Jane Eyre. Шарлотта Бронте

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Jane Eyre - Шарлотта Бронте 99 Welt-Klassiker

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      »Ge­fal­len! Nun, das ist ge­ra­de wie­der wie ein Kind! Kann sie bei ih­rem Al­ter denn noch nicht al­lein ge­hen? Sie muss doch acht oder neun Jah­re alt sein?«

      »Je­mand hat mich zu Bo­den ge­schla­gen«, lau­te­te die der­be Er­klä­rung, wel­che der Schmerz ge­kränk­ten Stol­zes mir wie­der­um ent­riss, »aber das hat mich nicht krank ge­macht«, füg­te ich hin­zu, wäh­rend Mr. Lloyd be­däch­tig eine Pri­se Ta­bak nahm.

      Als er die Ta­baks­do­se wie­der in sei­ne Wes­ten­ta­sche schob, rief der lau­te Klang ei­ner Glo­cke die Dienst­bo­ten zum Mit­ta­ges­sen; er wuss­te, was es be­deu­te­te: »Das gilt Ih­nen, Wär­te­rin«, sag­te er, »Sie kön­nen hin­un­ter ge­hen; ich wer­de Miss Jane ei­ni­ge Leh­ren ge­ben, bis Sie zu­rück­keh­ren.«

      Bes­sie wäre lie­ber ge­blie­ben, aber sie war ge­zwun­gen zu ge­hen, weil die Pünkt­lich­keit bei den Mahl­zei­ten eine Sa­che war, auf wel­che in Ga­tes­head-Hall stren­ge ge­hal­ten wur­de.

      »Der Fall hat Sie nicht krank ge­macht? Nun, was war es denn?« frag­te Mr. Lloyd wei­ter, nach­dem Bes­sie ge­gan­gen war.

      »Ich war in ei­nem Zim­mer ein­ge­sperrt, wo ein Geist um­geht – und es war schon lan­ge dun­kel.«

      Ich sah, wie Mr. Lloyd lä­chel­te und zu­gleich die Stirn run­zel­te. »Ein Geist! Was! Sie sind am Ende doch nichts an­de­res, als ein klei­nes Kind! Sie fürch­ten sich vor Geis­tern?«

      »Ja, vor Mr. Reeds Geist fürch­te ich mich. Er starb in je­nem Zim­mer und lag dort auf der Bah­re. We­der Bes­sie noch sonst je­mand geht am Abend hin­ein, wenn es nicht drin­gend not­wen­dig ist; und es war so furcht­bar grau­sam, mich dort al­lein, ohne Licht, ein­zu­schlie­ßen – so grau­sam, dass ich glau­be, ich wer­de es nie­mals ver­ges­sen kön­nen.«

      »Un­sinn! Und macht das Sie so elend? Fürch­ten Sie sich jetzt bei Tage auch noch?«

      »Nein. Aber es dau­ert nicht lan­ge und dann wird es wie­der Nacht. Und au­ßer­dem, ich bin un­glück­lich, sehr un­glück­lich um an­de­rer Din­ge wil­len.«

      »Was für Din­ge denn? Kön­nen Sie mir die nicht nen­nen?«

      Wie sehr wünsch­te ich, of­fen und ehr­lich auf die­se Fra­ge zu ant­wor­ten! Wie schwer war es aber, Wor­te für eine sol­che Ant­wort zu fin­den! Kin­der kön­nen wohl emp­fin­den, aber sie kön­nen ihr Emp­fin­den nicht zer­glie­dern; und wenn ih­nen die Zer­glie­de­rung zum Teil auch in Ge­dan­ken ge­lingt, so wis­sen sie nicht, wie sie das Re­sul­tat die­ses Vor­gan­ges in Wor­te klei­den sol­len. Da ich aber fürch­te­te, dass ich die­se ers­te und ein­zi­ge Ge­le­gen­heit, mei­nen Kum­mer durch Mit­tei­lung zu er­leich­tern, un­ge­nützt vor­über­ge­hen las­sen könn­te, ge­lang es mir nach ei­ner un­ru­hi­gen Pau­se, eine un­zu­läng­li­che, aber wah­re Ant­wort her­vor­zu­brin­gen.

      »Ers­tens habe ich kei­nen Va­ter, kei­ne Mut­ter, kei­nen Bru­der, kei­ne Schwes­ter.«

      »Aber Sie ha­ben eine gü­ti­ge Tan­te und lie­be Vet­tern und Cou­si­nen.«

      Wie­de­r­um hielt ich inne, dann rief ich kin­disch aus:

      »Aber John Reed hat mich zu Bo­den ge­schla­gen und mei­ne Tan­te hat mich im ro­ten Zim­mer ein­ge­sperrt.«

      Zum zwei­ten Mal hol­te Mr. Lloyd sei­ne Schnupf­ta­baks­do­se her­vor.

      »Fin­den Sie denn nicht, dass Ga­tes­head-Hall ein wun­der­schö­nes Haus ist?« frag­te er. »Sind Sie nicht dank­bar, an ei­nem so schö­nen Orte le­ben zu kön­nen?«

      »Es ist nicht mein ei­ge­nes Haus, Sir; und Ab­bot sagt, dass ich we­ni­ger recht habe, hier zu sein, als ein Dienst­bo­te.«

      »Dum­mes Zeug! Sie kön­nen doch nicht so dumm sein, zu wün­schen, dass Sie einen so herr­li­chen Ort wie die­sen ver­las­sen dürf­ten?«

      »Wenn ich nur wüss­te, wo­hin ich ge­hen soll­te, ich wäre wahr­haf­tig froh zu ge­hen; aber ich darf Ga­tes­head erst ver­las­sen, wenn ich er­wach­sen bin.«

      »Vi­el­leicht doch frü­her – wer weiß? Ha­ben Sie au­ßer Mrs. Reed kei­ne Ver­wand­te?«

      »Ich glau­be nicht, Sir.«

      »Nie­man­den, der mit Ihrem Va­ter ver­wandt war?«

      »Ich weiß es nicht. Ein­mal frag­te ich Tan­te Reed, und da sag­te sie, dass ich mög­li­cher­wei­se ir­gend­wel­che arme, her­un­ter­ge­kom­me­ne Ver­wand­te, na­mens Eyre, ha­ben kön­ne, dass sie aber nichts über sie wis­se.«

      »Möch­ten Sie denn zu ih­nen ge­hen, wenn Sie sol­che An­ge­hö­ri­ge hät­ten?«

      Ich be­sann mich. Ar­mut hat et­was ab­schre­cken­des für er­wach­se­ne Men­schen; für Kin­der aber noch mehr; sie ha­ben nicht viel Sinn für flei­ßi­ge, ar­beit­sa­me, eh­ren­haf­te Ar­mut; dies Wort er­weckt in ih­nen nur den Ge­dan­ken an zer­lump­te Klei­der, kärg­li­che Nah­rung, einen kal­ten Ofen, rohe Ma­nie­ren und ent­wür­di­gen­de Las­ter: auch für mich war Ar­mut gleich­be­deu­tend mit Ent­eh­rung.

      »Nein. Ich möch­te nicht bei ar­men Leu­ten le­ben«, war mei­ne Ant­wort.

      »Auch nicht, wenn sie gü­tig ge­gen Sie wä­ren?«

      Ich schüt­tel­te den Kopf. Ich konn­te nicht be­grei­fen, wie arme Leu­te über­haupt die Mit­tel ha­ben, gü­tig zu sein. Und dann – spre­chen ler­nen wie sie – ihre Ma­nie­ren an­neh­men – schlecht er­zo­gen wer­den – auf­wach­sen wie eins je­ner ar­men Wei­ber, die ich zu­wei­len vor den Tü­ren der Hüt­ten ihre Kin­der war­ten und ihre Klei­der wa­schen sah? – nein, ich war nicht he­ro­isch ge­nug, mei­ne Frei­heit um den Preis mei­ner Kas­te zu er­kau­fen.

      »Aber sind Ihre Ver­wand­ten denn so arm? Ge­hö­ren sie zur ar­bei­ten­den Klas­se?«

      »Das weiß ich nicht; Tan­te Reed sagt, wenn ich über­haupt An­ge­hö­ri­ge habe, so müs­sen sie Bettl­er­ge­sin­del sein. Nein, nein, ich möch­te nicht bet­teln ge­hen.«

      »Möch­ten Sie nicht in die Schu­le ge­hen?«

      Wie­de­r­um dach­te ich nach; kaum wuss­te ich, was eine Schu­le denn ei­gent­lich sei; Bes­sie sprach zu­wei­len da­von wie von ei­nem Orte, an dem man von jun­gen Da­men er­war­tet, dass sie au­ßer­or­dent­lich ma­nier­lich und ge­ziert sind; John Reed hass­te sei­ne Schu­le und schmäh­te sei­nen Leh­rer, aber John Reeds An­sich­ten und Ge­schmack wa­ren kei­ne Re­gel für die mei­nen, und wenn Bes­sies Be­rich­te über Schul­dis­zi­plin (die­se stamm­ten von den Töch­tern ei­ner Fa­mi­lie, in wel­cher sie ge­dient hat­te, be­vor sie nach Ga­tes­head kam) et­was ab­schre­ckend lau­te­ten, so wa­ren ihre Er­zäh­lun­gen von ver­schie­de­nen Ta­len­ten und Kennt­nis­sen, wel­che

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