Dr. Norden Staffel 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Einen Moment lang verharrte Natascha noch reglos am Geländer. Dann stieß sie sich ab und kam auf Manfred zu. Sie setzte sich rittlings auf seinen Schoß und nahm sein Gesicht in ihre Hände, wie er es zuvor bei ihr getan hatte.
»Das ist eine furchtbare Nachricht«, gestand sie und versank in seinen Augen wie in einem tiefen Meer. »Und ich mache mir nichts vor. Ich weiß, dass ich auf vieles verzichten muss, wenn ich bei dir bleibe. Wir werden beide viel Kraft brauchen, mit dieser Situation klarzukommen.« Sie machte eine Pause und dachte nach. Als sie fortfuhr, standen Tränen in ihren Augen. »Aber ich liebe dich nun mal, Freddy. Ich habe mich schon für dich entschieden, als ich dich dort auf der Treppe vor der Schule zum ersten Mal sah …«
»Du auch? An deinem ersten Tag schon?«, fragte Manfred ungläubig. Auch ihm hatte sich ihre erste Begegnung ins Gedächtnis gemeißelt.
»Es war ganz seltsam. Wie ein Blitz fuhr mir der Gedanke in den Kopf, dass du der Mann bist, mit dem ich mein Leben verbringen werde. Ich liebe dich einfach!«
Er schluckte schwer.
»Hast du den Rollstuhl verge…«, wollte er einwenden, als sie ihre Hand sanft auf seinen Mund legte und unter Tränen lächelte.
»Die Operation wird gut verlaufen«, erklärte sie entschieden.
»Und wenn nicht?«
Natascha schniefte.
»Dann werden wir das eben auch meistern. Immerhin wirst du nicht der erste Behinderte auf dieser Welt sein. Und auch nicht der letzte.« Alles in ihr wehrte sich dagegen, in Trübsinn zu verfallen. Das Leben forderte sie heraus. Und sie war bereit, diese Herausforderung anzunehmen.
Manfred lächelte gequält.
»Laut Drehbuch müsste ich jetzt sagen, dass ich dieses Opfer nicht annehmen kann.« Er legte die Hände um ihre schmalen Hüften. »Dummerweise bin ich so selbstsüchtig, dass ich das wohl kaum über mich bringen werde. Ich kann mir ein Leben ohne dich nämlich auch nicht mehr vorstellen. Ohne dein Lächeln, mit dem du mühelos die Welt retten könntest. Ohne deine Stimme wie Puderzucker.« Er betrachtete sie mit einer Mischung aus unendlicher Zärtlichkeit und tiefer Wehmut. »Trotzdem wünsche ich mir, dass du dir Zeit nimmst und noch einmal über alles nachdenkst. Ich will auf keinen Fall, dass du an meiner Seite unglücklich wirst.«
»Ich werde unglücklich, wenn ich dich verliere«, erwiderte Natascha ohne Zögern und schmiegte sich an ihn. »Ich will mit dir leben, Freddy. Ganz egal, was auf uns zukommt.« Eine Weile herrschte Stille zwischen ihnen. Plötzlich hob Natascha den Kopf und sah ihm in die Augen. »Aber ich habe eine Bitte.«
»Ja?«
»Lass uns vor der Operation heiraten.«
*
Schnell und fast schmerzlos verabbreichte Wendy dem blonden Patienten die Injektion.
»So, fertig.«
Er lächelte erleichtert und sichtlich überrascht.
»Wirklich? Ich hab ja gar nichts gemerkt. Cool!«, lächelte er anerkennend und ließ sich willig ein kleines Pflaster auf die Einstichstelle kleben. »Sie haben echt Talent. Stellen Sie sich vor, neulich war ich beim Blutspenden. Da haben die eine Praktikantin hingesetzt, die hat vielleicht in meiner Vene herumgestochert.« Theatralisch verdrehte er die Augen gen Himmel. »Es hat über eine Woche gedauert, bis ich den blauen Fleck hinterher wieder los war. Und das im Sommer, wo ihn jeder sehen kann. So muss sich ein Junkie fühlen.«
Lächelnd hatte Wendy gelauscht und räumte nebenbei auf. Sie warf die Spritze in einen Eimer und entließ den jungen Mann schließlich.
»Das war’s für heute«, erklärte Danny erleichtert, als sie an die Theke zurückkehrte.
»Niemand mehr da?« Sie warf einen Blick ins Wartezimmer. Es war leer, ganz wie der junge Arzt bereits angekündigt hatte.
»Der Rest der Menschheit ist entweder gesund oder lässt sich woanders behandeln«, lächelte Danny zufrieden mit sich und seinen Patienten. »Dann mache ich mich mal schnell auf den Weg zu Tatjana.«
»Was habt ihr zwei Hübschen denn heute vor?« Wendy bewunderte die Orientalistik-Studentin, die nach einem Autounfall, bei der ihre Mutter ums Leben gekommen war, erblindet war. Trotz ihrer Behinderung hatte Tatjana ihr Leben mit einer bewundernswerten Selbstständigkeit geführt, liebte es, ins Kino und ins Schwimmbad zu gehen und bediente sogar in einem kleinen Café mitten in München. Trotzdem war sie das Wagnis eingegangen und hatte sich Netzhautchips einsetzen lassen, um sich das Leben ein bisschen leichter zu machen. Dieses Hilfsmittel ermöglichte ihr zwar keine wirkliche Sehkraft, doch konnte sie wenigstens Hell und Dunkel unterscheiden und markante Konturen in ihrer Umgebung erkennen.
»Wir gehen ins Kino. Es gibt einen neuen Film, den Tatjana unbedingt sehen will.«
Ihre Leidendschaft fürs Kino war trotz der Sehhilfe ein Rätsel für Wendy.
»Dann wünsche ich euch viel Spaß«, erklärte sie herzlich und setzte sich an ihren Schreibtisch, um noch ein wenig Ordnung zu schaffen. »Dein Vater ist heute Abend übrigens auch unterwegs.«
»Das Laienschauspiel …, ja ich weiß«, grinste Danny fast ein wenig schadenfroh. »Sie sollten auch sehen, dass Sie mal wieder rauskommen«, mahnte er Wendy noch, ehe er ihr zum Abschied winkte und die Praxis verließ.
Wendy lächelte wehmütig, als sie sich über ihren Schreibtisch beugte. Eine Weile arbeitete sie konzentriert, bis sie das seltsame Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Irritiert blickte sie hoch und sah direkt in die freundlichen Augen von Dr. Gutbrodt. Unwillkürlich zuckte sie zusammen.
»Du liebe Zeit!«, entfuhr es ihr.
»Habe ich Sie erschreckt? Das tut mir leid.«
»Ich dachte, Sie sind längst weg.« Wendy atmete tief durch, um sich zu entspannen, stellte aber fast gleichzeitig fest, dass das in Gegenwart des smarten Prüfers nicht möglich war. Alexander Gutbrodt hatte eine Anziehungskraft auf sie, der sie sich nur schwer entziehen konnte. »Sie haben Glück, dass ich noch da bin. Sonst hätte ich Sie hier eingeschlossen, und Sie hätten die ganze Nacht hier verbringen müssen.«
»Keine Sorge, das wäre nicht passiert«, beruhigte Alexander sie lächelnd. »Ich habe nur auf eine Gelegenheit gewartet, Sie alleine anzutreffen. Da das nur abends der Fall zu sein scheint, habe ich kurzerhand eine Überstunde eingelegt«, erwiderte er mit seiner warmen, sympathischen Stimme.
Sein Lächeln erreichte seine Augen und kräuselte die feinen Fältchen in den Augenwinkeln.
Wendy spürte, wie ihre Wangen heiß wurden.
»Ich möchte meine Einladung von neulich wiederholen. Haben Sie zufällig Zeit und Lust, heute mit mir essen zu gehen?«, fuhr Dr. Gutbrodt schnell fort, solange die drohende Stimme in seinem Kopf still schwieg. Den ganzen Nachmittag hatte er dazu gebraucht, sie zum Schweigen zu bringen, sich davon zu überzeugen, dass er das Pech nicht gepachtet hatte. Dass sich die Geschichte nicht zwingend wiederholte. Jetzt hieß es schnell