Jane Eyre. Шарлотта Бронте
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Читать онлайн книгу Jane Eyre - Шарлотта Бронте страница 43
»Ist Mr. Rochester ein strenger und kleinlicher Herr?« fragte ich.
»Nicht gerade das; aber er hat die Neigungen und Gewohnheiten eines Gentleman und er erwartet, dass alle Dinge sich dem anpassen.«
»Lieben Sie ihn? Ist er allgemein beliebt?«
»O ja. Die Familie hat hier stets in großer Hochachtung gestanden. Seit Menschengedenken hat alles Land in der Gegend, so weit das Auge reicht, den Rochesters gehört.«
»Gut; aber lieben Sie ihn, ganz abgesehen von seinen Besitzungen? Lieben Sie ihn um seiner selbst willen?«
»Ich habe keine Ursache, etwas anderes zu tun, als ihn zu lieben, und ich glaube auch, dass seine Pächter und Untergebenen ihn als einen freigebigen und gerechten Gebieter betrachten; aber er hat niemals viel unter ihnen gelebt.«
»Aber hat er keine Eigentümlichkeiten? Kurz und gut, wie ist sein Charakter?«
»O, sein Charakter ist fleckenlos. Das glaube ich wenigstens. Vielleicht ist er in manchen Dingen ein klein wenig seltsam; ich vermute, dass er viel gereist ist und viel von der Welt gesehen hat. Ich glaube auch, dass er sehr gescheit ist, aber ich habe niemals Gelegenheit gehabt, mich viel mit ihm zu unterhalten.«
»In welcher Weise ist er denn seltsam?«
»Ich weiß es nicht. Das ist nicht so leicht zu beschreiben – nichts besonders auffallendes, aber man fühlt es, wenn man mit ihm spricht. Man weiß niemals, ob er im Scherz oder im Ernst redet, ob er sich freut oder ob er sich ärgert. Kurzum, man versteht ihn nicht recht – wenigstens ich verstehe ihn nicht. Aber das schadet ja nicht; er ist ein sehr guter Herr und Gebieter.«
Dies war alles, was ich von Mrs. Fairfax über ihren Brotherrn und den meinen erfahren konnte. Es gibt Leute, welche meist nicht imstande zu sein scheinen, einen Charakter beschreiben zu können und die weder bei Menschen noch bei Dingen hervorragende Eigenschaften und Eigentümlichkeiten bemerken, – und augenscheinlich gehörte die gute Dame zu diesen; meine Fragen verblüfften sie, brachten sie aber nicht zum Sprechen. Mr. Rochester war in ihren Augen Mr. Rochester, ein Gentleman, ein Gutsbesitzer – nichts anderes; sie fragte und suchte nicht weiter und wunderte sich augenscheinlich über meinen Wunsch, einen bestimmteren Begriff seiner Persönlichkeit zu bekommen.
Als wir das Speisezimmer verließen, schlug sie mir vor, mir den übrigen Teil des Hauses zu zeigen; und ich folgte ihr treppauf, treppab und bewunderte alles im Gehen, denn alles war schön und geschmackvoll arrangiert. Besonders die großen Zimmer an der Vorderseite des Hauses erschienen mir prächtig und imposant, und einige der Zimmer des dritten Stocks, obgleich düster und niedrig, waren interessant durch ihr altertümliches Aussehen. Die Möbel, welche einst für die unteren Gemächer angeschafft worden, waren je nach den Anforderungen der Mode von Zeit zu Zeit hier herauf geschafft, und das unsichere Licht, welches durch die niederen Fenster eindrang, fiel auf Bettstellen, welche mehr als ein Jahrhundert zählten; Truhen aus Nuss- und Eichenholz sahen mit ihren seltsamen Schnitzereien von Palmenzweigen und Engelsköpfen aus wie die Typen der Arche Noah; Reihen von ehrwürdigen Stühlen mit schmalen und hohen Lehnen; noch ältere Lehnstühle, auf deren gepolsterten Lehnen noch Spuren halbverwitterter Stickereien, welche vor zwei Generationen von Fingern gearbeitet waren, die längst im Grabe moderten. All diese Reliquien verliehen dem dritten Stockwerk von Thornfield-Hall das Aussehen eines Heims der Vergangenheit, eines Schreins der Erinnerungen. Ich liebte die Ruhe, das Dämmerlicht, die Eigentümlichkeit dieser Räume während der Tageszeit; aber ich wünschte mir durchaus nicht das Vergnügen einer Nachtruhe auf diesen großen und schweren Betten, deren einige durch Türen von Eichenholz abgeschlossen, andere mit schweren alten Vorhängen von englischer Arbeit verdeckt waren, deren Muster seltsame Blumen und noch seltsamere Vögel und die allerseltsamsten menschlichen Gestalten darstellten – wie seltsam würden erst all diese Dinge im bleichen Mondlicht ausgesehen haben!
»Schlafen die Diener in diesen Zimmern?« fragte ich.
»Nein, sie bewohnen eine Reihe kleinerer Gemächer an der Hinterseite des Hauses; hier schläft niemand; man möchte beinahe glauben, dass wenn wir in Thornfield-Hall einen Geist hätten, dies sein Schlupfwinkel wäre.«
»Das glaube ich auch. Sie haben also keinen Geist hier?«
»Ich habe wenigstens niemals davon gehört«, entgegnete Mrs. Fairfax lächelnd.
»Auch keine darauf bezügliche Tradition? Keine Legenden, keine Geistergeschichten?«
»Ich glaube nicht. Und doch sagt man, dass die Rochesters ihrer Zeit ein mehr streitsüchtiges als friedliebendes Geschlecht gewesen. Aber vielleicht ist gerade das der Grund, weshalb sie jetzt ruhig in ihren Gräbern liegen.«
»Ja, ja – sie ruhen aus nach dem verzehrenden Fieber des Lebens«, murmelte ich. – »Wohin gehen Sie denn jetzt, Mrs. Fairfax?« denn sie ging weiter.
»Hinauf auf das Dach; wollen Sie mit mir gehen, um die Aussicht von dort zu genießen?« Ich folgte ihr über eine sehr enge Treppe zu den Bodenkammern hinauf, und von dort über eine Leiter und durch eine Falltür auf das Dach des Herrenhauses. Ich befand mich jetzt auf gleicher Höhe mit der Krähenkolonie und konnte einen Blick in ihre Nester werfen. Als ich mich über die Zinnen lehnte und weit hinunter blickte, sah ich den Park und die Gärten wie eine Landkarte vor mir liegen; der helle, wie Samt geschorne Rasen, der sich dicht um das graue Fundament des Hauses zog; die Felder und Wiesen, auf denen hier und da große Haufen von starkem Bauholz lagen; der ernste, düstere Wald, durch welchen sich ein Fußsteig zog, dessen Moos grüner war als das Laub der Bäume; die Kirche an der Parkpforte; die Landstraße; die Hügel, welche majestätisch und ruhig in das klare Sonnenlicht des Herbsttages hineinragten; der weite, tiefblaue, mit leichten Federwölkchen besäete Himmelsbogen, das ganze vor mir liegende Bild hatte keinen besonders hervorragenden Zug, aber es war lieblich und wohlgefällig.