Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield
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»Die Männer der Muscogees haben die Tomahawks begraben«, rief der Häuptling Joseph heftig. – »Sie haben beim großen Geist geschworen«, setzte er mit einer zänkisch gellenden Stimme hinzu.
Es entstand ein Gemurmel, das ebensowohl Beifall als Mißbilligung bedeuten konnte.
»Mein Geruch spürt den Atem eines Verräters, den Sohn eines Weißen und einer betrogenen Squaw, der Tochter eines Häuptlings der Muscogees«, sprach der Miko.
Es erhob sich wieder das Gemurmel des Unwillens.
»Mein Atem«, erwiderte der Halfblood oder Mischling Joseph giftig, »spürt den Atem eines Wolfes, den die Herde der Seinigen vertrieben, weil er sie den Jägern in die Schlingen geführt; Joseph«, setzte er triumphierend hinzu, »ist geboren von dem Blute roter und weißer Eltern. Sein Vater war ein Weißer, seine Mutter war die Tochter der Schwester des Miko Tokeah. Hat er aber, gleich diesem, den roten Männern das lange Messer der Weißen in den Nacken gesetzt? Nein, er hat es abgewehrt von ihrer Brust. Er hat gejagt mit ihnen, er hat den Tomahawk erhoben mit ihnen gegen die Cherokees und die Choctaws der sechs Nationen.«
Er hielt inne und sah die Umhersitzenden forschend an.
»Wenn meine Rede meinen Brüdern gefällt, so will ich fortfahren; wenn sie aber ihre Ohren verschließen, so weiß der Häuptling Joseph seine Zunge zu halten.«
Ein alter Wilder unterbrach ihn. »Er hat sich wie der rote Hund in seine Höhle geflüchtet, als die Muscogees die Axt gegen die Weißen erhoben. Er hat den Späher der Weißen gemacht.«
»Und seinen Brüdern den Frieden gebracht«, fiel der Halfblood dem Sprecher keck ein. »Wäre Joseph nicht gewesen, wo wären jetzt die Muscogees? Sie wären von der Erde vertilgt.«
»Besser,« sagte ein zweiter, »sie wären gefallen im blutigen Felde, als von ihren eigenen Brüdern verraten zu werden.«
Der Miko hatte diese verschiedenen Ausbrüche der Ungeduld, die so sehr der bei einer Versammlung hergebrachten Sitte zuwiderliefen, mit mehr Staunen als Unwillen angehört.
»Und sehen die Augen Tokeahs«, so sprach er endlich, »wirklich die Muscogees, die großen Muscogees, deren größter Häuptling sein Vater und er gewesen? Die Muscogees, die den Weißen noch fürchterlich waren, als bereits alle roten Stämme diesseits des endlosen Flusses verschwunden oder halb vertilgt waren? Ja!« rief er mit schmerzlicher Betonung, »es sind wirklich die Muscogees, aber nicht die Muscogees des Miko Sheyah und Tokeah, es sind Männer mit roten und rötlichen Gesichtern, aber in den Gewändern der Weißen. Hört, rote Männer, die letzten Worte Tokeahs und füllt seine Ohren nicht mit Squawsgezänke. – Männer der Muscogees! Den eure Augen neben Tokeah sehen, der ist El Sol, der größte Häuptling der Cumanchees.«
Es erhob sich sofort eine Anzahl der Wilden, die sich dem jungen Mexikaner näherten, um ihn zu begrüßen, indem sie ihm die Palme ihrer Hand entgegenstreckten; die übrigen blieben murrend sitzen.
»Der Miko der Oconees«, sprach der Halfblood Joseph, »hat sich von seinem Volke losgerissen. Er ist in die salzige Wildnis jenseits des endlosen Stromes gegangen. Warum hat ihn sein Weg wieder hierhergebracht? Seine Zunge ist wie das Wasser des Oconee, das sich bereits mit dem großen Salzsee vermischt hat. Sie ist bitter, scharf und giftig. Wollen meine Brüder sie hören und das Gift in ihre Herzen aufnehmen?«
Es entstand wieder ein heftiges Gemurmel.
»Wollen meine Brüder ihn hören und die Stirn der Weißen umwölken?« schrie der Halfblood. »Er, der die Leichen der Ihrigen gesäet hat wie Welschkorn, er lebt noch, seine Krieger sind mit ihm. Er ist nicht viele Tagreisen von den Wigwams der Muscogees.«
»Hugh!« ertönte es aus den Reihen mit einem furchtbaren Geheule, während andere in ein lautes Murren ausbrachen. Mehrere schienen dem Sprecher beizupflichten, viele hatten jedoch ihre Augen auf den Miko gerichtet, der kalt und anscheinend unbewegt saß.
»Der Sohn eines Weißen«, hub er endlich an, »hat wahr gesprochen. Die Zunge Tokeahs ist bitter; sie ist nicht geläufiger geworden, seit er vor zwanzig Jahren in ebendiesem Tale zu den Seinigen gesprochen. Sie ist bitterer geworden; denn seine Augen haben vieles gesehen, seine Ohren vieles gehört, das seine Seele betrübt. Sie haben gesehen, wie sein Volk sich wie Hunde von ihren falschen Brüdern an rote Männer – an Brüder hetzen ließ.« Bei diesen Worten blies er in seine geballte Faust, die er zugleich öffnete und vorwarf. »Seine Augen haben gesehen, wie rote Männer gegen ihre roten Brüder den Tomahawk erhoben haben, weil die falschen Weißen es so gewollt haben, die dann der Toren spotteten, die sich einander die Messer in die Brust stießen. Seine Augen haben gesehen, wie falsche Brüder sich in die Wigwams der Weißen geschlichen und von ihnen viele Dollars erhielten und damit die roten Männer betrunken machten, und als sie sich im Kote herumwälzten, ihnen in die Ohren flüsterten, das Land ihrer Väter den Weißen zu verkaufen. Sie haben es gesehen, wie sie, während der Miko auf seinem Zuge gegen die Choctaws der sechs Nationen gewesen, gegen die der Tomahawk wider seinen Willen erhoben worden, wie sie sein Land den Weißen verkauften. Sie haben es gesehen und die Dollars, die er dafür empfangen sollte. Aber er hat sie mit dem Fuß weggestoßen. Seine Ohren«, fuhr er fort, »haben gehört, wie sich die geblendeten, roten Männer anhetzen ließen, die Tomahawks zu erheben gegen die Weißen, als es zu spät war, und sie so in die Falle gingen. Sie sind geschlagen worden in blutigen Schlachten, und viele Sommer werden verlaufen, ehe die roten Männer werden wagen dürfen, wieder ihre Tomahawks gegen die Unterdrücker zu erheben. Aber höret, rote Männer der Muscogees!« fuhr er fort, und seine Stimme hob sich – »die Weißen haben die roten Männer durch ihre Feuergewehre und langen Messer unterdrückt. Ihrer sind wenige, aber diese wenigen sind noch den Weißen zu viele. Hört, rote Männer! die Weißen haben viele Gifte. Sie haben das Feuerwasser, das langsam tötet. Sie haben ihre weißen Späher, die sie unter die roten Männer senden und die ihren Squaws und Töchtern lieber sind, weil sie eine zartere Haut haben; sie haben aber auch verräterische Zungen unter den roten Männern, viele verräterische Zungen. Sie sind Häuptlinge geworden, diese verräterischen Zungen. Sie haben die Dollars genommen, die der Miko mit den Füßen weggestoßen hat. Sie ziehen mit meinem Volke. Sie wohnen auf seinem Lande. Sie reden mit seiner Zunge. Aber sie reden mit einer Doppelzunge, weil sie doppeltes Blut haben. Kennen meine Brüder diese Männer?« Sein Blick fiel durchbohrend auf den Häuptling Joseph.
Dieser war in unruhiger, unbändiger Wut, und nur durch die Seinigen bisher vom Ausbruche derselben zurückgehalten worden.
»Männer der Muscogees!« schrie er aufspringend mit kreischender Stimme. – »Ich sage nichts mehr, als der große Krieger der Weißen lebt noch – der verbannte, der vertriebene Tokeah flüstert euch in die Ohren. Ihr mögt ihn hören, und seine Worte werden euch führen, wohin er getrieben wurde, in die Salzwüste.«
Der alte Mann hatte, nachdem er gesprochen, sein Haupt auf die Brust gesenkt. Er hob es nun und warf auf den Sprecher einen mitleidig verächtlichen Blick. »Hat Tokeah«, so fragte er, »das Kriegsgeschrei erhoben? Hat er seinen Brüdern in die Ohren geflüstert, es zu erheben? Was Tokeah gewollt hat, wissen die roten Männer. Sie verschlossen ihre Ohren. Sie hörten seine Stimme nicht. Tokeah war in seinem Herzen betrübt, als seine Ohren es vernahmen. Er war fern von ihnen. Er hat aber eine Kette geschlungen, die auch für sie glänzen wird – der große Häuptling der Cumanchees wird sie als seine Brüder, als seine Söhne aufnehmen. Tokeah ist gekommen, sein Volk nochmals zu sehen. Er ist durch die Wigwams der Weißen gegangen. Sie zittern vor den vielen Kriegern des Vaters der Kanadas, die gekommen sind, zahlreich wie die Bäume des Waldes in großen Kanus, und mit brüllenden Feuerschlünden.«
Die