Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury. Else Ury
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Читать онлайн книгу Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury - Else Ury страница 9
Weinend thronte die Puppe auf ihrer einsamen Höhe.
»Ach Gott – ach Gott, wie soll mich mein Mütterchen bloß je im Leben hier wiederfinden?«
Da kam Annemarie glückstrahlend mit ihrem Rettungsboot zurück. Sie band es an die Teppichmaschine und fischte die Ertrunkenen wieder aus dem Ozean heraus.
»Nanu, wo ist denn mein Gerdachen hingekommen?« verwunderte sie sich. »Habt ihr Gerda nicht gesehen?« wandte sie sich an die übrigen Fahrgäste.
Irenchen wies mit dem ausgestreckten Arm in die Richtung des Ofens, aber die Kleine achtete nicht darauf. Auch nicht auf das feine, weinende Puppenstimmchen, das sie von oben rief. Sie stürzte in die Jungenstube, denn sie ahnte sogleich den Täter.
Dort saß Klaus mit dem harmlosesten Gesicht der Welt und machte seine Rechenaufgaben.
»Klaus, hast du meine Gerda genommen?« fragte sie kampfbereit.
»Laß mich mit deiner dummen Puppe in Frieden«, brummte der und steckte die Nase noch tiefer ins Buch.
Die Kleine hielt es für geraten, andere Saiten aufzuziehen.
»Kläuschen, liebes, gutes Kläuschen, ach, gib mir doch meine kleine Gerda wieder!« bettelte sie.
»Such’ sie dir«, brummte der Puppenräuber.
»Also du hast sie genommen, du abscheulicher Junge, na warte!« Annemaries schon zum Boxen erhobene Ärmchen sanken aber wieder herab. Sie jagte aus dem Zimmer, die Mutterliebe war stärker als die Rauflust.
»Sie ist nach Amerika geschwommen, wenn sie nicht unterwegs ein Haifisch verschluckt hat«, rief der ungezogene Klaus noch hinter dem Schwesterchen her.
Im Wohnzimmer durchsuchte Annemarie in Gemeinschaft mit Frida jeden Winkel. Gerda blieb verschwunden. Bitterlich weinend stand die kleine Puppenmutter unten, während oben auf dem Ofen ihr Kind ebenso bitterlich weinte.
Da rief Frida, welche die Kronenglocken säuberte, plötzlich von der Leiter herab: »Ich sehe sie – da guckt ein Bein über den Ofenrand – na, hoffentlich ist sie nicht aus Wachs, sonst ist die da oben bestimmt geschmolzen.«
Sie rückte die Leiter an den Ofen und rettete das arme Puppenkind vor dem Verbrennungstod. Das Herz klopfte der kleinen Annemarie inzwischen bis in den Hals hinein.
Lieber Gott – würde ihre Gerda, ihr süßes Nesthäkchen, auch nicht geschmolzen sein – oder am Ende gar so braungebrannt wie die Negerpuppe?
Da hielt sie ihr Kind endlich wieder im Arm, fest, ganz fest. Nein, es war noch genau so schön, wie vorher, nur ein bißchen erhitzt fühlte es sich an. Selig küßten sich die beiden, als ob Gerda wirklich aus Amerika angereist gekommen wäre.
Von nun an aber hatte Puppe Gerda noch viel, viel größere Angst vor dem bösen Klaus.
5. Kapitel
Nesthäkchen macht schlechtes Wetter
Die Bäume im Tiergarten hatten ihr neues, hellgrünes Maikleid angelegt, die Vögelchen pfiffen und flöteten ihre Frühlingslieder, herrlich blühte der Flieder. Auf den Bäumen krabbelte es von Maikäfern, und auf den Spielplätzen von kleinen Buben und Mädeln.
Aber so lustig es auch im Tiergarten war, es kostete Annemarie jedesmal einen Kampf, von Hause fortzugehen, denn dort war es jetzt noch tausendmal lustiger. Da wurde der alte, häßliche Winterstaub aus allen Ecken und Winkeln gejagt, mit großen Besen und Scheuerbürsten und wahren Fluten von Seifenwasser. Hanne und Frida, die hatten es gut. Die brauchten nicht mit Fräulein in den ollen Tiergarten spazierenzugehen, die durften den ganzen Tag nach Herzenslust klopfen, bürsten und fegen, seifen und panschen. Ach, wie Annemie die beiden beneidete! Besonders da Mutti auch meistens dabei half.
»Bist du sehr traurig, Fräulein, daß du nicht mit reinmachen darfst?« fragte sie mitleidig, als es wieder mal in den Tiergarten ging.
»Nein, ganz und gar nicht«, lachte Fräulein. »Ich gehe viel lieber spazieren, du doch auch, Annemiechen?«
»Ach wo«, rief die Kleine und lachte ebenfalls, denn sie glaubte, ihr Fräulein mache nur Spaß. Sie konnte sich nicht denken, daß jemand noch etwas anderes schöner finden könnte als Reinmachen.
»Ich wollte, es regnete alle Tage, daß ich zu Hause bleiben müßte«, sagte sie mit Inbrunst.
»Das kann schneller kommen, als du denkst, Liebling, denn das Barometer scheint zu fallen.«
»Regnet es dann, wenn das Barmeter fällt?« erkundigte sich die Kleine angelegentlich.
»Ja, dann gibt es jedesmal schlechtes Wetter«, belehrte sie Fräulein.
Heute war Annemarie mit ihren Gedanken gar nicht so recht beim Spiel. Gerda bekam keinen Spinat zu essen, der Ball blieb in seinem roten Wollnetz, und selbst der große Reifen lief nicht wie sonst den Vorübergehenden gegen die Knie. Annemie hatte anderes zu tun. Die mußte in den blauen Himmel hinaufgucken, und die kleinen Flatterwölkchen, die wie weiße Wollschäfchen dort oben vorbeizogen, zählen. Ob die wohl Regen brachten?
Als die Kleine heute vom Spaziergange nach Hause kam, war ihr erster Weg nicht wie sonst in die Kinderstube zu den Puppen. Mit Hut und Mäntelchen lief sie in Vaters Sprechzimmer zum Barometer.
Nein – es war noch nicht gefallen, es hing noch ganz fest an der Wand, da hatte sie sich umsonst gefreut.
»Morgen wird deine Kinderstube reingemacht, meine Lotte«, sagte Mutti nach Tisch zu dem Töchterchen.
»Au fein – da kann ich nicht spazierengehen!« Annemarie vollführte vor Freude einen Luftsprung, und Gerda, die sie gerade auf dem Arm hatte, mit.
Mutti hatte eine andere Ansicht.
»Du bist durchaus dazu nicht nötig, mein Herzchen. Wir werden gut ohne dich fertig. Im Gegenteil noch schneller, wenn du uns nicht im Wege stehst.«
»Aber meine Puppenküche muß ich doch reinmachen, da darf die Hanne nicht ran. Die zerschlägt mir bloß meine Teller, du hast erst gestern gesagt, Muttichen, die Hanne zerschlägt alles.«
»Ich werde die Puppenküche selbst übernehmen, bist du nun zufrieden, Lotte?« fragte Mutti lächelnd.
»Nein, gar nicht –« Nesthäkchen machte ein langes Gesicht. »Wenn meine Kinderstube reingemacht wird, muß ich dabei sein. Im Kaufmannsladen weißt selbst du nicht so gut Bescheid, Muttichen, und meine Puppenbetten muß ich mir auch selbst klopfen und frisch beziehen. Ach, wenn’s doch morgen bloß regnen wollte!«
Alle paar Minuten lief Klein-Annemie an das Fenster, um zu sehen, ob denn noch immer keine schwarzen Regenwolken kämen. Aber der Himmel war und blieb blau, und die Sonne lachte die Kleine noch obendrein aus.
»Du sollst mich nicht auslachen, du dumme Sonne!« rief Annemarie und