Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe). Оскар Уайльд

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Weihnachtsgeschichten, Märchen  & Sagen (Über 100 Titel  in einem Buch - Illustrierte Ausgabe) - Оскар Уайльд

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und sagen, daß es geschehen dürfte. Sie lassen ihn besser, wo er ist. Er kann’s nicht mehr lange machen.«

      »Dies ist der einzige Gegenstand«, sagte Tugby und warf die Butterwage krachend auf den Ladentisch, weil er seine Faust darin wiegen wollte, »über den wir uns jemals gezankt haben, sie und ich; und was kommt nun dabei heraus? Er wird hier sterben, sterben auf unserm Grund und Boden, sterben in unserm Hause!«

      »Und wo hätte er sonst sterben sollen, Tugby?« sagte seine Frau.

      »Im Armenhause«, entgegnete er. »Zu welchem Zwecke sind die Armenhäuser da?«

      »Dazu nicht«, versetzte Mrs. Tugby mit großer Energie. »Dazu nicht. Deshalb hab’ ich dich auch nicht geheiratet. Das denke ja nicht. Eher würd’ ich mich scheiden lassen und niemals dein Gesicht wiedersehen. Als noch mein Witwenname über dieser Tür stand, wie das viele, viele Jahre der Fall gewesen ist, war das Haus der Mrs. Chickenstalker weit und breit bekannt, und immer stand es in gutem Rufe und großem Ansehen; als noch mein Witwenname über dieser Tür stand, Tugby, kannt’ ich ihn als einen hübschen, kräftigen, ansehnlichen, unabhängigen Burschen; ich kannte sie als das lieblichste, liebenswürdigste Mädchen, das je ein Auge erblickt hat; ich kannte ihren Vater (der arme Mann, er fiel vom Turme herunter, auf den er einmal im Schlafe gestiegen war, und fiel sich zu Tode) als den schlichtesten, arbeitsamsten und sanftherzigsten Menschen, der jemals geatmet hat; und wenn ich sie aus dem Hause stoße, mögen mich die Engel aus dem Himmel verstoßen! Und sie würden es mit Fug und Recht tun!«

      Ihr altes Gesicht, das so rund war und Grübchen in den Wangen hatte, bevor sie sich so verändert hatte, schien wieder hervorzuscheinen, als sie diese Worte sagte; und als sie ihre Augen trocknete und gegen Tugby den Kopf und zugleich ihr Taschentuch schüttelte mit einem Ausdrucke von Energie, dem offenbar nicht so leicht etwas entgegenzusetzen war, da sagte Trotty: »Gott segne sie! Gott segne sie!«

      Dann horchte er mit klopfendem Herzen auf das, was folgen würde, denn er wußte noch weiter nichts, als daß sie von Meg sprachen.

      Wenn Tugby in dem Zimmer ein wenig lustig und zufrieden gewesen war, so glich sich die Rechnung überreichlich aus, indem er im Laden ganz niedergeschlagen wurde und nun seine Frau anblickte, ohne ein Wort zu erwidern; heimlicherweise aber steckte er zugleich – entweder in einem Anfall von Zerstreuung oder aus Vorsorge für die Zukunft – alles Geld aus der Ladenkasse in seine Taschen.

      Der Gentleman auf der Biertonne, der ein bestellter Armenarztassistent zu sein schien, war offenbar viel zu sehr gewöhnt an Meinungsverschiedenheiten zwischen Mann und Frau, als daß er eine Bemerkung darüber gemacht hätte. Er saß leise vor sich hin flötend auf dem Faß und ließ kleine Biertropfen aus dem Zapfen auf die Erde laufen, bis vollkommene Stille eingetreten war: dann erhob er den Kopf und sagte zu Mrs. Tugby, verwitweten Chickenstalker: »Die Frau hat selbst jetzt noch etwas Anziehendes. Wie kam sie nur dazu, ihn zu heiraten?«

      »Das«, entgegnete Mrs. Tugby, sich in seiner Nähe niederlassend, »ist nicht der am wenigsten grausame Teil ihrer Geschichte. Sehen Sie, sie und Richard hatten vor vielen Jahren ein Verhältnis miteinander. Als sie noch ein junges schönes Paar waren, war alles beschlossen, und sie sollten sich an einem Neujahrstag heiraten. Da kam es Richard in den Kopf, weil vornehme Herren es ihm eingeredet hatten, daß er es klüger einrichten könnte und daß er es bald bereuen würde und daß sie nicht gut genug für ihn wäre und daß ein junger, intelligenter Mensch nicht verheiratet zu sein brauchte. Und die vornehmen Herren schüchterten sie ein, machten sie melancholisch und bange, daß er sie im Stich lassen und daß ihre Kinder an den Galgen kommen würden, und daß es gottlos sei, verheiratet zu sein und dergleichen Zeug mehr. Und kurz und gut: sie zauderten und zögerten, und ihr Vertrauen zu einander war untergraben, und so wurde schließlich das Verhältnis aufgelöst. Doch er hatte die Schuld. Sie würde ihn genommen haben, mit Freuden. Ich habe späterhin oft ihr Herz beben sehen, wenn er hochmütig, und ohne sie auch nur anzusehen, an ihr vorüberging; und niemals grämte sich ein Mädchen aufrichtiger um einen Mann, als da Richard anfing, auf schlechten Wegen zu gehen.«

      »O, ist er auf schlechte Wege geraten?« fragte der Gentleman, den Spund aus dem Bierfaß ziehend, um durch das Spundloch hineinzugucken.

      »Sehen Sie, ich glaube, daß er nicht recht wußte, was er wollte. Ich glaube, er hatte sich’s zu Herzen genommen, daß sie miteinander gebrochen hatten, und er hätte, wenn er sich nicht vor den vornehmen Herren geschämt und vielleicht auch unsicher gewesen wäre, wie sie es auffassen würde, gern alles auf sich genommen, um Megs Hand wiederzugewinnen. Dessen bin ich ganz gewiß. Er sagte nie etwas; desto schlimmer! Er ergab sich dem Trunk und Müßiggang, schlechte Gesellschaft, lauter Vergnügungen, die so und so viel besser für ihn sein sollten, als das häusliche Glück, das er hätte haben können. Er verlor sein gutes Aussehen, seinen guten Ruf, seine Gesundheit, seine Kräfte, seine Freunde, seine Arbeit, genug alles!«

      »Er verlor nicht alles, Mrs. Tugby«, entgegnete der Gentleman, »denn er bekam eine Frau, und ich möchte wissen, auf welche Weise er sie bekam.«

      »Ich komme sogleich darauf. Dies ging jahrelang so fort; er sank immer tiefer und tiefer; sie, das arme Wesen, hatte Not genug, um sich das Leben zu fristen. Endlich war er so heruntergekommen, daß niemand ihm mehr Arbeit geben oder Rücksicht auf ihn nehmen wollte, und die Türen wurden ihm vor der Nase zugemacht, er mochte kommen, wohin er wollte. Er wandte sich von Ort zu Ort und von Tür zu Tür, und als er nun zum hundertstenmal zu einem Herrn kam, der es gar oft mit ihm versucht hatte (denn er war ein guter Arbeiter bis zuletzt), sagte der Herr, der seine Geschichte kannte: ›Ich glaube, Ihr seid unverbesserlich; es gibt nur eine Person in der Welt, die Euch möglicherweise retten könnte: bittet mich nicht mehr um Vertrauen, bis sie es mit Euch versucht hat.‹ So was sagte er in seinem Ärger und Zorn.«

      »So!« sagte der Gentleman. »Nun?«

      »Nun, er ging zu ihr und kniete vor ihr nieder: sagte, es sei so und so: sagte, es sei immer so gewesen, und bat sie, ihn zu retten.«

      »Und sie – nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen, Mrs. Tugby.«

      »Sie kam an dem Abend zu mir und fragte mich wegen des Logis. ›Was er mir einst war, liegt in einem Grabe, neben dem, was ich ihm war. Doch ich habe es mir überlegt, und ich will den Versuch machen, in der Hoffnung, ihn zu retten: um der Liebe des leichtherzigen Mädchens willen (Sie kennen sie), welches an einem Neujahrstage heiraten sollte; und um der Liebe zu ihrem Richard willen. Und sie sagte, er wäre von Lilly zu mir gekommen, und Lilly hätte ihm vertraut, und sie könnte das nie vergessen. So heirateten sie sich, und als sie nach Hause kamen, und ich sah sie, da wünschte ich, daß solche Prophezeiungen, welche sie auseinandergebracht hatten, als sie jung waren, nicht oft so in Erfüllung gehen möchten, wie es in diesem Falle geschehen war, oder wenigstens wollte ich sie nicht wahrsagen um eine Mine Goldes.«

      Der Gentleman stand von dem Fasse auf und streckte sich, indem er hinwarf: »Er mißhandelte sie wohl, sobald sie verheiratet waren?«

      »Ich glaube nicht, daß er es jemals getan hat«, sagte Mrs. Tugby, schüttelte den Kopf und trocknete sich die Augen.

      »Er führte einige Zeit ein besseres Leben. Seine Gewohnheiten aber waren zu eingewurzelt und stark, als daß er von ihnen sich hätte befreien können. Er bekam bald einen kleinen Rückfall, und dies wiederholte sich immer öfter, bis ihn seine Krankheit niederwarf. Ich glaube, er hat immer viel für sie empfunden. Ich weiß, ich habe es gesehen, wenn er weinend und zitternd ihre Hand zu küssen suchte, und ich habe gehört, wenn er sie Meg rief und sagte, es wäre ihr neunzehnter Geburtstag. Da hat er nun gelegen Wochen und Monate. Mit ihm und ihrem Kinde über ihre Kräfte in Anspruch genommen, ist sie nicht imstande gewesen, ihre alte Arbeit zu verrichten, und da sie diese nicht regelmäßig liefern konnte, hat sie sie ganz verloren, selbst wenn sie damit hätte fertig werden können.

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