Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Im Sonnenwinkel Staffel 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg Im Sonnenwinkel Staffel

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und sie hatte »Dagmar« gerufen. Aber sie hatte die Mutti nicht erkannt, und dann war sie so schnell fortgelaufen.

      Tante Melanie hatte gesagt, dass der Papa sie im Stich gelassen hätte.

      Vielleicht waren sie zu ihm auch böse gewesen und er war so fortgelaufen. Konnte das nicht sein?

      Die Welt der Vierjährigen war völlig in Unordnung geraten, und nun war sie ganz allein in dem großen Haus und fürchtete sich.

      Sie stand auf und betrachtete im Spiegel ihre langen Haare. Ihr gefielen sie sehr gut so. Man konnte Zöpfchen flechten oder sie zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden. Vielleicht würde die Mutti es so viel lieber haben als kurz.

      Dann machte Dagmar den Kleiderschrank auf und betrachtete die vielen hübschen Kleider.

      Doch eigentlich trug sie viel lieber Hosen, weil man sich an denen die Hände abwischen konnte, und man sah nicht alles.

      Unten im Schrank lagen welche, die nicht mehr ganz sauber waren und die sie nur anziehen durfte, wenn sie im Garten spielte.

      Jetzt begann sie sich anzuziehen. Es ging nicht so leicht, denn sonst hatte Tante Melanie ihr immer dabei geholfen. Aber sie war doch schon ein großes Mädchen und konnte sich auch allein ankleiden.

      Draußen schien die Sonne. Sie wollte nicht den ganzen Vormittag im Haus bleiben. Tante Melanie blieb immer schrecklich lange beim Friseur, und der Weg dorthin war auch ziemlich weit.

      Manchmal ließ ja Onkel Alf sein Auto da, wenn seine Frau etwas vorhatte, aber heute war er damit weggefahren. Auch das hatte Dagmar gehört.

      Die Schuhe zuzubinden fiel ihr nicht leicht. Sie machte einfach einen Knoten. Dann ging sie hinunter und öffnete die Haustür.

      Es war gar nicht kalt. Einen Mantel brauchte sie nicht anzuziehen, und lange wollte sie ja auch nicht draußen bleiben.

      Sie ließ die Tür einen Spalt offen und dachte sich nichts dabei.

      Zuerst blieb sie eine Weile im Garten. Dann lugte sie auf die Straße, ob sie vielleicht einen Spielkameraden entdeckte. Aber kein Kind war zu sehen.

      Sie wollte sich ihre Puppe holen, aber da fand sie die Tür verschlossen.

      Der Wind musste sie zugeschlagen haben, doch auf den Gedanken kam Dagmar nicht.

      Die Tür war zu, und sie konnte nicht mehr ins Haus. Tante Melanie, die schon so zornig auf sie war, würde nun bestimmt noch viel zorniger werden.

      Vielleicht geschah das nicht, wenn sie zum Friseur ging und lieber gleich beichtete. Wenn du etwas anstellst und mir gleich die Wahrheit sagst, bekommst du keine Strafe, hatte Tante Melanie immer gesagt.

      Also beschloss Dagmar, zum Friseur zu gehen. Sie kannte den Weg ganz gut und setzte sich in Bewegung.

      Die ersten beiden Straßen kannte sie genau. Da lagen auch die Geschäfte, in denen sie immer einkauften. Doch an der nächsten Kreuzung ging sie in der falschen Richtung, ohne dass es ihr auffiel.

      Sie marschierte weiter, die Hände in den Hosentaschen vergraben, ein hübsches kleines Mädchen in nicht ganz sauberen Hosen und einem verwaschenen Pullover, der reichlich dünn war.

      Sie begann zu frieren und lief schneller. Aber nirgendwo war der Friseur zu sehen, zu dem Tante Melanie immer ging, und plötzlich waren gar keine Häuser mehr da, sondern eine Landstraße.

      Dagmar war schrecklich hungrig, denn sie hatte heute noch nichts gegessen, und sie war schon sehr weit gelaufen. Sie kannte die Zeit nicht und wusste nicht, dass sie schon fast eine Stunde unterwegs war.

      Sie erblickte drüben auf einer Wiese Ponys und war abgelenkt. Die musste sie sich doch einmal ganz nahe ansehen. Blindlings lief sie über die Straße, ohne auf den Wagen zu achten, der schnell näherkam. Er bremste. Aber er hatte sie doch noch gestreift, und Dagmar fiel hin.

      Sie fühlte einen heftigen Schmerz, und dann wurde es ganz schwarz um sie.

      Totenbleich taumelte ein Mann aus dem Wagen. Es war Gottfried Großmann, der Besitzer des Fohlenhofs. Seine junge Frau Fränzi saß schreckerstarrt auf ihrem Sitz.

      »Ein Kind, mein Gott, ein Kind!«, stöhnte sie.

      Gottfried Großmann hatte Dagmar aufgehoben. Sie schien nicht schwer verletzt, war aber bewusstlos.

      »Wir müssen sie gleich in die Klinik bringen«, murmelte er voller Angst. »Ich konnte doch nichts dafür, Fränzi. Sie ist geradewegs in den Wagen gelaufen.«

      »Wenn sie nur lebt!«, flüsterte Fränzi Großmann. »Es ist schrecklich, Friedel.«

      Sie setzte sich auf den Rücksitz und nahm das Kind in den Arm.

      »Wie kann man aber auch ein so kleines Ding allein auf die Straße gehen lassen«, sagte sie. »Nach Erlenried gehört sie nicht, sonst würde ich sie kennen.«

      »Vielleicht sind sie neu zugezogen und sie hat sich verlaufen«, meinte er, während er weiterfuhr.

      »In Erlenried gibt es niemanden, der ein Kind so dünn bekleidet bei diesem frischen Wind hinausgehen lassen würde«, erklärte Fränzi.

      »Na, na«, entgegnete Gottfried Großmann, »immer kann man auch nicht aufpassen. Du weißt doch, wie schnell Kinder manchmal entwischen.«

      »Jedenfalls ist sie ganz durchfroren«, bemerkte Fränzi und hüllte die Kleine noch fester in ihren Mantel. »Aber gebrochen hat sie sich nichts.«

      »Mir langt es wirklich, dass ich in eine solche Geschichte gerate«, brummte er. »Wer ist immer schuld? Natürlich der Autofahrer.«

      »Reg dich doch nicht auf, Friedel. Es ist bekannt, dass du vorsichtig fährst, und wir wollen hoffen, dass dem Kind nichts weiter passiert ist.«

      *

      Melanie Siemon saß währenddessen beim Friseur unter der Haube und blätterte in einer Illustrierten. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren.

      Ich muss anders versuchen, Dagmars Herz ganz zu gewinnen. Ich werde ganz besonders lieb zu ihr sein, dachte sie. Sie wird diesen Zwischenfall vergessen, wenn Alf sich auch ein bisschen Mühe gibt.

      Er mochte das Kind doch gern, und richtige Väter, die abends abgespannt nach Hause kamen, nahmen sich auch nicht viel Zeit für ihre Kinder. Sie setzten sich genauso vor den Fernsehapparat und wollten nicht mit Problemen belastet werden.

      Alf war ein guter Mann. Sie hatte sich nicht zu beklagen. Sie hatte ein sorgenfreies Leben und konnte sich kaufen, was im Rahmen blieb.

      Er machte ihr nie Vorschriften. Er brachte ihr sogar heute, nach sechsjähriger Ehe, noch manchmal Blumen mit. Nein, das Kind hatte keinen Grund zur Klage.

      Melanie beschwichtigte ihr Gewissen, aber sie wurde immer unruhiger.

      »Bin ich denn jetzt nicht bald fertig?«, fragte sie ungehalten.

      »Noch fünf Minuten, Frau Siemon«, erwiderte die freundliche Friseuse. »Warum haben Sie Dagmar denn nicht mitgebracht?«

      »Sie war noch müde«, sagte

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