.
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу - страница 24
»Dann geht das Schreiben zweifellos von ihm aus,« sagte ich, »und wir haben nur noch das Geheimnis aufzudecken, das der Matrose drohend über den Häuptern dieser beiden begüterten und geachteten Männer zu halten scheint.«
»Weh, Holmes! Ich fürchte, es steckt Sünde und Schande dahinter,« stöhnte mein Freund. »Aber vor dir habe ich kein Geheimnis. Hier ist das Schreiben, das mein Vater verfaßt hat, als er sah, daß die von Hudson drohende Gefahr immer näher rückte. Ich fand es im japanischen Zimmer, wie er dem Arzte gesagt hatte. Nimm und lies es mir vor! Denn mir fehlt Kraft und Mut, es selbst zu tun.«
Und das sind hier eben die Papiere, Watson, die er mir einhändigte, und ich will sie dir vorlesen, wie ich sie ihm in jener Nacht in dem alten Studierzimmer vorgelesen habe. Sie tragen, wie du siehst, die Aufschrift: ›Erlebnisse auf der Fahrt der Barke »Gloria Scott«, die Falmouth am 8. Oktober 1855 verließ und am 6. November 15 Grad 20 Minuten nördlicher Breite, 25 Grad 14 Minuten westlicher Länge unterging.‹ Der Bericht ist in Form eines Briefes verfaßt und lautet:
Mein lieber, lieber Sohn! Jetzt, wo der Augenblick der Schmach herannaht und schon seinen dunkeln Schatten auf meinen Lebensabend wirft, kann ich es mit voller Wahrheit und Aufrichtigkeit niederschreiben: nicht der Schrecken des Gesetzes, nicht der Verlust meiner weithin angesehenen Stellung, auch nicht mein Sturz in den Augen aller meiner Bekannten schneidet mir so ins Herz, wie der Gedanke, daß du über mich erröten sollst – du, der mich liebt, und der, hoffe ich, selten Grund hatte, mich anders als mit Achtung anzusehen. Wenn mich aber der Schlag trifft, der mir beständig droht, dann, wünsche ich, sollst du dies lesen und von mir selbst ungeschminkten Bericht erhalten, aus dem du das Maß meiner Schuld ersehen kannst. Sollte jedoch alles gut ablaufen – was Gott der Allmächtige geben möge –, und dieses Schreiben aus irgend einem Zufall noch nicht vernichtet sein und dir in die Hände fallen, dann beschwöre ich dich bei allem, was dir heilig ist, bei dem Andenken an deine teure Mutter und an die Liebe, die uns verbunden hat, wirf es ins Feuer und tilge es ganz aus deinem Gedächtnis!
Wenn also dein Auge diese Zeilen liest, werde ich schon angeklagt und vor Gericht geschleppt sein oder, was wahrscheinlicher ist – denn du kennst meine Herzschwäche –, mit aus immer versiegelter Zunge als Beute des Todes daliegen. In beiden Fällen ist die Zeit der Vertuschung vorbei, und jedes Wort, das du hier liest, ist die nackte Wahrheit; das schwöre ich dir, so wahr ich auf Barmherzigkeit hoffe.
Mein Name, teurer Sohn, ist nicht Trevor. In meinen jungen Jahren hieß ich James Armitage, und du kannst jetzt verstehen, wie es mich vor einigen Wochen erschüttern mußte, als dein Studienfreund Worte an mich richtete, aus denen hervorzugehen schien, daß er mein Geheimnis entdeckt habe. Als Armitage trat ich bei einem Londoner Bankhause ein, und als Armitage wurde ich wegen Gesetzesbruchs vor Gericht gezogen und zur Strafverschickung verurteilt. Denke darum nicht zu schlecht von mir, mein Junge! Es war eine sogenannte Ehrenschuld, die ich zu tilgen hatte, und ich verwendete dazu Geld, das mir nicht gehörte, in der Gewißheit, es ersetzen zu können, ehe auch nur die Möglichkeit der Entdeckung bestand. Aber das schrecklichste Unglück verfolgte mich. Das Geld, auf das ich gerechnet hatte, blieb aus, und eine unvermutete Kontrolle deckte das Defizit auf. Der Fall hätte milde beurteilt werden können, aber vor dreißig Jahren war die Gesetzesauslegung und Rechtsprechung weit schärfer als heutzutage, und mein dreiundzwanzigster Geburtstag fand mich als Missetäter mit siebenunddreißig anderen Sträflingen im Zwischendeck der nach Australien segelnden Barke »Gloria Scott« angekettet.
Es war im Jahre 1855, als der Krimkrieg noch in voller Wucht tobte, und die alten Sträflingsschiffe dienten vielfach zum Truppentransport nach dem Schwarzen Meere. Die Regierung sah sich daher genötigt, zur Verschickung der Strafkolonisten kleinere oder weniger geeignete Schiffe einzustellen. Die »Gloria Scott« war als Chinafahrer zum Teehandel verwendet worden, aber sie war ein altmodisches, schwergebautes, breitbugiges Fahrzeug, das den neuen scharfbugigen Kuttern weit nachstand. Bei fünfhundert Tonnen Tragfähigkeit zählte sie außer ihren siebenunddreißig Zuchthausvögeln eine Mannschaft von sechsundzwanzig Köpfen, achtzehn Seesoldaten, einen Kapitän, drei Maate, einen Arzt, einen Kaplan und vier Wärter. So faßte sie alles in allem an hundert Seelen, als wir von Falmouth in See stachen.
Die Wände zwischen den Sträflingszellen waren nicht, wie gewöhnlich auf diesen Schiffen, von dickem Eichenholz, sondern ganz dünn und zerbrechlich. Mein nächster Nachbar nach Backbord zu war mir schon, als man uns zum Kai hinunterführte, vor allen aufgefallen. Er war ein junger Mann mit bleichem, bartlosem Gesicht, langer, dünner Nase und wahren Nußknackerkinnbacken. Sein Kopf reckte sich recht übermütig in die Luft, sein Gang war herausfordernd; übrigens ragte er schon durch seine auffallende Körpergröße über alle hervor. Ich möchte glauben, daß ihm keiner von uns bis an die Schulter reichte, und er muß nach meiner Schätzung sechseinhalb Fuß gemessen haben. Sonderbar mutete es einen an, unter so vielen Jammergesichtern eines voll Tatkraft und Entschlossenheit zu sehen. Wie ein Kaminfeuer im Schneesturm kam es mir vor. So war es für mich eine Freude, diesen Mann zum Nachbarn zu haben, und eine noch größere, als ich durch die Totenstille der Nacht auf einmal dicht an meinem Ohr eine Stimme flüstern hörte und merkte, daß es ihm geglückt war, ein Loch in die uns trennende Bretterwand zu schneiden.
»Hallo, Kollege!« sagte er. »Wie heißen Sie, und was haben Sie ausgefressen?«
Ich antwortete ihm und fragte meinerseits nach seinem Namen.
»Ich bin Jack Prendergast,« sagte er, »und bei Gott, Sie werden meinen Namen segnen lernen, ehe wir wieder voneinander gehen.«
Ich erinnerte mich augenblicklich seines Falles, denn er hatte kurz vor meiner eigenen Festnahme ungeheures Aufsehen im ganzen Lande erregt. Prendergast war von guter Herkunft und ein sehr begabter Mensch, besaß aber eine unheilbare Neigung zu gesetzlosem Tun und hatte die ersten Londoner Kaufleute durch die sinnreichsten Gaunereien um gewaltige Summen gebracht.
»Ah, ich sehe, Sie erinnern sich an meinen Fall,« sagte er stolz.
»Allerdings, sehr gut.«
»Dann erinnern Sie sich vielleicht auch an etwas Merkwürdiges dabei?«
»Was soll das sein?«
»Ich hatte ziemlich eine Viertelmillion Pfund, nicht?«
»So hieß es.«
»Aber man konnte nichts wiederfinden, was?«
»Nein.«
»Nun, wo denken Sie, daß das Geld geblieben ist?« fragte er.
»Ich habe keine Ahnung.«
»Gerade zwischen meinem Finger und Daumen,« sagte er. »Bei Gott, meines Vaters Sohn hat mehr Dukaten als Sie Haare auf dem Kopfe! Und wenn man Geld hat, mein Lieber, und es zu verwenden und auszugeben versteht, so kann man alles machen. Nun werden Sie es nicht für wahrscheinlich halten, daß ein Mann, der alles machen kann, seine Hosen in dem stinkigen Schiffsraum eines rattenwimmelnden, wurmzerfressenen, muffigen alten Kastens von Chinaküstenfahrer durchscheuern will. Nein, mein Bester, solch ein Mann sieht, wo er selbst bleibt und wo seine Genossen bleiben. Darauf können Sie Gift nehmen! Machen Sie Part mit ihm, und Sie können einen Eid aus die Bibel leisten, die er Ihnen hinlotsen wird!«
So redete er fort, und zuerst dachte ich, es wäre, nur Geschwätz; aber nach einiger Zeit, als er meiner sicher zu sein glaubte und mich mit aller Feierlichkeit hatte Verschwiegenheit geloben lassen, weihte er mich in der Tat in einen Plan ein, den man schon lange gefaßt hatte, und der auf nichts anderes ausging, als sich des Schiffes zu bemächtigen. Ein Dutzend Sträflinge hatten ihn ausgeheckt, ehe sie an Bord gebracht worden waren; Prendergast war das Haupt des Unternehmens und sein Geld die Triebkraft.