Heinrich der Seefahrer. João de Barros
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Am 25. Juli 1415 hisste die portugiesische Kriegsflotte die Segel. Sie bestand aus etwa 200 Schiffen jeder Größe und ungefähr 50000 Mann, darunter viele ausländische Söldner und Edelleute, unter anderen auch der Tiroler Dichter Oswald von Wolkenstein. Da die Portugiesen selbst nicht über genügend Schiffe verfügten, um diese Streitmacht nach Afrika überzusetzen, musste hierfür eine große Anzahl aus dem Ausland angemietet werden.21 Einige Tage später ging die Flottille in der Bucht von Lagos, an der Südspitze Portugals gelegen, vor Anker. Um die Truppe für den bevorstehenden Kampf in die richtige Stimmung zu bringen, ließ König Johann dort von seinem Hofkaplan eine zündende Kreuzzugspredigt halten, die mit den Worten endete: »Wer als Katholik und wahrer Christ nicht seine ganze Kraft zur Verteidigung des Glaubens einsetzt, ist kein echter Ritter, kein Glied Jesu Christi; er hat nichts mit ihm gemein und übertrifft an Schlechtigkeit den Ungläubigen.«22 Durch heftige Winde zeitweilig vom richtigen Kurs abgetrieben, erreichte die portugiesische Streitmacht am 14. August schließlich die Reede von Ceuta. Am nächsten Morgen erfolgte die Landung, wobei es den Portugiesen alsbald gelang, in die Stadt einzudringen. Wie Zurara schildert, übernahm Prinz Heinrich selbst die Leitung dieser Operation. Es entbrannte nun ein heftiger Kampf, Straßenzug um Straßenzug, Stadtviertel um Stadtviertel. Die Mauren waren zahlenmäßig weit überlegen, sodass die meisten von Heinrichs Leuten nach und nach ihr Heil in der Flucht suchten. Zuraras Bericht zufolge hielten nur 17 Ritter und Knappen bei Heinrich aus, und dieser kleine Haufen wehrte sich heroisch gegen die maurische Übermacht, wobei sich Heinrich durch außergewöhnlichen Mut hervorgetan haben soll. Erst als es ihm gelungen war, sich mit der Mannschaft seines Bruders Duarte, der inzwischen die Moschee von Ceuta erobert hatte, zu vereinigen, konnte der Versuch unternommen werden, die Zitadelle der Stadt zu erstürmen. Am Abend des 16. August war es dann endlich so weit: Auf der höchsten Zinne der maurischen Trutzburg wehte die portugiesische Flagge, das Banner des heiligen Vincente. Trotz heftiger Gefechte hatten die Portugiesen nach Auskunft des Chronisten insgesamt nur acht Mann verloren, »da die meisten Söldner, im Gegensatz zu den Mauren, einen Harnisch trugen«.23 Als Belohnung für ihren mutigen Einsatz und ihre Tapferkeit wurden die Prinzen Duarte, Pedro und Heinrich am 25. August von ihrem Vater, König Johann I., zu Rittern geschlagen, und zwar mit den Schwertern, die ihnen ihre Mutter kurz vor ihrem Tod – die Königin war unmittelbar vor dem Aufbruch der portugiesischen Flotte nach Ceuta verschieden – noch auf dem Totenbett überreicht hatte.
Nach der erfolgreichen Eroberung Ceutas ergab sich die Frage, ob man die Stadt langfristig halten oder wieder aufgeben sollte. Die Ratgeber des Königs waren hierüber verschiedener Meinung. Die Rückzugsbefürworter verwiesen vor allem darauf, dass eine dauerhafte Besetzung Ceutas mehr Kosten verursache als Gewinne einbringe. Die Gegenpartei war der Auffassung, dass bei einem Rückzug die Stadt wieder den Muslimen ausgeliefert würde und diese so wieder die Möglichkeit hätten, von hier aus die Algarveküste zu überfallen. Nach einigem Hin und Her wurde vom König schließlich beschlossen, Ceuta zu halten. Bevor die portugiesische Flotte am 2. September nach Portugal aufbrach, wurde der Graf von Viana, João Pedro de Menezes, als Gouverneur von Ceuta eingesetzt. Als Besatzungstruppe wurden knapp 3000 Mann mit einigen Schiffen zurückgelassen. Am 6. September 1420 wurde Ceuta – in Übereinstimmung mit einer Bulle Papst Martins V. – in den Rang einer bischöflichen Diözese erhoben.
Die Besetzung Ceutas stellte sich freilich bald als eine schwere Bürde heraus: Dauernde Überfälle der Mauren auf die Stadt machten den portugiesischen Besatzern das Leben schwer. Zwischen 1418 und 1420 wurde Ceuta von einer starken muslimischen Streitmacht belagert, sodass König Johann gezwungen war, seinen Sohn Prinz Heinrich mit einer Entsatzexpedition wieder nach Nordafrika zu schicken. Und obwohl die Mauren daraufhin nicht in der Lage waren, die Stadt zurückzuerobern, brachten Belagerung und ständige Überfälle die Portugiesen um die erhofften Vorteile. Dies galt vor allem auch in wirtschaftlicher Hinsicht, denn der muslimische Handelsschwerpunkt verlagerte sich nach 1415 von Ceuta auf andere Städte in Nordafrika, was zur Folge hatte, dass die Bemühungen der Portugiesen, von Ceuta aus den Sahara-Handel in den Griff zu bekommen, zum Scheitern verurteilt waren.24
Der Beginn der Atlantikerkundungen
Unter den gegebenen Umständen war es den Portugiesen verwehrt, von ihrem Stützpunkt Ceuta aus weiter nach Nordafrika vorzudringen. So führten nicht zuletzt die Enttäuschungen, die man in dieser Angelegenheit hinnehmen musste, am portugiesischen Hof zu einem Umdenken, was die weiteren Expansionspläne betraf. Die nunmehr neu eingeleitete Politik beinhaltete eine Doppelstrategie: Festhalten an Ceuta bei gleichzeitigen Vorstößen entlang der westafrikanischen Küste. Diese Politik war abgestützt durch einen nationalen Konsens: Die portugiesische Kaufmannschaft erhoffte sich hiervon ein weiteres Aufblühen von Handel und Wirtschaft, die Seeleute, darunter viele von hohem sozialen Rang, lockte die Aussicht auf Beutegewinn, andere wiederum konnten dadurch ihre Abenteuerlust befriedigen. Der Kampf gegen die Ungläubigen war ein weiteres einigendes Motiv. Und in den Kreisen der portugiesischen Dynastie dachte man in erster Linie daran, durch eine erfolgreiche Expansionspolitik das Königtum der Aviz zu stärken. Zur Leitfigur dieses Vorgehens wurde Prinz Heinrich. Unabhängig von der Frage, ob man nun ihm allein zuschreiben soll, den Anstoß für die Ausweitung des portugiesischen Herrschaftsbereichs gegeben zu haben – eine Sicht, die mittlerweile traditionell geworden ist –, bleibt festzuhalten, dass er es war, der am konsequentesten die genannte Doppelstrategie verfolgte, nämlich die Muslime sowohl von Ceuta aus als auch von See her durch Schiffsexpeditionen entlang der Küste von Westafrika anzugreifen25.
Ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung war die Kolonisierung von Madeira und der umliegenden Inseln in den Jahren 1418–1425. Danach richtete sich der Blick Portugals erneut auf die Kanarischen Inseln, die von Kastilien als Interessengebiet beansprucht wurden.26 Im Jahr 1424 oder 1425 brach eine erste Expedition unter dem Kommando von Fernando de Castro auf, um die Inselgruppe zu besetzen. Dieses Unternehmen schlug völlig fehl: De Castro musste unverrichteter Dinge wieder umkehren. Obwohl Kastilien heftig dagegen protestierte, unternahm Portugal in der Folgezeit wiederholt den Versuch, die Kanarischen Inseln in seinen Besitz zu bringen.27
In den Jahren zwischen 1425 und 1434 sandte Prinz Heinrich auch mehrere Expeditionen aus – Zuraras Bericht zufolge insgesamt 15 –, die