Gesammelte Gedichte (851 Titel in einem Buch). Christian Morgenstern
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Auf der Erde
steht eine hohe, gewaltige,
tausendsaitige Regenharfe.
Und Phanta
greift mit beiden
Händen hinein
und singt dazu –:
Monoton,
wie ein Indianerweib,
immer dasselbe.
Die Lider werden mir
schwer und schwerer.
Nach langem Halbschlaf
erwach ich wieder, –
reibe verstört mir
die trägen Augen –:
auf der Erde
steht eine hohe, gewaltige,
tausendsaitige Regenharfe.
DER BELEIDIGTE PAN
Auf der Höhlung
eines erstorbenen Kraters
blies heute Pan,
wie Schusterjungen
auf Schlüsseln pfeifen.
Er pfiff »die Welt« aus,
dies sonderbare,
zweideutige Stück
eines Anonymus,
das Tag für Tag
uns vorgespielt wird
und niemals endet.
Oh pfeife doch minder,
teuerer Waldgott!
Halt Einkehr, Pan!
Wer hiess Dich denn
unter Menschen gehen? ..
MONDAUFGANG
In den Wipfeln des Walds,
die starr und schwarz
in den fahlen Dämmerhimmel
gespenstern,
hängt eine grosse,
glänzende Seifenblase.
Langsam löst sie sich
aus dem Geäst
und schwebt hinauf
in den Aether.
Unten im Dickicht
liegt Pan,
im Munde
ein langes Schilfrohr,
dran noch der Schaum
des nahen Teiches
verkrustet schillert.
Blasen blies er,
der heitere Gott:
die meisten aber
platzten ihm tückisch.
Nur eine
hielt sich tapfer
und flog hinaus
aus den Kronen.
Da treibt sie schimmernd,
vom Winde getragen,
über die Lande.
Immer höher steigt
die zerbrechliche Kugel.
Pan aber blickt
mit klopfendem Herzen –
verhaltenen Atems –
ihr nach.
MONDBILDER
I
Der Mond steht da
wie ein alter van Dyck:
ein rundes, gutmütiges
Holländergesicht
mit einer mächtigen,
mühlsteinartigen,
cremefarbenen
Halskrause.
Ich möcht ihn
wohl kaufen,
den alten van Dyck!
Aber ich fürchte,
er ist im Privatbesitz
des Herrn Zebaoth.
Ich müsste den Ablass
wieder in Schwung bringen!
Vielleicht liess er ihn
dafür mir ab ...
Hm.
Hm.
II
Eine goldene Sichel
in bräunlichen Garben,
liegt der Mond
im broncenen Gewölk.
Mag da weit
die Schnitterin sein?