Geliebte Stimme. Barbara Cartland
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„Warum ausgerechnet Susanna?“ hatte ihre Mutter damals ihrem Mißfallen Ausdruck verliehen, und ihre Stimme hatte schrill geklungen vor Neid.
Als Susanna später dann erfahren hatte, daß ihr Vater bis zum Tag ihrer Vermählung das Geld treuhänderisch verwalten würde, hatte sie jegliches Interesse daran verloren.
Lord Lavenham war selbst ziemlich vermögend und sehr großzügig. Ihre Mutter bekam jeden Wunsch erfüllt, und obwohl die Gesellschaften, die sie ständig in Lavenham Park gab, sündhaft teuer sein mußten, erhob er nie Einspruch.
Nicht selten weilten dreißig Gäste mit sechzig besuchsweise anwesenden Dienern und ihrem eigenen zahlreichen Hauspersonal in dem riesigen im gotischen Stil errichteten Herrenhaus, das zu ihres Großvaters Zeiten mit zusätzlichen Türmchen, Wasserspeiern und Mauerwerk versehen worden war.
Es war ein geschmackloser Bau, das wußte Susanna, aber es war ihr Zuhause, und sie liebte es.
Weil sie ein Vermögen besaß und Herzogin werden sollte, würde sie irgendwo anders wohnen müssen, und ihre Mutter würde zum ersten Mal in ihrem Leben zufrieden mit ihr sein.
Oben im Schulzimmer, das so leer wirkte ohne Miss Harding, warf Susanna sich in den Sessel vor dem Kamin.
Sie sah immer wieder Mays todunglückliches Gesicht vor sich und hörte die Schwester mit tränenerstickter Stimme ihr Schicksal beklagen. Sie überlegte, ob sie sich May anvertrauen, sie um Rat fragen sollte, doch dann sagte sie sich, daß von ihr, die ihre eigene Vermählung mit einem ungeliebten Mann nicht hatte verhindern können, keine Hilfe zu erwarten war.
Was soll ich nur tun? überlegte Susanna fieberhaft, und ihre Gedanken irrten zu Miss Harding. Wenn sie zu ihr hätte gehen können, um mit ihr darüber zu sprechen, wäre ihr wohler gewesen. Miss Harding hätte sie verstanden und einen Ausweg gewußt.
Vor zwei Tagen war ein Brief von ihr gekommen, in dem sie Susanna mitteilte, daß sie eine Anstellung bei der Herzogin von Northumberland gefunden habe und deshalb nach Nordengland gereist sei.
Ich muß nachdenken, sagte sich Susanna. Ich muß ganz ruhig und vernünftig überlegen, wie ich dieses Übel von mir abwenden kann.
Ihr war, als sei sie einen schnurgeraden Weg entlanggegangen und unvermittelt, ohne Vorwarnung, an einen tiefen Abgrund gelangt.
Ich darf nicht in Panik geraten, redete sie sich gut zu. Ich werde einen Ausweg finden.
Sie wußte jedoch, daß es ein aussichtsloses Unterfangen war. Wie sollte sie sich den Wünschen ihrer Mutter widersetzen, die zweifellos genügend Druck auf den Herzog ausgeübt hatte, sich ihrem Willen zu beugen, weil er dringend Geld brauchte. Abgesehen davon gab es immer noch den König als letzte Instanz.
Susanna hatte gesprächsweise vernommen, daß der König einigen seiner engsten Freunde dabei geholfen hatte, ihre Töchter standesgemäß mit einem angesehenen Edelmann zu vermählen.
„Ich habe zum König gesagt, Seine Majestät sind so klug und diplomatisch und sollten Vera dabei helfen, ihre Tochter mit dem Grafen Bexley zu vermählen“, hatte Susanna ihre Mutter einmal sagen hören. „Du weißt, daß er alles tut, worum man ihn bittet. Man braucht ihm nur die richtigen Worte ins Ohr zu flüstern, dann hat man schon gewonnen.“
„Was hat Seine Majestät erwidert?“ erkundigte sich Lord Lavenham.
„Er war natürlich entzückt, daß ich ihn um Hilfe bat“, antwortete ihre Mutter. „Er hält sich für Gott Amor persönlich, aber du mußt zugeben, daß er in einigen Fällen außerordentlich erfolgreich war.“
„Nur wenige Leute haben den Mut, dem König etwas, das er begehrt, zu verweigern“, sagte Lord Lavenham zynisch.
Susanna wußte, daß ihre Mutter keinen Augenblick zögern würde, den König um Hilfe zu bitten, falls ihr Plan, sie mit dem Herzog zu verkuppeln, nicht zu einem raschen Abschluß kam.
„Ich werde am Ende der Saison verheiratet sein“, flüsterte Susanna vor sich hin und unterdrückte ein Schluchzen.
„Ich werde weggehen“, nahm sie sich vor. „Ich werde mich irgendwo verstecken.“
Wenn sie wirklich fliehen mußte, war es ein Glück, daß sie eine Menge Geld besaß.
Es gab niemals Schwierigkeiten, sich bei der Sekretärin ihrer Mutter mit Bargeld für die Bücher, die sie sich kaufen wollte, zu versehen. Außerdem hatte sie, seit sie in London weilte, gern Geld in der Tasche, um einem der zahlreichen Bettler, die ihr bittend die knochige Hand entgegenstreckten, etwas zustecken zu können, wenn sie eines der luxuriösen Modeateliers verließ und die Straße überquerte, um die vornehme Kutsche ihres Vaters zu besteigen.
Sie haben so wenig, und ich habe so viel, stellte sie bei sich fest.
Heimlich, hinter dem Rücken ihrer Mutter, pflegte sie eine 20-Shilling-Münze in eine schmutzige Hand zu drücken und vom Ausdruck unbeschreiblichen Entzückens in den stumpfen Augen einer Bettlerin abzulesen, daß sie ihr zu einem Augenblick des Glücks verholfen hatte, einem vom Schicksal benachteiligten Menschen, dem es viel schlechter ging als ihr selbst.
„Wenn ich aber weglaufe, kann ich nicht einfach untätig herumsitzen“, überlegte sie weiter. „Das wäre unmöglich.“
Die Vorstellung, sich irgendwo ein Zimmer zu nehmen und den ganzen Tag zu lesen, sagte ihr nicht zu. Damit würde sie ihre Probleme nicht lösen, erkannte sie, ohne jedoch recht zu wissen, wie sie das bewerkstelligen sollte.
Auf dem Kaminhocker neben ihrem Sessel lag ein Stapel Zeitungen. Ihr Vater bezog die Times und die Morgenpost und pflegte sie am Frühstückstisch zu lesen. Die Dienstboten brachten sie später dann in sein Arbeitszimmer, wo er vor dem Abendessen darin las, wenn er Zeit dazu fand.
Es würde eine Menge Fragen auslösen, wenn sie die Zeitungen an sich nahm, bevor er sie ausgelesen hatte. Susanna konnte sich das deutlich vorstellen. Sie beauftragte deshalb einen der Dienstboten, sie am darauffolgenden Morgen ins Schulzimmer zu bringen.
Sie waren dann zwar schon einen Tag alt, aber das machte im Grunde nichts aus. Niemand sprach mit ihr über die neuesten Nachrichten oder erwartete, daß sie sich für etwas anderes interessierte als für Kleider und Gesellschaftsklatsch.
Sie vertiefte sich in die gestrige Ausgabe der Times und hoffte, irgendeine Stellenanzeige zu finden, die ihr zusagte. Nicht weil sie Geld brauchte, wollte sie eine Stellung annehmen, sondern um die Zeit totzuschlagen.
Vielleicht könnte ich in einer Bibliothek arbeiten, überlegte sie, doch dann fiel ihr ein, daß sie dort genau den Leuten begegnen könnte, vor denen sie geflohen war.
Was ihr am besten gefallen würde, wäre eine Anstellung in einer der Gemäldegalerien, doch wenn sie sich recht erinnerte, waren die Führer in allen Galerien, die sie besichtigt hatte, männlichen Geschlechts gewesen.
Was kann ich tun? fragte sie sich und erkannte, daß sie sich ernsthaft mit ihrem Problem auseinandersetzte.
„Ich werde den Herzog nicht heiraten!“ schrie sie die Wand an.
Die Lösung lag aber nicht darin, daß sie einfach davonlief, sondern daß sie sich ihren Eltern stellte