoch zufällig sein erzürnter Blick auf das andere der beiden Mädchen fiel, stockte ihm das heftige Wort auf der Zunge, das er in Bereitschaft hatte. Er sah, wie das flehende, schwarze Auge Myrrahs ihn um Verzeihung bat, er sah, wie sie vorsichtig die gemißhandelten Blumen vom Erdboden aufhob, und wie sie sich dann bescheiden zum Gehen wendete. Ein gewisses Mitleid überkam ihn, er faßte das Mädchen bei der Hand.
»Dir zürne ich nicht,« sprach er mit weicher Stimme, »du scheinst sittsam und sanft, mein Zorn galt deiner Freundin.«
»Sie ist meine Freundin nicht,« fiel ihm das Mädchen hastig ins Wort.
»Nicht deine Freundin?«
»Nein, o nein.«
»Ich kann dich versichern, Jüdin, du erfreust mein Herz durch dies Bekenntnis. Aber warum gehst du mit ihr?«
»Wir wohnen in demselben Hause zusammen, Herr,« flüsterte sie, ihre ovalen, großen Augenlider niederschlagend. »Ich suche ihren Umgang nicht, sie drängt sich mir auf! Ich verkaufe Blumen an reiche Leute, Herr, da ich arm bin, wie alle Juden, und geschmäht werde, wie alle Juden. Rebekka gefällt mir gar nicht, sie will mich zu Bösem verleiten, denn dadurch, sagt sie, könne ich, wie sie es tut, viel erwerben.«
»Du aber gehst auf ihre Verlockungen nicht ein?«
»Lieber will ich verhungern,« entgegnete sie voll Abscheu, indem ein tiefes Rot ihre weiße Stirne überflutete. »Öffentlich tanzen, wie niedrig. O Herr! Doch es ziemt sich nicht, daß Ihr mit der Jüdin sprecht. Zwar es ist dunkel, man gewahrt uns nicht, doch es gibt so schlimme Menschen. Ihr bringt mich und Euch in Gefahr! Erlaubt Ihr, daß ich gehe?«
»Ich habe dir nichts zu erlauben,« sprach Menes befangen.
»So lebt wohl!«
»Darf ich dich – des Schutzes wegen, begleiten bis an dein Haus?« rief er der Gehenden nach.
»Es ist besser, ich gehe allein,« tönte es ihm aus der Dunkelheit zurück.
Sie verlor sich mit flüchtigen Schritten in den Straßen, Menes in einem eigenen Zustand träumerischen Hinbrütens zurücklassend. Noch klang ihm ihr weicher Flüsterton in der Seele nach, sein Auge suchte der Davoneilenden nachzuspähen; einige Zeit hindurch stand er regungslos auf demselben Ort. Da berührte ein warmer Hauch sein Ohr. »Nun, des frommen Jünglings Tugend fängt an, die Farbe zu verlieren,« kicherte es neben ihm. Ein rasches Umdrehen zeigte ihm Rebekkas listiges Gesicht, wie es hinter einer Mauer verschwand.
»Ich hasse dies Weib,« murmelte er vor sich hin, indem er sich zum Nachhausegehen anschickte. »Sie ist ein freches, widerwärtiges Geschöpf, und immer finde ich sie da, wo ich sie am wenigsten suche, wo sie mich am meisten belästigt. Gewiß sinnt sie mir Schlimmes, ihr Gelächter klang verräterisch.«
Im Weiterschreiten mußte er unwillkürlich wieder an Myrrah denken, wie sie so bescheiden die Augen vor ihm niederschlug und ihn fragte: »Ob sie nun gehen dürfe?« Wunderlich bestrickend klangen ihm diese Worte im Ohr. Ihr Herr zu sein, sie zum lieblichen Spielzeug zu haben, wie süß! Ein Lächeln spielte dabei um seine Lippen, das er aber sogleich mit Strenge unterdrückte. Er wollte sich auf andere Gedanken bringen, er dachte an seine Mutter, an die Stille der Nacht, an den Mond – vergeblich! das Bild der lieblichen Kleinen verfolgte ihn bis in sein geheimstes Empfinden. Wie töricht, ihn zu fragen: ob sie nun gehen dürfe? Aber sie ist eine Jüdin, ich muß sie aus meinen Gedanken verbannen, es ist nicht gut, sich mit Ebräern in Verkehr einzulassen. Wahrlich, hätte mich einer meiner Bekanntschaft mit dem Weibe plaudern sehen, mir würde Spott zuteil oder Strafe von der Mutter. So murmelte er vor sich hin, prüfende Blicke im Weiterschreiten um sich werfend. Die Nacht war nun völlig hereingebrochen, Straßen und Plätze lagen vom blassen Schimmer des Mondes kaum erhellt, die Volksmasse hatte sich ganz in das Innere der Stadt zurückgezogen. Menes hatte, verloren in seine Empfindungen, die bei seiner Naturanlage alle sofort mit einer tiefen, phantasievollen Heftigkeit auftraten, nicht auf den Weg geachtet. Bei der enormen Ausdehnung der Stadt waren ihm manche, besonders die jüdischen Stadtteile, fast völlig unbekannt, und ehe er sich's versah, geriet er in Unsicherheit, welche Straße ihn in den Palast seiner Mutter zurückführe. Wie ihm schien, näherte er sich dem am Nil gelegenen Teil des Judenviertels. Die Häuser waren niedrig, die Straßen enge und leer. Oft hatte es sich ereignet, daß Ägypter, die sich die Nacht hindurch in diesem Stadtteil aufgehalten oder ihn durchwandelt hatten, von keinem sterblichen Auge mehr gesehen wurden; sie waren habsüchtiger, rachsüchtiger Juden Beute geworden, ohne daß man je – selbst die Spur ihres Leichnams aufgefunden. Das Gewinkel der Straßen begünstigte dieses unsaubere Treiben, denn oftmals stießen die baufälligen Häuser so nahe aneinander, daß der Streitwagen eines Kriegers unfehlbar in dem Engpaß zerquetscht worden wäre, hätte er sich den Durchgang erzwingen wollen. Die aus rohen (mit Stroh untermischten) Backsteinen aufgeführten Wände dunsteten die am Tage eingesogenen Sonnenstrahlen glühend wieder aus; die kleinen blinzelnden Fenster berührten sich beinahe; der Mond wagte es kaum, in diese schwarzen, dem Laster, dem Schmutz und der Nacht geweihten Schachte hinabzulugen. Unserem Freund kam es in seiner Unbehaglichkeit vor, als wollten sich die Giebel über seinem Haupte schließen, wie Wellen. Immer weiter verlor er sich in den öden Windungen von Gäßchen; der Mond leuchtete ihm nicht, nur die kleine Lampe, welche die Buhlerin dicht an den Vorhang ihres Fensters gerückt, warf zuweilen einen traurigen Schimmer auf seinen einsamen Pfad.
»Ist es mir doch, als sei ich in das Labyrinth geraten und könne nie mehr den Ausweg finden,« murmelte er vor sich hin. Es schien ihm gefährlich, in einem der Häuser anzufragen, wo er sich befinde; einen Vorübergehenden hatte er bis jetzt noch nicht wahrgenommen, denn die Nacht war allmählich weit vorgerückt; es war ihm, als müsse er die Nacht in diesem Gewinkel statt in seinem Bette zubringen. Bald wandte er sich rechts, bald links, bald ging er die Gasse hinab, dann wieder herauf; schließlich wirbelte ihm der Kopf; dieses Kriechen durch endlose Schneckengänge brachte in seinem Hirn ein schwindelndes Gefühl hervor; alle seine Gedanken begannen sich im Kreise zu bewegen; die Häuser mit ihren Fenstern tanzten vor seinen Augen; er mußte sich erschöpft an den Pfosten einer Türe lehnen, um zu überlegen, ob er hier bis zum Morgengrauen warten solle. Kaum hatte sich sein ermüdeter Geist erholt, seine Verwirrung sich gelegt, als ein leiser Pfiff ganz in seiner Nähe ihm das Herz rascher schlagen machte. Gleich darauf wurden in der nächsten Gasse schlürfende Schritte laut. Sollte man ihn belauscht haben? Sollte man ihn verfolgen? Seine aufgeregte Phantasie begann zu schwärmen; was brachten ihm die nächsten Sekunden? Gespannt lauschte er auf das näherkommende Geschlürfe, das von den behutsam auftretenden Füßen mehrerer Männer herzurühren schien. Nun hielten die Schritte inne; dicht neben ihm, da, wo das Haus in die andere Gasse einbog, wurde geflüstert. Noch konnte er die Flüsternden nicht sehen, aber ihre Worte verstand er.
»Er ist ein Ägypter,« begann es neben ihm, »er ist vornehmer